Kapitel 3

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Schon schnell wurde uns bewusst, dass unser Vorhaben, Gus ein Denkmal zu widmen, nicht ganz so einfach war, wie zunächst erwartet. Wir hatten noch bis spät bis in den Abend Ideen gesammelt, die ich auf ein kariertes Papier gekritzelt hatte, was nun vor mir im feuchten Gras lag und mich zu verspotten schien. Ich hockte im Schneidersitz auf dem Boden, an der Stelle, wo ich vor einigen Monaten saß und auf die verlasse Schaukel gestarrt hatte. Eine Welle von Nostalgie überfiel mich erneut, doch ich zwang mich, mich auf die Notizen zu konzentrieren. Grafitti stand in schnörkeliger Schrift auf dem Blatt. Isaac hatte vorgeschlagen für Augustus ein. Portrait oder ähnliches mit  R.I.P Augustus Waters auf eine leere Wand zu sprühen. Der Plan war dann an der Tatsache gescheitert, dass keiner von uns genug Talent hatte, um etwas zu zeichnen, was über ein Strichmännchen hinaus ging. Außerdem war es illegal, solange wir keine besprühbare Wand fanden, wovon es in unserem Umfeld keine gab. Und nebenbei konnte nur einer von ihnen Sehen und der andere hatte nicht genügend Atemvermögen, um vor der Polizei zu flüchten, falls wir von der Polizei erwischt würden. Deshalb verwarfen wir diesen Vorschlag schnell wieder. Als nächstes auf der Liste stand Zigarettenstkulptur, was wir aufgrund der hohen Umkosten, wieder strichen. Das war alles, was wir ernsthaftes zusammentragen konnten. Sanft strich ich mit der flachen Hand, durch die Wiesenhalme. Das feuchte Gras kitzelte auf meiner nackten Haut. Ich seufzte und legte den Kopf in den Nacken, als ob die ideale Idee in den Wolken liegen würde. Es hatte zuvor geregnet und die graue Wolkendecke wurde von unregelmäßigen Lichtkegeln durchbrochen.

Wer einen Regenbogen will, muss den Regen in Kauf nehmen.

Sofort musste ich wieder an die gestickten Motivationbilder denken, die die Wände der kleinen Wohnung der Familie Waters denken.

Und mit diesem Gedanken kam mir Augustus wieder in den Kopf. Meine Unterlippe zitterte und ich biss auf sie, um meinen inneren Schmerz zu unterdrücken. Vor nicht einmal ein paar Monaten saß ich hier mit ihm und habe auf die Schaukel gestarrt, dessen rostiges Gestell bei jedem Windstoß zu quietschen begann. Als ich meine Hand zur Seite ausstreckte, hoffte ich sein metallnes Knie unter seiner rauen Jeans zu ertasten, doch ich griff ins Nichts. Ich ließ den Arm wieder sinken. Das Parfüm seines Aftershaves, was vor kurzem noch in der Luft hing, wurde nun von dem Geruch von feuchter Erde verdrängt. Mein Blick war starr auf den Fleck gerichtet, wo die Schaukel gestanden hatte. Man konnte noch genau die Abdrücke im Boden erkennen, wo das Gestell gestanden hatte. Da wurde mir bewusst, wie vergänglich alles im Leben ist. Vor ein paar Jahren dachte ich, ich könnte 100 Jahre alt werden und vor ein paar Monaten noch dachte ich, ich könnte mit Gus den Rest meiner Tage verbringen. In gewisser Weise ist das Leben, wie eine Schaukel - Sie kann nicht ewig schwingen und wenn die Zeit gekommen ist, wird sie langsamer und bleibt irgendwann vollkommen stehen. Die Schaukel ist also sozusagen eine Metapher für das schwindende Leben. Plötzlich hielt ich in meinem Gedankengang inne und rappelte mich auf. Ich griff nach meinem Wagen und lief so schnell es mein Atem es zuließ ins Haus. Nachdem ich meine Zimmertür hinter mir geschlossen hatte, griff ich nach meinem Handy und tippte Isaac eine SMS: Mission Denkmal macht Fortschritte. Mir ist gerade eine geniale Idee gekommen. Kannst Du vorbeikommen?

Pain demands to be felt ~ Fanfiction "Das Schicksal ist ein mieser Verräter"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt