Kapitel 6

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Die morgendlichen Sonnenstrahlen, die durch die Löcher meiner meiner Jalousie fielen, zeichneten am nächsten morgen ein gepunkteten Muster an die Decke und ich wurde von dem eindringenden Licht geweckt. Anscheinend war ich gestern Nacht doch nochmal in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu orientieren. Dann rollte mich aus dem Bett und streckte mich ausgiebig. Jede Faser meines Körpers schrie nach Ruhe, doch ich zwang mich aufzustehen. Heute war der Tag, an dem wir Gus seinen Wunsch nach Erinnerung erfüllen würden und den durfte ich nicht verschlafen. Ich entfernte meine Schläuche von BiPAP und schloss mich an eine Sauerstoffflasche an. Dann schlüpfte in eine bequeme Jeans, zog mir ein rosa T-Shirt über und stapfe in die Küche. Der wohlige Geruch von Kaffee und frischem Toast sättigte die Luft. Dad saß bereits am Frühstückstisch und las die Tageszeitung. Seine Lesebrille war ihm auf die Nasespitze gerutscht und er rückte sie wieder zurecht. Als er meine Schritte auf dem knarzenden Parkett hörte, blickte er auf. "Guten Morgen! Gut geschlafen?" Ich nickte und schlurfte zur Theke, um mir einen Toast mit reichlich Erdnussbutter zu beschmieren. Dann brühte ich mir einen Teebeutel auf und setzte mich neben Dad an den Tisch. Er murmelte etwas vor sich hin, was anscheinend im Zusammenhang zu der Zeitung lag. Dann blickte er von der Politikseite auf. "Und was steht heute bei dir an? Triffst Du dich mit einer Freundin?" Ich schüttelte den Kopf und schluckte den Erdnusskloß herunter. "Ich hab mich mit Isaac verabredet." Dad nippte an seinem Kaffee. "Was habt ihr vor?" Ich überlegte einen Moment, ob ich ihn in unseren Plan einweihen sollte. Es erschien mir zunächst, als zu intim und ich hatte genossen, dass diese Aktion nur zwischen mir und Isaac bestand. Es war etwas, was nur uns beiden gehörte. Ein Geheimnis, was nur wir beide hüteten. Es mit meinem Vater zu teilen, erschien mir als Verrat. Doch auf der anderen Seite verlangte etwas in mir hinauszuschreien, was wir vor hatten. Außerdem hoffte ein kleiner Teil von mir, dass Dad stolz auf mich sein würde, wenn er hörte, was seine Tochter für ihren toten Freund alles tat. Ich war kein kleines Mädchen, was nach der Aufmerksamkeit ihres Vaters ringte, doch ist die Annerkennung einer Person, die man liebt, wie eine Wärme, die einen umgibt und ungemein Wichtig für das eigene Wohlempfinden. Also erzählte ich es ihm und erklärte ihm die Bedeutung der Schaukeln. Als ich beendet hatte, nickte Dad er zufrieden "Da habt ihr euch aber ganz schön was vorgenommen. Und du bist sicher, dass Du das körperlich schaffst? Isaac wird dir wahrscheinlich wenig nützlich sein." Die Wahrheit war, dass ich mir ganz und garnicht sicher war. Doch ich wollte trotzdem riskieren, dass ich mich alle 5 Minuten hinsetzten musste, um neue Luft zu tanken. Es war mir egal. Weil ich Augustus liebte und alles tat, um ihn glücklich zu machen.

Ist das die Definition für Liebe? Die Interessen des anderen vor Seine zu stellen?

"Ja, ich werde es versuchen.", gab ich nicht ganz so selbstbewusst zurück, wie geplant. Dad klappte seine Zeitung zu und schaute mich über den Rand seiner Brille hinweg an. "Ich bin ja so stolz auf dich, Schatz." Und ein Lächeln huschte über seine Lippen. Da war sie. Die wohlige Wärme, die mich einlullte, wie eine Decke und ich musste grinsen.

Aus dem Autoradio wummerte der Bass des neuen Charthits. Dad hatte das Lenkrad fest umklammer und sein Blick war starr auf den roten Ford vor uns gerichtet.  "Zu Isaac geht es nach der Ampel rechts.", beschrieb ich ihm. Er hatte mir nach dem Frühstück angeboten, mich zu Isaac zu fahren und ich hatte mit Freude angenommen. Zu Isaac war es kein weiter Weg, doch ich hatte keine Lust die paar Straßen zu Fuß zu gehen. Den Sauerstoffwagen hatte ich vor mir in den Fußraum geklemmt. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Scheibe und schaute zu, wie die Reihenhäuser an uns vorbeizogen. Das kalte Glas, fühlte sich abgenehm an meiner Stirn an. "Welches Haus ist es?", hakte Dad nach, ohne den Blick von der Straße abzuwenden. Wir fuhren gerade in Isaacs Straße ein. Weiß gestrichene Einfamilienhäuser säumten dem Straßenrand. Jedes von ihnen hatte einen kleinen, gut gepflegten Garten, der von einem hüfthohen Zaun von der Einbahnstraße abgegrenzt wurde. "Das hier!", ich zeigte auf eines der Häuser, was bis auf den bunten Tulpengarten, sich nicht weiter von den Anderen unterschied. Gus hatte die orangenen Tulpen, die er mir kurz vor unserer Amsterdamreise geschenkt hatte, aus Isaacs Garten gepflückt. Das Auto hielt am Straßenrand, ich verabschiede mich und stieg aus. Ich versuchte nicht auf das Tulpenbeet zu achten, als ich den gepflasterten Weg zur Eingangstür entlanglief. Der Klingelknopf ließ leicht unter dem Druck meines Fingers nach und Isaacs Mutter öffnete mir sofort die Tür. Sie führte mich in die Garage, wo Isaac mich bereits erwartete.

Pain demands to be felt ~ Fanfiction "Das Schicksal ist ein mieser Verräter"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt