IV. Zwischenraum

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「 Annie lebt 」

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「 Annie lebt 」

"WIE geht's Akihiko?".

Annie kennt keinen Akihiko. Und ihre Tante weiß genau, was sie sagt, als sie es sagt, weil sie will, dass Annie etwas sagt. Aber Annie bleibt still.


"Danke, dass du dich um alles gekümmert hast. Die Gage für das Stück, ich - " , nur einen kurzen Augenblick denkt sie an die Kamera, die sie Finn zum Geburtstag hat kaufen wollen von ihrem Geld, nur ganz kurz - "Ich überweise dir was zurück. Ihr müsst das nicht alleine tragen".

Tante Em hebt kurz die Hand, als würde sie Annies Unsinn aufhalten wollen mit einer so winzigen physischen Barriere. Ihre Hände sind so winzig... Annie will nicht, dass Tante Em noch mehr für sie tut, will ihr nicht noch mehr als ihre Existenz schulden.


"Soll ich noch mehr Sachen mitnehmen?", fragt ihre Tante Em stattdessen und widmet sich den zwei Kartons neben ihr. Annie schüttelt den Kopf. "Danke, dass du gekommen bist", sagt sie und nun fallen beiden keine Dinge mehr ein, die sie anstatt der Wahrheit sagen könnten.


Tante Em stapelt die zwei Kartons, hängt sich ihre Handtasche um, die vor zwanzig Jahren sehr edel war, und geht den kurzen Weg zur Tür. Annies Wohnung ist so klein wie ein Zimmer, da ist kein Raum für eine dramatische Szene, in der sie ihrer Tante auf dem langen Weg durch den Korridor zurufen könnte, dass es ihr lieber wäre, wenn sie bliebe. Nein, eine Sekunde wartet Annie zu lang und schon fällt die Tür ins Schloss. Es geht immer so schnell.


Alle gehen immer so schnell.


Annie kann ihren Text nicht mehr lernen, ihre Wohnung nicht mehr putzen, sie war bereits drei Mal einkaufen und irgendwann hat man die Kapazitäten an Schokoladencornflakes erreicht. Sie runzelt die Stirn. "Scheiße, hier stehen wirklich sieben angebrochene Packungen herum?".


Sie hätte fast gelacht, aber dann fällt ihr etwas Neues ein. Sie kann wieder nützlich sein. Darum geht sie zur Tür, geht zum Fahrstuhl, geht heraus, geht zum Briefkasten, der geht nicht auf, sie reißt daran, es passiert nichts, sie rüttelt daran, es quietscht nur, sie tritt dagegen und die Tür fällt ab und ihre Post heraus.


Ohne genau auf die Briefe zu achten, kickt sie die Briefkastentür beiseite und geht zurück.


Es sind Karten. Beileidskarten von allen, die wissen, dass es da nochmal jemanden gegeben hat. Sie starrt sie an. Liest sie durch, langsam und sorgfältig. Und dann vergleicht sie all die Sprüche, die darin stehen. Nach der Hälfte hört sie auf -  das Ergebnis widert sie an.


Natürlich weiß sie, dass es schwer ist, in solchen Situationen Worte zu finden und dann noch die scheinbar verlangten "richtigen Worte"? Viele fühlen sich betroffen, wollen Anteilnahme zeigen, helfen, unterstützen, doch manchmal ist ein kleines "Lass mich wissen, wenn du etwas brauchst" besser als zehn "Es tut mir so leid" und "Ich denke an dich". Aber im Endeffekt ist wohl alles so oft vorgelogen worden, dass diese Worte keinen Wert mehr haben können.


nicht genugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt