5 - Rotwein am Abend

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17:59
Und...? Darf ich kommen?

18:02
In Ordnung, bis gleich

Ich lese mir diese Nachricht noch hunderte male durch und werde immer nervöser und unsicherer, ob das die richtige Entscheidung war. Sicher freue ich mich über Gesellschaft, über ein offenes, ehrliches Ohr, aber ist Emilia da die richtige Person?

Ich räume dann so schnell es geht das trockene Geschirr in die Schränke und falte die Decke zusammen, um sie dann auf das Sofa zu legen. Mit schnellen Schritten bewege ich mich ins Badezimmer und schnappe mir mein Parfüm, das ich seit meiner Schulzeit immer wieder kaufe. Ein paar Spritzer auf meine Haut - dann stelle ich es wieder in das Regal.

Eigentlich will ich mich jetzt noch schnell umziehen und mir eine Bluse anziehen, doch dann klingelt es schon an der Tür. Ich laufe einige Sekunden hin und her und fasse mir nervös an die Stirn. Dann aber traue ich mich und gehe zur Haustür, die ich dann öffne.

Ich lächle unsicher und empfange sie mit einem zurückhaltenden "Heyy".
Sie grinst herzlich und zieht eine Augenbraue hoch: "Na, alles ok?"
Stirnrunzelnd nicke ich ihr zu.
"Du siehst nämlich etwas zerzaust aus, deine Haare sind etwas verwuschelt. Ist deine Freundin etwa gerade gekommen?"
Mit großen Augen starre ich Emilia an: "Ähm nein, ich, ich.. habe nur aufgeräumt, haha..".
Mit einer raschen Handbewegung bitte ich sie herein.
Neugierig und interessiert schaut sie sich um, während sie erst ihre Jacke und dann ihre Schuhe auszieht.

"Es sieht schön hier aus.", sagt sie leise und geht mit langsamen Schritten durch den hellen Flur.
"Du kannst gerade durch gehen, hinten ist das Wohnzimmer."
Ein leichtes Schmunzeln verlässt ihre Lippen als wir im Wohnzimmer angekommen sind: Einige Kerzen brennen auf dem Tisch und auf den Regalen. Sie erhellen den Raum mit einem angenehmen, warmen Licht.
Gemeinsam setzen wir uns auf das große Sofa und sagen einige Zeit gar nichts. Ich bin etwas angespannt und muss mein Zittern verschiedener Körperpartien unterdrücken. Zu ungewohnt ist die Situation, Emilia wieder bei mir zu haben. Jedoch genieße ich auch ihre Anwesenheit - ich habe viele Monate, Jahre damit verbracht, mir vorzustellen, wie es wäre, sie wieder zu sehen. Und jetzt, genau in diesem Moment sitzt sie neben mir. Sie hat ihre dunklen, gelockten Haare wie immer offen und lässt sie locker über ihre Schultern hängen. Ihre langen, schlanken Beine hat sie übereinander geschlagen. Sie trägt eine enge, schwarze Jeanshose und eine dunkelblaue Bluse, in der ihre Oberweite sehr betont wird. Als ich in ihre goldbraunen Augen sehe, bermerke ich, dass sie ihre Wimpern anscheinend mit einem schwarzen Mascara nachgemalt hat. Auch wenn sie Schminke nie gebraucht hat, sieht es unfassbar sexy an ihr aus.
In ihrem schmunzelnden Gesicht erkenne ich, dass sie mich beim Mustern beobachtet hat.

"Ähm.. Möchtest du vielleicht etwas trinken?", gebe ich trocken und stotternd von mir.
Ihr Gesichtsausdruck verwandelt sich schlagartig in einen nachdenklichen Blick: "Hast du Rotwein da?"
Ich nicke mit einem lächelnden Augenverdrehen und mache mich auf den Weg in die Küche. Dort schnappe ich mir zwei Weingläser aus der Vitrine und den im Kühlschrank gelagerten Rotwein.
Schon im Flur sehe ich, wie Emilia sich erneut neugierig umschaut und besonders die Fotos von mir und Sharon anstarrt.

..Ich stelle die Gläser und den Wein auf dem Tisch ab und blicke in fragende Augen.
"Was ist denn?"
Emilia runzelt die Stirn: "Wieso hast du überall Fotos von euch stehen, wenn sie nie bei dir ist?"
Ich setze mich seufzend auf das Sofa und gebe ihr zu verstehen, dass ich nicht darüber sprechen möchte.
"Ach ja, stimmt, sie ist ja nur wegen ihrer Arbeit nicht da. An allen anderen Tagen, an denen sie frei hat, ist sie sicherlich hier und leistet dir eine angenehme Gesellschaft.."
Wütend nehme ich die Flasche Wein in die Hand und öffne sie. Ich schenke uns beiden etwas ein und bleibe stumm. Denn ich weiss, wenn ich jetzt etwas sage, werde ich es bereuen.
"Du verdienst etwas Besseres.", flüstert Emilia und nippt dann an ihrem Glas.
"Es ist ok, wie es ist. Ich kann mich über nichts beklagen.", lüge ich vor mich hin.
Die dunkelhaarige Frau stellt ihr Glas wieder auf den Tisch und platziert ihre weiche, warme Hand plötzlich auf meinen Oberschenkel. Ich zucke kurz zusammen und traue mich erst nach wenigen Sekunden in ihre Augen zu schauen. Emilia lächelt vorsichtig und unsicher, ihre Augen funkeln und durchdringen mich wortwörtlich - es fühlt sich so an, als würde sie genau wissen, was ich denke.
"Du verdienst jemanden, der dich bedingungslos liebt. Jemanden, dem du wichtiger bist, als alles andere.", lächelt sie mit einem traurigen Gesichtsausdruck, den sie versucht mit ihrem herzhaften Grinsen zu verstecken.
"Da gibt es aber niemanden.", sage ich enttäuscht und schiebe Emilias Hand leicht von meinem Bein herunter. Bevor Emilia etwas antworten kann, fahre ich fort:
"Bitte urteile nicht über meine Freundin, denn du hast mich auch verlassen, weil dir dein Beruf wichtiger war.."
Ich greife schnell nach meinem Glas und nehme einen ordentlichen Schluck, auch wenn ich weiss, dass man Wein genießen sollte. Doch mein Hals ist gerade sehr trocken und wenn ich es richtig deuten kann, bin ich den Tränen momentan sehr nahe.
"Yulia, das stimmt so nicht.."
"Ach ja? Hast du etwa auch so eine gute Ausrede wie Sharon?"
"Yulia! Ich habe dich verlassen, weil ich Angst hatte, dass wir uns noch mehr voneinander entfernen und uns im Schlechten trennen! Ich hatte Angst davor, mit dir zusammen zu sein und dich trotzdem gar nicht mehr richtig zu kennen! Ich habe darauf vertraut, dass wir irgendwie wieder zueinander finden werden! Und dann sah ich dich tatsächlich wieder...", bringt sie mit Tränen in den Augen hervor. Ihre Stimme klingt ziemlich bestürzt und aufgewühlt. "Und es tut mir leid, dass ich diesen Schritt gegangen bin! Ich habe dich jeden Tag vermisst und jede Sekunde gehofft, dass du mir in der Stadt zufälligerweise entgegen läufst oder wir uns an der Kasse im Supermarkt wieder sehen! Glaub mir das.."
Ein zögerliches Nicken meinerseits führt dazu, dass sie kurz unter Tränen in den Augen lächelt.
"Ich möchte da heute nicht drüber sprechen. Wir wollten uns doch einen schönen Abend machen..", flüstere ich leise, ein wenig traurig.
"Ja.. Tut mir leid..
Was hältst du davon, wenn wir uns einen Film oder eine Serie schauen? Dann können wir beide runter kommen und uns entspannen..?"
Ich nicke ihr lächelnd zu und krame aus meinem Schrank einige DVDs.
Diese schleppe ich dann mit auf das Sofa. Dort blicke ich dann fragend der lachenden Frau zu.
"Naja.. Gibt es heutzutage nicht diese Streaminganbieter wie Netflix?", lacht Emilia laut auf, ".. Und dabei dachte ich, ich bin die deutlich ältere von uns beiden."
Ich verdrehe belustigt die Augen und packe die Filme wieder zurück in die Kommode. Dann schalte ich den Fernseher ein und mache es mir erneut auf dem Sofa gemütlich, öffne Netflix und stöbere mit Emilia die Kategorien ab.
"Spuk in Hill House soll sehr gut sein", erwähnt Emilia.
"Ist das nicht etwas gruselig?"
Sie nickt lächelnd: "Bist du etwa ein Angsthase?"
Ich schüttle den Kopf und grinse frech, als ich dann den "Starten"-button betätige...

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Schönen Sonntag!
- TVF

I fall into your Hazel Eyes again. (Gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt