Carna

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Im Lokal herrschte reger Betrieb; man sah Kellner, die durch die Tischreihen wuselten und hunderte von Menschen, die an ihren Tischen bei einem Glas Wein oder mit Tellern vor sich saßen und tranken und aßen. Durch die gläserne Eingangstür konnte man einen gut gekleideten Herrn am Empfang sehen. Noch nie hatte Anna ein derartiges Etablissement aus der Nähe gesehen, geschweige denn betreten.

„Komm", sagte John und reichte Anna, die noch immer ungläubig auf das tolle Logo des Restaurants blickte, die Hand, um ihr zu deuten, diese in die ihre zu nehmen und ihn zu begleiten. Sie grinste bis über beide Ohren, als sie ihre Hand nach seiner austreckte und sich ihre Finger ineinanderschlangen, bevor er sie die zwei Treppen zum gläsernen Eingang des Lokal geleitete.

Er zog an der Tür und sofort drang ein Schwall von warmer Luft, sowie die Geräusche klimpernden Geschirrs und leiser Worte der Menschen darin heraus, die sich miteinander unterhielten. Direkt am Eingang des Lokals lag ein dunkelroter Läufer auf einem aus Mahagoniholz bestehenden Fußboden, der sich durch die vollbesetzten Tischreihen des Lokals zog. Tatsächlich hatte John nicht gelogen, was die Interkulturalität dieses Ortes anging; es schien ein Schmelztiegel verschiedenster Kulturen zu sein. An allen Tischen saßen Menschen aller möglichen Nationen und überall aus dem Raum drangen andere Sprachen an ihr Ohr. Dieser Ort schien nicht nur ein Hotspot in der Stadt, sondern auf der ganzen Welt zu sein. Es schien nur eines zu geben, was alle Menschen hier verband: Sie alle schienen definitiv besser situiert zu sein als die Nachtschwärmer auf den Straßen.

„Einen Tisch für zwei, bitte", hörte sie John zu dem Rezeptionisten sagen.

„Tut mir sehr leid", antwortete dieser, „wir sind leider vollkommen belegt."

Anna blickte im ersten Moment ungläubig drein.

Oh nein, bitte lass den Abend nicht am Empfang enden, dachte sie, als sie die Worte des Herren am Empfang hörte. Johns Stimme jedoch wurde strenger.

„Ich habe reserviert!"

Er kramte sein Portemonnaie aus der Innenseite seines Sakkos, das immer noch auf Annas Schultern lag, hervor und zog eine kleine, goldene Plastikkarte, die er dem Mann am Empfang vorlegte.

„Bitte entschuldigen Sie vielmals, ich wusste nicht, dass Sie das sind", entgegnete er ruhig aber mit deutlicher Scham in der Stimme, „Francies!"

Sekunden später stieß ein Kellner mit Schnurrbart und im Frack an den Empfang.

„Francies, bitte führen Sie diesen Herren und seine Begleitung an ihren Tisch", forderte der Rezeptionist von dem Kellner.

„Aber wi-", entgegnete der Kellner, doch er unterbrach ihn mitten im Satz und beharrte eindringlich darauf, da diese Gäste bereits reserviert hätten.

„Wie Sie wünschen", antwortete der Kellner und wandte sich zu den Gästen, „wenn Sie mir bitte zu Ihrem Tisch folgen mögen."

„Entschulden Sie bitte die Unannehmlichkeiten, Mr. Lambrick", sagte der Mann am Empfang und reichte John seine goldene Karte zurück. Er nahm Anna bei der Hand und führte sie weiter ins Restaurant.

„Entschuldige bitte. Ich werde mit dem Besitzer darüber sprechen, dieser Auftritt war peinlich", sagte er zu ihr, sichtlich echauffiert über das Verhalten des Herrn am Empfang.

„Das macht doch nichts", entgegnete Anna, darüber beeindruckt, welchen Einfluss selbst in den nobelsten Restaurants John zu haben schien und auch etwas ungläubig darüber, dass selbst so ein kleines Malheur in diesen Kreisen derartige Wogen schlagen konnte, dass er morgen mit dem Besitzer über diesen „Vorfall" sprechen würde.

„Bist du hier sowas wie ein V.I.P.?"

„Du meinst wegen der Karte?", fragte John und grinste sie an.

Ein Abend in feiner GesellschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt