Kapitel 22

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Hochkonzentriert haben wir unsere Augen starr auf den Fernseher gerichtet und achteten einzig und allein auf die Nachrichtensprecherin. Ihr Bericht über den aktuellen Sport interessierte mich recht wenig.

Shawn hatte seinen Arm um meine Schultern gelegt und hielt mich fest. Durch seine liebevolle Geste fühlte ich mich gleich wieder komplett. Sollte ich mich eigentlich mal bei ihm bedanken? Dafür, dass er weiterhin auf meiner Seite stand? Schließlich verweigerte er jeglichen Kontakt meinerseits zu Samuel und würde mich nicht mehr mit meinen Problemen alleine lassen.

Ich hatte ihn gar nicht verdient, denn was gab ich ihm zurück? Mein Rumgeheule? Meine Angst? Mit abgedrifteten Gedanken folgte ich seinem auf einmal entsetzten Blick und riss geschockt die Augen auf. Es wurden Bilder von einer toten Katze gezeigt. Ihr steckte ein Pfeil im Bauch. Mir wurde plötzlich ganz heiß und schwindelig und zusätzlich krempelte sich mein Magen um.

"Sieh' nicht hin, Ash", warnte mich Shawn und drückte mein Gesicht an seine Brust. Vor meinen Augen sah ich nur noch die Bilder von dem aufgeschlitzten Bauch und dem blutverfiltzten Fell. All das gravierte sich tief in mein Hirn ein. Mir war nur unglaublich schlecht. Auf meiner Zunge wurde ein ekelhafter Geschmack immer deutlicher.

"Ich glaube, ich...", setzte ich an und hielt plötzlich seinen Mülleimer in der Hand. Ich musste mich übergeben. Der widerliche Gestank stieg mir in die Nase. Ich fühlte mich abartig.

Automatisch drehte sich mein Kopf wieder in die Richtung des Fernsehers. Sie zeigten eine blutige Postkarte, die mir den absoluten Rest gab. Wäre sie nicht gewesen, hätten sie die tote Katze bestimmt nicht in den Nachrichten gezeigt.

"Das ist für dich, A", las der sichtlich verwirrte Reporter vor und sprach direkt weiter. "Die Polizei will vorerst nicht nach dem Mörder fahnden, sondern nach der Person, die mit dieser Karte gemeint ist. Sie soll sich umgehend bei der Dienststelle melden."

Nein, das war also das Geschenk.

"I-ich kenne die Katze!", krächzte ich und machte Shawns verschwommenes Gesicht vor mir aus. "Die ist Samuels Hintergrundbild."

"Kannst du mir sagen, warum er seiner eigenen Katze wegen dir einen Pfeil in den Bauch gerammt haben soll?"

"Nein, aber bitte mach' den Fernseher aus! Ich kann das nicht mehr ansehen", flehte ich ihn an und hielt mir die Augen zu, drehte mich zusätzlich von den Bildern weg. Nur spukten sie durchgehend vor meinem inneren Auge herum.

Sie blitzten auf. Und verschwanden einfach nicht mehr.

Sie verschwanden nicht!

Das Blut.

Die Katze.

Die Postkarte.

Und plötzlich auch das hämische Grinsen von Samuel.

"Sie gehen nicht weg!", schluchzte ich blind in das Kissen, in das ich mein Gesicht vergrub. "Sie gehen nicht weg!"

Meine Beine strampelten wild umher und meine Fäuste schlugen wild auf die Kissen ein. Ich kreischte und blinzelte.

Die Bilder sollten verschwinden. Stattdessen bedrängten sie mich, kamen näher. Genauso Samuels Gesicht. Das Grinsen schwand, aber seine Augen blieben. Seine kristallblauen Augen.

"Geh' weg!", schrie ich verzweifelt und streckte die Hände aus. In meinem Magen spürte ich einen schmerzhaften Stich. Wieder stieg mir der ekelhafte Geschmack in den Rachen. Mir war kotzübel.

"Ashley!"

Nein, ich würde nicht auf ihn hören. Meine Knie taten weh. Meine Wange holte den Schmerz von Samuels Ohrfeige wieder ein.

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