Mahlzeit

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Ein Gewirr aus ruhigen Stimmen, dem leisen Klirren von Geschirr und regen Treiben von Personen umgab sie. Aus allen möglichen Richtungen drangen Geräusche an ihre Ohren. Sie nahm ein grelles Licht trotz ihrer geschlossenen Augenlider wahr, welches direkt auf sie strahlte. Ihr Kopf hämmerte vor pochenden Schmerzen, wenngleich es diesmal ihr Hinterkopf war.

Sie kniff, geblendet von der Lampe, die Augen zusammen, bevor sie sie langsam öffnete. Sie versuchte sich mit den Händen die Augen zu reiben, doch wurden diese von Manschetten, die um ihre Handgelenke lagen, zurückgehalten. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie völlig nackt war und auf einem harten Holzbrett zu liegen schien. Sie versuchte ihre Beine anzuwinkeln, was ebenfalls durch Manschetten um ihre Fußgelenke verhindert wurde. Sie wandte den Kopf nach links uns sah eine Reihe von Personen mit weißen Schürzen, die um sie herum, mit leeren Tellern, Salatschüsseln und Weingläsern vor ihnen, saßen und sich miteinander in leisen Stimmen und sittlichem Tonfall über alles Mögliche unterhielten; so, als wären sie bei einem Geschäftsessen. Im Hintergrund hörte sie dieselbe französische Musik, die bereits oben im Gästeraum von den Musikern im Frack vorgetragen wurde.

Nur langsam dämmerte ihr, was eigentlich geschehen war und dass in ihrem Mund eine Metallkugel zu stecken schien, die diesen luftdicht verschloss. Ihre Atmung, die nur noch durch die Nase möglich war, wurde schneller als ihr langsam klar wurde, wo sie sich befand.

Das laute Klimpern eines metallischen Gegenstandes auf einem Glas erfüllte plötzlich den Raum, woraufhin alle Unterhaltungen abrupt verstummten – nur die Musik spielte noch leise weiter.

„Liebe Freunde", hörte sie die einleitenden Worte des alten Mannes, der während ihres Katz-und-Maus-Spiels durchwegs gebrüllt hatte, jetzt jedoch in einer beinahe angenehm ruhigen Stimme sprach, „im Namen der Communauté De Gourmets heiße ich Sie heute Nacht alle herzlich willkommen."

Leises Geflüster unter den Anwesenden setzte ein, bevor der Mann fortfuhr.

„Vorerst möchte ich mich herzlich bei Ihnen allen, im Namen unserer gesamten Organisation, für die", er machte einen Moment Pause, „Unannehmlichkeiten des heutigen Abends entschuldigen. Seien Sie jedoch versichert, dass für Sie zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestand."

Wieder ertönte leises Geflüster unter den Gästen.

„Nichtsdestoweniger möchte ich Ihnen nun endlich und feierlich den Hauptgang unseres Abends präsentierten. Dabei handelt es sich um eine 25-jährige Amerikanerin – weswegen wir übrigens am heutigen Abend auch viele ausländische Freunde aus Übersee bei uns am Tisch willkommen heißen dürfen. Aufgewachsen ist sie in ländlicher und behüteter Gegend, sie ist 166 Zentimeter groß und wiegt 59,3 Kilo. Körperlich ist sie in hervorragender Verfassung, sie hat keinerlei nachgewiesenen chronischen Erkrankungen in ihrer Krankengeschichte vorzuweisen. Und – bis auf eine Fußverstauchung vor 16 Jahren – auch keine dramatischen Verletzungen oder Infektionen. Auch ihr Stammbaum ist frei von Makeln, Erbkrankheiten sind damit so gut wie auszuschließen. Außerdem hat sie noch nicht geboren."

„Ein wirklich guter Fang heute", flüsterte ein jüngerer Mann einer älteren Frau zu, „beim letzten Mal gab es einen Philippinen, dessen Fleisch hatte etwa die Konsistenz von altem Leder."

Die Frau, der er das erzählte, kicherte daraufhin etwas.

„Als Beilage des heutigen Abends kredenzen wir einen exquisiten Chou rouge en salade mit Olivenöl, mit besten Empfehlungen unserer Chefs, der leider am heutigen Abend – beziehungsweise der heutigen Nacht – verhindert ist. Dazu servieren wir einen Pinot Noir aus Burgund, Jahrgang 99. Die Behältnisse, zur Entsorgung von Knochen und anderem Ungenießbarem, finden Sie wie üblich zu ihrer Linken."

Ein Abend in feiner GesellschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt