Erwidert

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Tiefe Blicke. Weiche Knie. Laut pochende Herzen.


Dean hasste das erste Mal, als Cas zu ihm „Ich liebe dich" sagte.


Der Dämon Ramiel hatte Castiel erwischt. Als die Spitze des Speers seinen Bauch durchdrang, war da nichts mehr. Nichts als Schmerz. Dann Mary. Sie stützte ihn und trug ihn in eine alte Scheune. Wo waren Sam und Dean? Er konnte sie doch nicht allein lassen. Da waren Dämonen, er musste ihnen helfen. Aber irgendetwas stimmte nicht, er konnte sich nicht heilen. Er blutete stark. Schwarze Adern breiteten sich um die Wunde aus. Seine Sicht verschwamm. Das war der Moment in dem Castiel begriff, dass er starb. Irgendwann war Dean da. Das war gut. Er mochte die Anwesenheit von diesem Menschen. Besonders jetzt. So würde er die Gelegenheit haben sich von ihm zu verabschieden.

Eine tiefe Wunde klaffte an seiner linken Seite. Der Jäger sagte, er hätte schon Schlimmeres gesehen, aber das war eine Lüge. So sanft wie möglich bedeckte er die Verletzung. Seit er vier Jahre alt gewesen war, hatte er mehr Blut gesehen als gut für ihn war. Aber er konnte es einfach nicht ertragen Castiels Qual anzuschauen.

Der Engel bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen: „Ich kann mich nicht heilen. Die Lanze... Ich glaube die Lanze des Dämons war vergiftet. Ich sterbe." Das Sprechen fiel ihm schwer. Jeder Atemzug kostete ihn mehr und mehr Anstrengung.

Es aus seinem Mund zu hören traf Dean unvorbereitet. „Nein... Nein. Du brauchst nur etwas Zeit, okay? Es wird auf die altmodische Art heilen", versuchte er sich selbst einzureden. Verzweifelt rief er nach Sam, der mit Mary sprach. Als ob dieser etwas ausrichten könnte. Aber der Ältere konnte jetzt nicht allein mit Cas sein. Er hielt es nicht aus ihn so zu sehen.

Crowley eröffnete ihnen, womit sie es zu tun hatten. Die Lanze des Michael. Sie tötete alles und jeden, Dämonen schnell, Engel aber langsam und qualvoll. „Nein. Nein. Er kann geheilt werden. Es gibt immer ein Heilmittel und wir werden es finden." Trotz schwang in Deans Stimme. Der Jäger wollte Ramiel gefangen nehmen und foltern, solange bis er ihm verriet, wie er Cas retten konnten. Crowley führte ihm vor Augen, dass ihm dafür die Zeit fehlte. Castiel würde sterben. „Klappe! Halt die Klappe!" Wut. Dean wollte das nicht hören. Er schrie Crowley an und der verschwand.

Es ging Castiel immer schlechter. Er hatte nicht gedacht, dass das noch möglich war. Schwarze Adern zogen sich bereits bis zu seinem Hals. Dean sollte ihn nicht so sehen. Er sollte ihm nicht beim Sterben zusehen. Nie hatte der Engel geglaubt, dass es so enden würde. Er hatte Angst, furchtbare Angst. Er wollte nicht allein sein, nicht allein sterben, aber noch weniger wollte er, dass ihn jemand so sah, sich krümmend unter der tödlichen Wunde. So sehr ihn die Furcht vor dem Kommenden auch lähmte, diesen Anblick konnte er ihnen nicht antun. Er würde diesen letzten Weg gehen, allein, so schmerzhaft er auch sein mochte. „Crowley hat recht. Ihr solltet verschwinden."

„Cas, komm schon...", lenkte Dean ein, das Unvermeidliche verleugnend. Unwillig zu erkennen, dass es vorbei war. Er konnte es nicht wahr haben, dass Castiel aufgab, sich aufgab.

„Nein, hört mir zu. Ihr... Ich danke euch. Danke. Euch zu kennen war... Das war das Beste, was mir je passiert ist. Alles was... Alles was ich mit euch teilen durfte, das hat mich verändert." Castiel keuchte auf vor Schmerz. Es kostete ihm viel Kraft bei Bewusstsein zu bleiben, wo doch diese verlockende Schwärze Erlösung versprach. Er müsste nur seine Augen schließen und ihr nachgeben, loslassen. Aber er konnte nicht. Er musste doch noch... Immer hatte er geglaubt, sie hätten noch Zeit, und hatte auf den richtigen Moment gewartet. Aber den richtigen Moment würde es nicht mehr geben. Er hatte nur noch diese einzige Chance. „Ihr seid meine Familie. Ich liebe euch. Ich liebe euch alle." Er sah Dean in die Augen und versuchte seine Tränen zu verbergen. Ihm blieb nur zu hoffen, dass der Mensch ihn verstanden hatte. Er sollte es wissen. Er sollte wissen, dass er geliebt wurde, selbst wenn der Engel nicht mehr bei ihm sein konnte. Sicher wusste Dean es bereits, aber er sollte hören, wie er es aussprach. Hier vor Sam und Mary.
„Nur bitte... Bitte, lasst nicht zu, dass ich in meinen letzten Momenten euch beim Sterben zusehen muss. Lauft weg! Bringt euch in Sicherheit!" Die Winchesters mussten leben, um jeden Preis. Castiel tat sein Bestes seiner Stimme so viel Nachdruck zu verleihen wie möglich und sich aufzurichten. Dieser klägliche Versuch scheiterte vorerst. Seine Arme knickten kraftlos unter dem Gewicht seines Körpers ein. „Ich werde Ramiel solange aufhalten wie es geht." Dann würde sein Tod zumindest einen Sinn gehabt haben. Er würde sterben um die zu schützen, die er liebte. Dafür konnte der Engel dankbar sein.

„Cas... Nein." Den Schmerz in Deans Augen zu sehen tat ihm weh. Er wünschte, er hätte ihn lächeln sehen können, nur noch ein letztes Mal.

„Doch. Ihr müsst weiter kämpfen."
Castiel schrie, dunkle Adern in seinem Gesicht, schwarzer Schaum, der aus seinem Mund quoll. Dean konnte nichts tun. Das war so falsch. Castiel ein Engel, Dean ein Mensch, es war doch nicht vorgesehen, dass der Jäger den Krieger überleben würde. Es war als könne Dean hören, wie das Herz des Engels immer langsamer schlug, wie sein Puls schwächer wurde, wie das Leben ihm Stück für Stück entwich. Wie Sand, der durch ein Stundenglas in rasender Geschwindigkeit dahin rinnt, fühlte er, wie ihn die Zeit von ihm fort riss, nicht dazu bestimmt aufgehalten zu werden. Dean wusste, was kommen würde. Er konnte sich nicht an der irrationalen Hoffnung festhalten, dass doch noch alles gut werden würde. Als würde er fallend auf den Aufprall warten. Plötzlich realisierte Dean, dass das, was er bereute, nicht die verlorene Vergangenheit war, sondern die verlorene Zukunft, nicht das, was nicht gewesen war, sondern was nie sein würde.

„Wir kämpfen weiter. Wir kämpfen für dich." Schon immer war es Sam gewesen, der in den richtigen Momenten die richtigen Worte fand.

„Wie du schon sagtest, wir sind eine Familie. Und wir werden dich nicht im Stich lassen." Cas wollte sie wegschicken, aber Dean war nicht gewillt zu gehen. Er würde mit allem kämpfen, was er hatte. Er würde ihn nicht sterben lassen. Zumindest nicht allein.


"Knowing you, it's been the best part of my life. And the things we've shared together, they have changed me. You're my family. I love you. I love all of you. Just please... please, don't make my last moments be spent watching you die."
Castiel 12x12



Quelle:
Pinwand Destiel S12 ->

Musik zum Kapitel:
An deiner Seite – Kontra K
Die Easy – Rag'n'Bone Man
When It's All Over – RAIGN
Lay My Body Down – Rag'n'Bone Man
Wayfaring Stranger – Karliene

For the first time (Destiel Oneshots)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt