「 Annie lebt 」
IST er das?
Ist das ihr Montag?
Den sie sich seit Monaten vorstellt und jetzt - immer noch mit gehörlosen Augen und blinden Worten - durchlebt, als wäre er nichts?
Um sie herum ist das, wovon sie geträumt hat, nur wird dieser Traum ohne sie weitergeträumt. Annie ist aufgewacht. Jetzt, da sie den Preis kennt.
Der große Traum von einem kleinen bisschen Glück, einer Bühne und einem gefüllten Saal. Die schlaflosen Nächten, die sie geprobt und recherchiert hat, denn Annie ist gerne fehlerlos. Seit kurzem ist sie auch bruderlos.
In ihren Händen ist ihr Skript, die Gesichter um sie herum verschwinden, eins nach dem anderen. Die Probe ist vorbei.
Eine Stimme, die sie mit großer Sicherheit kennt. Paul? John? Ein Gespräch scheint um sie zu kreisen, aber sie will sich nicht mit um sich selbst drehen.
"Annie ist fabelhaft gewesen!".
Nicht, weil sie Spaß hat. Nicht, weil sie Finn vergessen kann. Sie ist fabelhaft , weil sie nicht Annie sein muss.
Sie verabschiedet sich, bedankt sich, lächelt und schließt sich den Gesichtern auf dem Weg zur Tür an. Ihre Tasche ist schwer. Das Skript, die Unterlagen, die sie noch einreichen muss, es ist alles so -
Ihr Handy klingelt. Sie atmet erleichtert aus, als sie den Namen sieht. Für einen Moment hat sie befürchtet, Tante Em würde anrufen.
"Shawn?" - "Shawn", antwortet die Stimme durch den Lautsprecher.
"Shawn dachte, er sollte sich mal wieder melden. Du kommst gerade aus der Probe?", fragt ihr bester Freund und Annie bestätigt. "Gerade vorbei. Wo warst du?" - "Bei der Versicherung...", grummelt die Stimme am anderen Ende.
"Und? Wird's teuer?", erkundigt sich Annie und tritt die Tür, sodass sie aufschwingt. "Keine Ahnung. Die werte Dame ist bis jetzt noch nicht erschienen. Wartet auf irgendjemanden. Irgendein Juramensch" - "Oh, scheiße. Soll ich vorbeikommen?".
Kurze Pause. Annie weiß, dass Shawn sich schämt. Sie ist Die mit der Leiche, Die mit dem verstorbenen Zwilling, Die mit dem toten Leben. Aber er stimmt zu. Schließlich braucht er Annie und sie braucht ihn, um Annie wiederzufinden.
Also steigt sie in das Taxi, das auf wundersame Weise tatsächlich schon bereitsteht und macht sich auf den Weg.
Kurz vor der eigentlichen Adresse muss sie aussteigen, bezahlt hastig und steigt mitten auf der Straße aus. Stau. Sie seufzt kurz und huscht zum Gehweg. In der Nähe ist auch ihre Versicherung, bei der sie noch ein paar Dokumente abgeben muss. Um Finns Tod auch bürokratisch abzuklären. Das hat ihr früherer gesetzlicher Vormund, ihre Tante, ihr geraten. Um den Rest würde sie sich kümmern, da sie sich juristisch besser auskennt. Annie weiß, dass es eine Farce ist. Aber sie ist dankbar für die Lüge, denn so muss sie nicht auch noch schriftlich bekommen, dass ihr Bruder tot ist.
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nicht genug
General Fiction[trigger warning: suicide] ❞ Habe ich ihn mit umgebracht? War ich es, die ihm den Strick um den Hals gelegt, die Munition für die Pistole gegeben, die Packung mit Tabletten besorgt hat? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins: Als er noch lebte, tat ic...