Dear Dad;
Wenn du viel getrunken hast, hast du mir oft Sachen aus deiner Vergangenheit erzählt. Weil, ganz im Gegensatz zu deinem nüchternen Ich, ist dein betrunkenes Ich wirklich gesprächig. Vielleicht ist das auch der Grund, wieso du mich hier am anderen Ende der Welt nur einmal angerufen hast und selbst da, hast du gelallt.
Jedenfalls, habe ich viele Geschichten von Dir zu hören bekommen. Manche öfter als es mir lieb war und manchmal kam es so rüber, als wärst du ein alter Rentner mit Gedächtnisstörungen, aber es ist ja 'nur' der Alkohol.
Wie du meine Mutter kennengelernt hast, sie verloren hast, nach Berlin gezogen bist, sie in eurer Heimatstadt wieder getroffen hast und wie du dann für sie in unsere Heimatstadt gezogen bist.
Im Nachhinein hat Mama mir erzählt, dass sie schon bevor es auffällig wurde, eine Vermutung hatte. Schon bevor ich auf die Welt kam und lange bevor meine kleine Schwester auf die Welt kam.
Du hast immer Bierkästen im Kofferraum gelagert, so dass Mama deinen Konsum gar nicht richtig einschätzen konnte. Nur wusste da keiner, dass das Problem tatsächlich so groß ist.All das, fällt mir erst im Nachhinein ein. Wie still du warst, wenn wir irgendwo ankamen und wie du erst nach dem fünften Bier etwas gesprächiger wurdest. Als Kind macht man sich da nicht so viele Gedanken drüber, aber jetzt? Jetzt ist das alles in meinem Kopf. Jeden Abend; jeden Tag.
Deine Geschichten, eure Geschichten, meine Geschichten.
Ich würde alles dafür tun, sie mal nicht im lallenden Zustand erzählt zu bekommen.
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Dear Dad
RandomBriefe an meinen alkoholkranken Vater, die ihn niemals erreichen werden. Briefe, die mir das Leben vereinfachen sollen. Briefe, die einigen von euch vielleicht etwas helfen können.