PUSSYCAT ✓

Kapitel 14

Was genau mir Samuel zu sagen hatte, blieb vorerst unausgesprochen. Schließlich hatte Mom gekocht, obwohl ich ihr hundert Mal gesagt habe, dass er nicht mit uns essen würde. Deshalb führte ich ihn in das Esszimmer und wies ihm den Stuhl zu, auf dem normalerweise Dad immer saß.

Da sich meine Mutter ihm gegenüber niederließ und auch Jasper anwesend war, musste ich mich zwangsläufig neben ihn setzen. Ich hatte kein Problem mit ihm. Ganz im Gegenteil, ich freute mich, dass er mir versuchte zu helfen und dennoch war da dieses gewisse Etwas, das mir ein mulmiges Gefühl beschaffte.

"Dein Name ist Samuel?" Mein Bruder sah von seinem leeren Teller auf und neigte den Kopf dezent schief zur Seite.

"Ja..." Natürlich fühlte sich Samuel unwohl und äußerst fehl am Platz, was ich durchaus verstehen konnte. Alles war eben seltsam. "Warum fragst du?"

"Nur so..." Brummend lehnte er sich zurück und sah ihn weiterhin nicht an.

"Samuel. Du bist also Ashleys Nachhilfelehrer?" Mom musterte den überforderten Jungen, der mir irritierte Blicke zu warf. "Oh, entschuldige. Ich sollte mich besser erst selbst vorstellen. Ann. Ashleys Mutters."

Sie reichte ihm die Hand und nahm dann seinen Teller, um ihm etwas von ihrem hausgemachten Kartoffelbrei aufzuladen. Wie sollte ich ihm im Geheimen weismachen, dass ich meine Mutter angelogen habe? Ich formte mit den Lippen ein lautloses "Sorry" und dann auch ein "Bitte", worauf er anfing, meine Mutter anzulächeln.

"Ja", erwiderte er und nahm mit einem leisen "Danke" seinen Teller entgegen. Die Pampe darauf studierte er mit unauffällig gerümpfter Nase. Das verübelte ich ihm keineswegs, denn Moms Kartoffelbrei war mit Abstand der schlechteste Kartoffelbrei der Welt. Ansonsten konnte sie super kochen, doch es war jedes Mal ein komplexes Mittagessen, da keiner von uns alles auffuttern wollte.

"Und... in welchen Fächern?", erkundigte sich Mom und schöpfte auch mir den Brei auf den Teller. Samuels Mund öffnete sich zur Antwort, doch dann schloss er ihn wieder nachdenklich.

"Chemie!", rief ich hastig und hätte beinahe mein Glas umgestoßen. "Wir machen da gerade so Versuche und müssen Protokolle schreiben. Er hatte das alles schon und hilft mir, sie zu verfassen..."

Okay, nicht der beste Grund, aber auf die Schnelle ist mir nichts Besseres eingefallen. Eigentlich wollte in meiner Gruppe Kate die Sachen aufschreiben, nur musste Mom das ja gar nicht wissen.

"Hach ja... Shawn hätte dir das auch erklären können. Er hatte das doch letztes Jahr auch", meinte Mom nebenbei und kümmerte sich nun um Jaspers zu füllendes Hungerbedürfnis. Als ob Shawn das alles noch wüsste, wenn er den Großteil des Stunden sowieso nicht anwesend gewesen ist.

"Ähm... die Versuche sind nicht die gleichen... und..." Hilfesuchend versuchte ich mit Jasper Blickkontakt aufzubauen. Er stocherte allerdings angewidert in seinem Kartoffelbrei herum. Ich drehte mich zu Samuel und ergriff die Initiative, als er leicht von seinem Stuhl aufstand, um nach einer der Wasserflaschen zu greifen. Er tat mir jetzt schon Leid. Mit einem geschickten Tritt stieß ich seinen Stuhl um einige Zentimeter zurück und als er sich hinsetzen wollte, verfehlte er ihn und landete mit einem leisen schmerzvollen Schrei auf den Küchenfliesen.

"Oh, hast du dir weh getan?", rief ich mit theatralischen Gesten aus und kniete neben Samuel auf den Boden. Mit einem vor Schmerz verzerrten Gesicht starrte er mich an und rieb sich die Stelle an seinem Hinterkopf. Verdammt, er ist wirklich gegen seinen Stuhl geknallt. Hatte ich in meinen sekundenschnellen Überlegungen nicht einberechnet.

"Spiel' bitte einfach mit", flüsterte ich und sobald er leicht seinen Kopf vor und zurück wiegte, stand ich auf und zog ihn auf die Beine.

"Ist alles in Ordnung?" Besorgt erhob sich Mom von ihrem Platz, während Jasper heimlich den Kartoffelbrei von seinem Teller zurück in den Topf verschwinden ließ. Ich stützte Samuel auf der rechten Seite, gleichzeitig hielt er sich mit der linken Hand an dem Esstisch fest.