Kapitel 2

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Die Flammen haben nach ihren Beinen förmlich gegriffen und jetzt trug sie Prothesen, denn die Verletzungen waren Verbrennungen dritten Grades. Nun war sie an der ganzen Schule als Krüppel bekannt. Selbst ihre 'besten Freunde' haben sie seit dem Unfall vernachlässigt und standen in dieser schwierigen Zeit nicht neben ihr.

Auch im Krankenhaus wurde sie von ihnen nicht besucht, obwohl Kate einen recht guten Ruf an der Schule hatte. In einer Beziehung mit einem Jungen vom College ein paar Kilometer entfernt, reiche Eltern, die sich voll und ganz um das Mädchen gekümmert haben und ihre Noten befanden sich immer in einem sehr guten Bereich.

Bloß Chris und ich haben bei ihr im Krankenhaus mehrmals vorbeigesehen und wir hatten wirklich viel Spaß gemeinsam. Ich lernte Kate nämlich nach dem Unglück erst richtig kennen und hätte niemals gedacht, dass die ehemalige Klassenzicke auch eine andere Seite von sich zeigen konnte. Denn uns hat sie ihre weiche Seite präsentiert, schließlich benötigte jeder Mensch mal die Hilfe von anderen.

Für mich war es deshalb unverständlich, warum jetzt keiner mehr etwas mit ihr zu tun haben wollte. Sie sahen bloß mit ihren hochnäsigen Blicken auf das Mädchen im Rollstuhl herab und ignorierten sie eiskalt.

"Ms. West, haben Sie vergessen, wie man einen Stuhl nimmt und sich setzt? Oder wollen Sie die Stunde lang stehen?" Die genervten Worte meines Chemielehrers rissen mich aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Ich druckste als Antwort irgendwelche Wörter herum und ließ mich dann seufzend auf meinem Platz fallen.

Neben mir war Kates Tisch, weshalb ich den Kopf in ihre Richtung drehte und ihr ein aufmunterndes Lächeln zu warf. Knapp lächelte sie zurück und legte sorgfältig ihre Schulsachen auf die Tischplatte. Ich beobachtete sie dabei, wie sie mehrere Anläufe benötigte, um an ihre Tasche auf dem Boden zu kommen. Gerne hätte ich ihr geholfen, doch meistens lehnte sie Hilfe von Anderen ab.

"Ich habe vielleicht keine Beine mehr, aber meine restlichen Körperteile funktionieren noch einwandfrei", hatte sie einige Tage zuvor gesagt, als ich ihr einen heruntergefallenen Stift aufheben wollte. Dann habe ich ihn eben liegen gelassen und musste mich damit abfinden, wie sie sich herunterbeugte und nur noch ein Zentimeter gefehlt hat, bis sie ihn hätte erwischen können.

"Die nächsten Wochen führen wir ein paar Experimente durch, die ihr bitte in Dreiergruppen absolvieren werdet. Einer von euch schreibt immer das Protokoll mit der Versuchsdurchführung, der Beobachtung und dem Ergebnis, beziehungsweise der Erklärung. Dafür erhaltet ihr als Gruppe eine Gesamtnote, die wie eine Klausur zählen wird", verkündete Mr. Steel erfreut und rieb begeistert seine Hände aneinander, während er durch seine Brillengläser die aufstöhnende Klasse musterte. "Ich teile eure Gruppen ein."

Nochmal beschwerten sich meine Mitschüler mit einem lauten Stöhnen und wichen in Geflüster mit ihren Nebensitzern aus. Ich sah zu Marie, die ihre perfekt geformten Augenbrauen hochzog und sich auf ihrem Stuhl gelangweilt zurücklehnte. Mit ihr konnte man derartige Projekte nicht machen, denn entweder hatte sie keine Lust, keine Zeit oder sie war so hyper-motiviert, dass sie alles umwarf. Deshalb war ich heilfroh, dass Mr. Steel die Gruppen einteilte - innerlich hoffte ich natürlich, nicht mit Kates Ex-Besten-Freundinnen abhängen zu müssen.

"Ashley, Katelyn und Ethan sind Gruppe vier."

Neben mir lachte Marie laut auf und hielt sich hastig den Mund zu, sobald ich sie finster anstarrte.

"Gut, dann holt die jeweiligen Aufgabenzettel zu den Stationen ab und legt los!"

Keiner bewegte auch nur einen einzigen Muskel. Alle lungerten lustlos auf ihren Stühlen und schienen demnächst - wie Blumen, die man vergaß zu gießen - einzugehen. Natürlich musste einer den ersten Schritt wagen.

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