Zutaten

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„Guten Abend, schönes Kind", sagte er hörbar grinsend.

Sie schreckte zurück und hielt sich beide Hände vor den Mund. Deutlich konnte sie hören, wie der Mann hinter der Bar aufstand, bis er plötzlich dahinter hervorragte. Immer noch zu geschockt, um etwas zu sagen und weiter in kleinen Schritten rückwärtsgehend, konnte sie sehen, wie die Gestalt um die Bar herum nach vorne ging.

„Hab keine Angst, ich wollte mir nur einen letzten Schluck genehmigen, bevor das Spektakel losgeht", lachte er in einer tiefen kratzigen Stimme.

„W-Wer bist du?", waren die einzigen Worte, die sie noch irgendwie hervorbrachte.

„Hast du mich etwa schon wieder vergessen?", antwortete der Herr, der langsam hervor ins schummrige rote Licht trat.

Es war der ehemalige Bankenmanager, Henry Goldberg, von dem John ihr erzählte und dem sie auf ihrem Weg zu den Toiletten ein Grinsen zugeworfen hatte.

„Was- Was läuft hier? Welches Spektakel!?", fragte sie eingeschüchtert, Goldberg mit Blicken fixierend.

„Das, weswegen wir hier sind. Das, wegen dem auch du hier bist", antwortete er dreckig lachend.

„Die Anderen", begann er, bevor er in einem Schluck sein halbvolles Whiskyglas leerte und danach laut hickste, „werden mich dafür hassen, dass ich mir diesen Spaß nun allein gönne aber du wirst mir dankbar sein. Ich tue es nämlich schnell. Die Anderen sind da weniger sanft. Während ich nämlich mehr gekochte Speisen bevorzuge, stehen die mehr auf das ‚lebende Buffet'."

Er fuchtelte mit den Fingern vor ihr umher; ihr rutschte das Herz in die Hose und ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Sie war bereits so viele Schritte zurück gegangen, dass sie fast an eine der Backsteinwände anstieß. Blanke Panik machte sich in ihr breit.

„Halt schön still, Mädchen", rief er ehe er ein langes Schlachtermesser aus der Innenseite seines Sakkos zog und auf sie zu rannte.

Sie begann zu schreien und stürmte durch die Reihen gedeckter Tische, doch er lief ihr hinterher. Auf ihrer Flucht warf sie alle Stühle und Tische hinter sich um, die sie zu fassen bekam und rannte in blanker Panik und Angst durch den Raum; doch er verfolgte sie unentwegt.

Sie schrie aus voller Kehle um Hilfe, doch die massiven Metallplatten vor den Fenstern gaben keinen Anlass dazu zu glauben, dass irgendjemand ihre Schreie hören würde, selbst, wenn derjenige direkt daran gelauscht hätte.

Sie rannte hinter die Bar, griff eine der Flaschen aus dem Regal und warf sie nach Goldberg, der sie beinahe eingeholt hatte. Die Flasche zerbarst, als sie ihn am Schädel traf und er sackte in sich zusammen. Das Messer glitt ihm dabei aus der Hand und rutschte über den Boden hinter der Bar.

Sie blieb stehen und atmete hektisch, als sie den zusammengebrochenen Mann vor sich in der Bar liegen sah. Millionen von Gedanken rauschten ihr durch den Kopf, der von Adrenalin nur so überschwemmt wurde. Es dauerte einige Minuten, bis sie sich wieder gefangen hatte und sich auf der Bar aufstützte.

„Scheiße", sagte sie, noch völlig außer Puste.

In langsamen, behutsamen Schritten ging sie in Richtung der Bar, um das Messer aufzuheben und ihn zu entwaffnen.

Doch plötzlich merkte sie, dass der Mann sich zu regen begann.

„Scheiße!", schrie sie und ließ das Messer liegen, bevor sie in die hölzerne Schwingtür mit dem Bullauge, direkt links neben der Bar platzte. Sie löste damit einen Bewegungsmelder aus, der das Licht einschaltete; sie befand sich nun in der Küche des Restaurants. Sie war vergleichsweise klein, mit sterilen, weißen Fliesenkacheln verkleidet und mit allerhand von Einrichtungen aus Edelstahl bestückt.

Ein Abend in feiner GesellschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt