Kapitel 40

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Eine Woche ist seitdem vergangen. Eine Woche, in der ich abends kaum ein Auge zugekriegt habe, in der ich mich nur fragen konnte, was Nik gerade treibt, beziehungsweise mit wem er es gerade treibt. Eine Woche, in der ich ständig darüber nachgedacht habe, was hätte sein können, wenn so manches anders gekommen wäre, wenn wir so manches anders gemacht hätten. Ich glaube immer mehr daran, dass ich ebenso meinen Teil dazu beigetragen habe, dass es nicht funktionieren konnte. Vielleicht war mein Verhalten ihm gegenüber auch unfair, schließlich habe ich Nik nie gezeigt, wie wichtig er mir geworden ist. Natürlich war er am Anfang ein riesengroßes Arschloch, gegen das ich eine Abwehrhaltung entwickelt hatte, was nur selbstverständlich ist. Ich habe mich ihm allerdings auch nie richtig geöffnet, diese Haltung habe ich nie ablegen können. Nicht einmal aus dem Grund, dass ich Angst hatte, dass er mir wehtun könnte, sondern einfach, weil ich es nicht anders gewohnt war. Ich habe immer gelernt, mich nie richtig anderen Personen gegenüber zu öffnen, was letztlich unter anderem auch zum Scheitern meiner Beziehung mit Max geführt hat. Ich habe Nik wie mein schmutziges Geheimnis behandelt, das kommt mir im Nachhinein total ungerecht vor. Ich hatte keinen Arsch in der Hose, um zu mir zu stehen, habe weiterhin an Max festgehalten, während ich mich eigentlich in Nik verliebt hatte. Hätte sich Nik jemals für mich entschieden, wäre wahrscheinlich ich es gewesen, die ihn von sich gestoßen hätte, da die Angst vor meiner Mutter und der Meinung aller anderen immer noch sehr dominant in meinem Kopf war.
Vielleicht klingt das naiv, vielleicht glaube ich zu sehr an das Gute in Nik, weil ich so hoffnungslos verliebt bin, vielleicht stimmt es aber auch, dass ich nochmal in Ruhe mit ihm reden müsste und ich die Dinge wenigstens etwas besser verstehe im Anschluss. Er hat zu meinem Geburtstag versucht, mit mir zu reden, doch immer wieder habe ich ihn unterbrochen, weil ich zu stur und stolz war, ein klein wenig ängstlich, dass er mir wieder nur wehtun wollte, dabei sollte ich nach der zerbrochenen Beziehung mit Max gelernt haben, dass ohne Kommunikation keine Beziehung funktionieren kann, geschweige denn entstehen.
Ich schleppe eine volle Kiste, die bis oben hin vollgestopft ist mit lauter Krempel, den ich schon lange nicht mehr benötige. In meinem Kummer und kurz vor dem Beginn des Studiums stehend, empfand ich, dass es an der Zeit ist, sich von altem Ballast zu trennen. Das, was davon noch gebrauchbar ist, werde ich vermutlich spenden, schließlich befindet sich in dieser Kiste auch noch einiges, mit dem ich als Kind gespielt habe. Damit kann bestimmt jedes Kind mehr anfangen als ich mit meinen frischen 19 Jahren. Gerade, als ich die Kiste abstellen will, fällt mein Blick auf die verstaubte Couch in der Ecke des Dachbodens oder viel eher auf den schwarzen Zipfel, der unter einem der Sitzpolster hervorlugt. Mit einer leisen Vorahnung gehe ich darauf zu, hebe das Polster an und fange an, zum ersten Mal seit einer Woche von ganzem Herzen zu lachen. Es ist die Lederjacke, die mir Nik an dem einen Abend übergeben hat, als er mich von der Studentenparty nach Hause gebracht hat. Lucy sollte sie vor mir verstecken, weil ich wie besessen davon war, an ihr zu riechen und an ihn zu denken, aber niemals hätte ich erwartet, sie hier oben zu finden. Ich habe mich schon gewundert, wie schwer es sein kann, eine Jacke in diesem Haus nicht mehr zu finden, weil ich nicht eine Sekunde an diesen Ort gedacht habe. Schnell habe ich die Hoffnung wieder aufgegeben, sie aus Zufall zu finden und gar nicht mehr daran gedacht. Mein Plan scheint also doch ganz gut funktioniert zu haben. Nach der Zeit hier, dem vielen Staub und dem leicht modrigen Geruch, duftet diese Jacke nicht einmal ansatzweise noch nach ihm, an keiner Stelle. Kein Wunder, bei dem vielen Dreck, der davon abfällt, als ich sie ausschüttele. Ich bin etwas enttäuscht, allerdings ist es wahrscheinlich besser so, bevor ich mich wieder nicht mehr von der Jacke losreißen kann.
Ich wage es, mich vorsichtig auf das alte Sofa zu setzen und die Jacke in meinen Händen so genau zu inspizieren, als wäre daran irgendwo ein Hinweis befestigt, was ich nun tun soll. Normalerweise glaube ich nicht an höhere Mächte, doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass es sich um ein Zeichen handelt, nur was für eins? Vielleicht ist es noch nicht an der Zeit, Nik zu vergessen, aufgrund der unzähligen unausgesprochenen Dinge zwischen uns, womöglich sind wir noch nicht ganz am Ende angekommen. Womöglich interpretiere ich auch zu viel in die einfachsten Dinge hinein, aber wenn ich es nicht versuche, nicht mal etwas wage, dann komme ich im Leben nie voran, in keiner Situation. Es ist an der Zeit, Nik diese Jacke zurückzugeben, doch vorher habe ich eine andere, dringende Mission zu erledigen.

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