Kapitel 15

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Dumm, dumm, ich bin so dumm! Was habe ich gerade getan? Oder die viel wichtigere Frage: Warum habe ich das getan? Ich renne so schnell ins Haus und habe es nicht einmal gewagt, Nik ins Gesicht zu sehen. Was muss er jetzt über mich denken? Ach, das kann mir im Moment erstmal scheiß egal sein, da ich gerade meinen Freund betrogen habe. Zählt das überhaupt schon unter betrügen? Ich habe Nik geküsst, nach was sieht es wohl aus? Was ist in diesem Moment nur in mich gefahren? Ich war im Kopf nicht mehr klar, konnte vorher nicht richtig überlegen, was ich da eigentlich vorhabe. Es war fast, als ob ich es so unbedingt tun wollte...Oh Gott, das kann doch nicht wahr sein! Warum sollte ich ausgerechnet Nik küssen wollen? Das ergibt keinen Sinn und den soll es auch nicht ergeben. Ich habe verdammt nochmal einen Freund, den ich sehr liebe. Zumindest bilde ich mir ein, dass er meine wahre Liebe ist, aber warum sollte das nicht so sein? Verdammt, Nik bringt mich schon dazu, an meiner Liebe zu Max zu zweifeln. Er ist wie ein Virus, der mich ganz krank macht. Und dennoch spüre ich die federleichte Berührung unserer Lippen noch immer. Wie kann das sein? Es war der unschuldigste Kuss der Welt, das spüre ich nicht einmal, wenn Max und ich uns richtig küssen. Das macht mir gerade eine scheiß Angst, da ich nicht einschätzen kann, was das zu bedeuten hat.
Hätte dieser Mistkerl seine Klappe gehalten, wäre es nie dazu gekommen und ich würde nun nicht in diesem Schlamassel sitzen. Immer muss mich Nik durch seine Provokationen zum Äußersten bringen. Trotzdem war es immer noch meine Entscheidung, meine eigene Schuld, dass es ihm gelungen ist. Ich werde weder Max noch Nik wieder unter die Augen treten können. Ich koche vor Wut und zittere vor Angst, vor dem, was ich Max angetan habe. Er hat mich zwar im Stich gelassen, aber das gibt mir noch lange nicht das Recht, solche abscheulichen Dinge zu tun. Sollte ich es ihm sagen? Und damit den Rest offenbaren, den ich bisher vor ihm geheim gehalten habe? Oder kann ich damit leben, ihn so hintergangen zu sein? Andererseits hatte dieser Kuss doch keinerlei Bedeutung, richtig? Hatte er die wirklich nicht, außer dass er meine Dummheit perfekt offenbart hat? Ich habe mich in dem Moment seltsam gefühlt, ich wusste nicht, was los ist. Dass ich ihm gefalle, hat mich, aus Gott weiß welchen Gründen, völlig von den Socken gehauen. Dazu noch dieser eindringliche Blick, mit dem er mich angesehen hat. Um Himmels Willen, allein die Vorstellung davon reicht aus, um bei mir weiche Knie zu verursachen. Er ist so verflucht attraktiv und gehört zu der Art Mann, die einen durch ihre mystische, unnahbare Ausstrahlung anziehen. Er fasziniert mich genauso, wie er mich abstößt. Ich kann doch gar nicht auf ihn...stehen, oder? Nein, da hat er sich absolut getäuscht, ich fahre nicht total auf ihn ab, wie er mir so schön unterstellt hat. Absolut unmöglich, wiederhole ich in meinem Kopf immer und immer wieder, während ich auf mein Zimmer gehe. Ich bin garantiert nicht verknallt, da ist es wahrscheinlicher, dass ich eine verschollene Tochter von Michael Jackson bin.
Ich will gerade einfach nur noch schlafen und hoffe, dass mich meine Gedanken nicht davon abhalten. Ich kann mich gar nicht in jemanden verknallen, der sich mir gegenüber so respektlos verhält, der gar keine Gemeinsamkeiten mit mir hat. Er ist alles andere als ein Traummann, weder entspricht sein Charakter meinen Ansprüchen, noch seine Aufmachung. Und doch habe ich gleich bei unserer ersten Begegnung etwas gespürt, dass ich nicht spüren dürfte. Ich war fasziniert von ihm, seinem Auftreten, seiner grimmigen Schönheit. All seine Attacken lassen diese Gefühle allerdings ständig verschwinden und bringen mein Blut vor Wut zu kochen, was sonst niemand so leicht bei mir schafft.
Mein Hals ist wie zugeschnürt und ich spüre, dass sich immer mehr Tränen der Verzweiflung ansammeln. Das darf einfach nicht passiert sein, nicht mir, die sich gerade genügend darüber versichern muss, dass sie ihren Freund liebt. Max, Max, Max. Der Name schwirrt ohne Unterbrechung in meinem Kopf herum. Wie soll ich ihm gegenübertreten? Mich werden nicht nur Schuldgefühle wegen des Kusses plagen, sondern auch, weil ich einen anderen Mann nicht uninteressant finde. Was bin ich bloß für eine miese Freundin. Doch trotz allem bin ich mir gerade bewusster denn je darüber, dass ich ihn liebe und eine wahnsinnige Angst davor habe, ihn zu verlieren. Das darf niemals passieren, denn er ist der Mann, der einfach perfekt zu mir passt und mit dem ich mein Leben verbringen sollte. Da bin ich mir sicher, da kann so ein tätowierter, blonder Metalfutzi dazwischen kommen, wie er will. Ich frage mich, ob Max sich sofort trennen würde, wenn ich ihm die Wahrheit sage. Wirklich vorstellen kann ich es mir ehrlich gesagt nicht, dazu ist er zu nett und er will wahrscheinlich auch unsere Eltern nicht enttäuschen. Ich hingegen will ihm nicht unnötig wehtun. Meine Vermutungen über die Gefühle für einen anderen Mann müsste ich ihm sowieso weiterhin geheim halten, denn die würden ihn schließlich wirklich einen Grund für unsere Trennung geben. Ich rede mir ein, dass ein Ausrutscher nur halb so wild ist, wenn keine Gefühle im Spiel sind.
Ich krame mein Handy aus meiner Tasche und werfe zum ersten Mal, seitdem ich die Suche nach Max aufgegeben habe, einen Blick darauf. Von Max werden mir ausschließlich zwei Anrufe angezeigt und die sind erst vor einer Stunde eingegangen. War er solange beschäftigt, dass er sich nicht melden konnte? Nicht einmal eine Nachricht hat er hinterlassen, da er wahrscheinlich denkt, dass ich mich schon melden werde, wenn ich zu Hause bin. Enttäuschung überkommt mich, die ich mir nicht erlauben darf. Er hätte viel mehr Grund dazu, sauer zu sein. Was er tut, ist nicht schön, aber lange nicht so schlimm, wie eine andere zu küssen. Wenn ich mir vorstelle, er würde so etwas tun, ich würde damit nicht klarkommen. Ich würde mir immer einbilden, dass er sie mehr mag als mich, wenn er mir sowas antun muss. Ich habe mich weder unsterblich verliebt, noch denke ich, dass ausschließlich die Verzweiflung wegen Max der Grund für meinen Patzer ist. Nie wieder Alkohol, das steht fest. Wäre ich nüchtern gewesen, wäre vermutlich alles anders gekommen. Vielleicht hätte Nik mich nicht mal nach Hause bringen müssen. Apropos, gerade, als ich mich hinlegen will, fällt mir auf, dass noch immer seine Jacke auf meinen Schultern liegt. Als wäre sie eine giftige Spinne, zerre ich sie von mir und schmeiße sie auf den Boden. Es ist eine schwarze Lederjacke, sehr praktisch, wo mir doch meine abhandengekommen ist. Selbst als sie da so achtlos auf dem Boden liegt, habe ich noch die Mischung von Leder und Niks eigenem Duft in der Nase. Eine tödlich gute Mischung, das muss ich zugeben und bekomme gleich darauf den Drang, diese Jacke zu verbrennen, weil sie mir solche Gedanken einflößt.
Nachdem ich mich auch meiner restlichen Klamotten entledigt habe, lege ich mich ohne weitere Umstände ins Bett, da mein Kopf ausgelaugt ist und mein Körper durch den Alkohol und die Anstrengung mittlerweile auch nicht mehr sonderlich funktionstüchtig ist. Als ich die Augen schließe, wechseln sich die Bilder des Abends ab, besonders viel vertreten sind dabei Max, der mir sagt, dass er mich liebt und Nik, der mich eine Schönheit nennt. Das ist alles zu viel für mich.

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