"Zoey scheint nett zu sein.", sagte ich und ließ mich auf das rot gepolsterte Sofa nieder. Isaacs Zimmer war in der zweiten Etage eines Einfamilienhauses und von dem vielen Treppensteigen blieb mir der Atem weg. Nach der Selbsthilfestunde sind wir zu Zoey gegangen und hatten uns mit ihr unterhalten. Über die Selbsthilfegruppe, über ihren Gehirntumor und über Isaacs nicht vorhandene Fähigkeit zu Sehen.
Zoey hatte ihm ihre Handynummer auf die Rückseite eines Flyers, der auf dem Tisch mit den Keksen auf einem Stapel lag, geschrieben, den Isaac nun triumphierend in die Höhe hielt. "Nicht wahr? Ach, ich hab so ein Glück. Keine Augen, aber dafür die Nummer eines wundervollen Mädchens. Das Blatt scheint sich zu wenden." Er tastete sich zum Sofa und ließ sich neben mich fallen. Ich fand zwar nicht, das man die wertvolle Fähigkeit die Umwelt zu Sehen und eine auf einen zerknitterten Flyer gekritzelten Nummer gleichsetzten konnte, doch ich freute mich für Isaac. Seitdem Monica ihn verlassen hatte, waren ihm keine guten Dinge mehr widerfahren, weshalb eine unleserliche Nummer schon eine große Verbesserung war. Schmerz verlangt gespürt zu werden. Hatten wir den Schmerz nicht lange genug ertragen müssen?
Ich war immer noch in meinem Loch aus Unglück und Selbstmitleid gefangen, in was ich nach Augustus Tod gefallen war. Es schien, als wäre Augustus das einzig Gute in meinem Leben gewesen und mit ihm ist auch all meine Freude gegangen. "Denkst du oft an ihn?", unterbrach ich vorsichtig das Schweigen.
Als ich Isaacs verwirrte Miene sah, da er meine Gedankengang nicht verfolgt hatte, fügte ich hinzu: "Augustus. Denkst du oft an ihn?" Bedrückt schaute er auf seine Füße, die in blau gestreifte Socken gesteckt waren, und mit gesenkter Stimme antworter er: "Ich denke, es gibt keinen Moment in dem ich nicht an ihn denke. Hazel, er geht einfach nicht aus meinem Kopf raus. Und das macht mich verrückt. Manchmal denke ich, sein Geist würde sich über mich lustig machen."
"Geht mir genauso.", ich rückte nervös den Schlauch an meiner Nase zurecht. "Seit er nicht mehr da ist, fühlt es sich so an, als würde etwas fehlen. Als wäre da diese innere Leere, die nur er füllen konnte." Ich spürte, wie eine salzige Träne meine Wange entlangkullerte. Ich wischte mir verstohlen übers Gesicht und versuchte zwanghaft keinen Heulkrampf zu bekommen.
"Ich hab ihn wirklich geliebt, Isaac. Auf diese besondere Art, in der man sonst niemand anderen lieben kann."
"Er hat dich auch wahrhaftig geliebt." Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine Träne auf seine Jeans tropfte. "Ich weiß."
Eine lange Zeit sagte niemand etwas. Die Luft, die den Raum zwischen ihnen füllte, war wie elektrisiert, bis Isaac die Ruhe plötzlich mit dem tiefen Bass seiner Stimme unterbrach: "Meinst Du er ist noch irgendwo? In einer Art Jenseits?"
"Du meinst, wie ein Geist?", hakte ich nach. Er nickte.
"Ich bin mir nicht sicher.", grübelte ich. "Augustus hat daran geglaubt. Ich denke, falls es ein Jenseits gibt, und ich schließe es nicht aus, dann ist es ganz anders, als wir Lebenden es uns vorstellen. Und mich beruhigt der Gedanke irgendwie, dass Gus noch irgendwo ist und uns vielleicht in diesem Moment beobachtet." Ich musste bei dem Gedanken grinsen. Ich stellte, mir vor wie er, eine Zigarette zwischen den Zähnen, über uns schwebte und plötzlich fühlte es sich tatsächlich so an, als würde seine Anwesenheit den Raum erhellen. Ein Lächeln umspielte seine dünnen Lippen. "Das wäre schön." Er fuhr sich mit seinen dünnen Fingern durch das gegelte Haar. "Das ist nicht fair." Sein Lächeln war erloschen. "Der Tod ist niemals fair, Isaac.", entgegnete ich. "Du hast ja Recht." Er machte eine Pause. "Es ist trotzdem unfair." Nervös zupfte ich an dem roten Stoffüberzug, des Sofas herum, bis sich eine Fussel aus dem Gewebe lösten.
"Ich würde gerne etwas tun, was seinem Tod würdig ist." Ich sagte das mehr für mich selbst, doch Isaac hakte weiter nach. "Wie meinst du das?" Ich zögerte einen Moment. "Ich meine etwas, was die Menschheit für eine kurze Zeit an ihn erinnert, etwas was ihn vom Vergessenwerden bewahrt." "Wie ein Denkmal?" In seiner Stimme schwang Begeisterung mit. "Genau!" Plötzlich erschien mir diese Idee genial und leichter Stolz erfüllte mich. So konnte ich ihn dennoch zeitweise vor dem natürlichen Vergessen bewaren. Einen größen Liebesbeweis konnte es nicht geben. Geister - Gus hätte das bestimmt gefallen.
"Dann ist es beschlossen!", sagte Isaac voller Enthusiasmus. "Wir widmen Gus ein Denkmal.
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Pain demands to be felt ~ Fanfiction "Das Schicksal ist ein mieser Verräter"
Fanfiction!!!VORSICHT SPOILER!!! Ein Mensch ist erst dann tot, wenn er vergessen wird. Und ich habe Augustus Waters nicht vergessen. Und das werde ich auch nie. Er war meine 10. Und eine 10 vergiss man nicht. Es ist nun schon einige Monate her, dass Augustus...