Kapitel zwei, aufgeklärt (3/3)

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>>Fertig<< sagte ich fast tonlos und umarmte Ryan. Er legte seinen freien Arm um mich und streichelte mit seinem Daumen an meinem Haar. Er tat mir so schrecklich leid. Zuerst verlor er seine Mutter und anschließend auch noch mich. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass wir vor meiner Erkrankung ein Paar waren, wegen der Art, wie er mich anschaute und behandelte. Außerdem musste ich zugeben, dass auch ich mich zu ihm hingezogen fühlte, obwohl ich ihn erst seit zwei Tagen kannte.

Jetzt musste ich mit den Tränen kämpfen. Wir lösten uns wieder von einander und ich sah, dass Ryan diesen Kampf bereits verloren hatte. Seine Wange glänzte im Licht der Flammen.

Das Wasser im Eimer begann bereits zu brodeln.

>>Ich habe euch erzählt, dass ich zu ihm fahren wollte, um ihn zu befreien. Ihr meintet ich wäre wahnsinnig, wenn ich alleine losziehen würde und bestandet darauf, mitzukommen. Ich… Ich hätte es nicht zulassen dürfen<< schluchzte er >>Hör bloß auf! << fauchte Dave wieder.

>>Wir haben es geschafft, wir kamen unbemerkt in das Lager. Die Uniformen, die wir trugen, waren übrigens von dort. Du hast fast alle neu eingetroffenen Soldaten befreit, die noch nicht mit dem Virus infiziert wurden. Dank dir wurden sie nicht zu Sklaven. Dave brach in das Labor und sammelte so viel der Medizin, wie er konnte. In der Zeit suchte ich meinen Vater. Er… Ich dachte er wäre unter den, die du befreit hast, aber… er war auch mit dem Virus infiziert<< ich gab ihm ein Taschentuch, welches ich gerade fand. Nachdem er seine Wangen getrocknet hatte, fuhr er fort: >>Ich dachte Mum hat sich von dem fremden Mann im Lager angesteckt, aber es war Dad… Als ich ihn endlich fand, versuchte ich ihn zur Flucht zu überreden, aber er wusste nicht, wer ich war. Es wurde ihm eingeredet, dass er schon immer in dem Lager arbeitete und so glaubte er mir kein Wort. Hätte mich Dave nicht weggezerrt, wäre ich jetzt wahrscheinlich auch dort gefangen. Als wir dann im Flur waren und du zu uns eiltest, kam gerade eine Frau um die Ecke, die den gesunden Soldaten den Virus injizieren wollte. Stattdessen hat die die ganze Menge dir eingespritzt. Zum Glück warst du noch in der Lage, die letzten Meter aus dem Lager zu sprinten. Erst draußen bist du in Ohnmacht gefallen. Dann kam Natty und schrie den anderen Mitarbeitern zu, sie würde uns schnappen. Dabei  half sie uns bei der Flucht und ließ uns später in ihrer Wohnung übernachten. Auf dem Weg schossen uns noch einige hinterher. Einer traf Dave am Bein<< Ryan stellte den Eimer zur Seite.

>>Natty fand es selbst schrecklich, was für Kriegsmethoden ihr Land anwendete, deshalb half sie uns. Es war sehr mutig von ihr, weil sie wusste, dass ihr dafür eine Strafe, vielleicht sogar die Todesstrafe drohte. Als sie am nächsten Tag nicht zur Arbeit kam, wussten sie Bescheid, dass sie eine Verräterin war und kamen sie und uns suchen. Es ist ein Wunder, dass sie sie am Leben gelassen haben<< ergänzte Dave, während er seine Fingerspitzen in den flüssigen Wachs tunkte.

>>Hier, trinkt etwas<< sagte Ryan und reichte uns nun den Eimer >>Ist schon ein wenig abgekühlt <<

Wir tranken alle hintereinander, bis der Eimer leer war. Das Wasser wärmte uns von innen auf, was uns sehr gut tat, da es hier im Keller beinahe so kalt war, wie draußen. Zum Glück wurde es durch die Kerzen langsam wärmer.

>>Jetzt müsst ihr schlafen gehen, ich koche in der Zeit mehr<<

>>Kommt gar nicht infrage<< entgegnete Dave >>Du hast bereits letzte Nacht so gut wie gar nicht geschlafen. Ich kann weiter kochen<<

Ryan seufzte, nickte aber schließlich. Seine Müdigkeit siegte >>Aber bevor ich schlafen gehe, wird dein Verband gewechselt<< Ich griff nach dem Verbandskasten, welchen wir vorhin mitgenommen haben. Dave krempelte in der Zwischenzeit sein Hosenbein hoch. Als ich den Kasten öffnete, nahm Ryan eine Schere heraus und schnitt den alten Verband von dem Bein meines Bruders. Seine Wunde sah schlimm aus, denn sie war himbeerrot und stark angeschwollen. Wir atmeten alle erschrocken und laut ein. Ich nahm etwas Watte, welche ich zu einer Kugel formte und Desinfektionsmittel, um die Wunde zu reinigen. Als ich es anlegte, zuckte Dave zusammen, gab ein leises Stöhnen von sich und biss sich darauf auf die Unterlippe. Ryan plättete ein weiteres Stück Watte, versah es mit Salbe und legte es an die Einschussstelle, als ich fertig war.

Amnesie - (un)vergessliche MomenteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt