No.7: Distraction

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Ich tat sowas gerne mal, wenn ich verwirrt war und meine Gedanken ordnen musste.

Sobald meine Schicht vorbei war, lieferte ich meine Tasche zuhause ab und fing an durch die Stadt zu laufen. Natürlich nur durch mir bekannte Gegenden, und das war nicht gerade ein großes Gebiet. Aber solange es mir half, mich ein wenig abzulenken, war es gut.

Leider half das diesmal nicht so wirklich. Der Gedanke, meinen Job wegen einer Kleinigkeit, die ich nicht begangen habe, zu verlieren, machte mich doch mehr fertig als ich eigentlich dachte. Ich hatte es schließlich nicht getan... Aber wer sonst...?

Ich lief schneller, um meine Gedanken abzuschütteln und betrat den städtischen Park. Die grünen Bäume halfen normalerweise am ehesten, mich abzulenken. Doch auch diese waren heute keine große Hilfe.

Keuchend kam ich vor dem großen Brunnen in der Mitte des Parks zum Stehen und schnappte nach Luft. Ich rannte nun wirklich nicht häufig, also war ich schnell außer Puste. Ich nutzte die Zeit, in der ich Luft holte, um mich umzusehen.

Der Park war ziemlich belebt um diese Tageszeit. Schüler und Studenten, die keinen Unterricht mehr hatten, versammelten sich über den gesamten Platz. Mütter oder Erzieher/innen führten ihre Kinder hier herum, Pärchen fanden sich auch zwei oder drei. Einige auf der Wiese, andere auf den Bänken, wieder andere saßen auf dem Rand des Brunnens. Nach einiger Zeit blieb mein Blick aber an einer bestimmten Person hängen.

In letzter Zeit lief ich ihm immer wieder über den Weg. Ob es Zufall war oder irgendwas anderes, auf einer der Bänke fast gegenüber von mir saß Lee Jooheon, mit aufgeschlagenem Laptop, offenbar am Arbeiten. Ich zögerte einen Moment, doch dann beschloss ich, zu ihm hin zu gehen.

Beim näherem Hinsehen vielen mir immer mehr kleine Details an ihm auf. Und je mehr ich sah, desto mehr war ich überzeugt, dass dieser Typ einfach nicht real sein konnte. Allein diese Szenerie im Park, mit der Nachmittagssonne scheinend auf seiner blassen Haut, schien ihn eine Aura von zeitloser Ruhe zu umgeben.

Wow, war ich poetisch heute...

Er schien mich selbst als ich vor ihm stand, nicht zu bemerken, weshalb ich mich leise räusperte. Erst dann hob er den Kopf und sah mich an. Ein Lächeln zierte seine Lippen.
"Hey."

"Hey", erwiderte ich seine Begrüßung, sowohl wie sein Lächeln. "Ist, ähm... Da noch Platz?"

Er rückte etwas zur Seite und nickte. Dankend setzte ich mich auf die Bank zu ihm und strich mir ein wenig Schweiß vom Rennen von der Stirn. Als ich wieder zu ihm sah, hatte er den Blick bereits wieder von mir abgewendet. Neugierig sah ich auf seinen Laptop.

"Was machst du hier?", fragte ich interessiert.

Seine Finger huschten über die Tasten, während er antwortete.
"Ich arbeite grad an neuen Songs... Der Park ist ein geeigneter Ort dafür."

"Aha..." Ich beugte mich unterbewusst weiter vor, um mehr sehen zu können.
Plötzlich hörte er auf zu tippen und sah mich an.
"Willst du mal reinhören?", fragte er, die leichte Aufregung in seinem Blick kaum verbergend.

"Gerne~", erwiderte ich lächelnd und sofort drückte mir mein Sitznachbar ein offenbar teures Set Kopfhörer in die Hand.
Kaum hatte ich die Kopfhörer aufgesetzt, nickte er mir zu und drückte dann auf Play.

Von allem, das ich erwartet habe, war es nicht, ihn rappen zu hören.

Jedenfalls glaubte ich, dass er es war, denn er hatte die ganze Zeit ein verlegenes Grinsen auf den Lippen. Es war schon irgendwie cute, ich hätte mich gerne mehr darauf konzentriert, doch war ich zu sehr abgelenkt von seiner Stimme in dem Song.

Nach einer Minute oder so drückte er schließlich auf Stopp. Leicht enttäuscht nahm ich die Kopfhörer ab.

"Der Song ist noch in Arbeit, ich hab es auch noch nicht komplett geschrieben, aber bisher bin ich ganz zufrieden damit~"

"Es klingt wirklich gut!", versicherte ich ihm und gab ihm das Headset zurück.
"Ich hab nur irgendwie... Etwas anderes erwartet. Von außen wirkst du eher wie der ruhige Typ auf mich, ich hätte echt nicht gedacht, dass du solche Musik machst~"

"Oh..." Er sah etwas verlegen zur Seite. Cute.
"Ja, ich denke das kann jemand von mir denken, wenn man mich kaum kennt. Aber so ruhig bin ich eigentlich nicht~"

Lag da ein flirtiger Unterton in seiner Stimme? Naja, egal.

"Ich würde den Song gerne hören, wenn er fertig ist!" Mein Ausruf schien ihn zu begeistern, denn seine Miene hellte sich schlagartig auf.

"Echt? Sollen wir dann Kontakte austauschen, damit ich dir bescheid geben kann?"

Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. "Kontakte austauschen...? Du meinst, unsere Nummern?"
"Ääh... Ja, genau...", erwiderte er verlegen und holte dann sein Han-.... Ähm... Gut.

"Jooheon... Das ist ein Nokia."

Er nickte aufgeregt. Er schien sein Klapptelefon offenbar zu lieben.

".... Okay. Ich schätze, das geht auch." Dann schrieben wir nur über SMS... Auch gut.

Wir tauschten unsere Nummern aus, und schon blieb ich dran hängen, wie ich ihn einspeichern sollte. Nach einigem Hin- und Herüberlegen entschied ich mich dann doch für die formellere Art und Weise...

Lee Jooheon

Aufregend, ich weiß.
Schließlich packte ich mein Handy wieder ein. Kurz darauf war auch er fertig und er grinste mich aufgeregt an. Jetzt konnte ich auch gut die Grübchen erkennen, die sein Gesicht zierten und ihn unglaublich niedlich, aber auch wunderschön machten.
Ich konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern.

"Dann... Schreiben wir uns, ja?", fragte ich vorsichtig.
Er nickte. "Unbedingt."

Unbedingt~
Mit einem glücklichen Gefühl im Magen stand ich auf und strich mir mein Haar zurück.

"Dann... Bis zum nächsten Mal, Jooheon~"

"Bis dann, (Y/N)~"

Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich mich dann um und begann meinen Lauf zurück nach Hause. Erst dann fiel mir wieder ein, warum ich überhaupt gelaufen bin. Doch war ich jetzt gar nicht mehr so aufgewühlt über das Geschehnis auf der Arbeit...
Er hatte es tatsächlich geschafft, mich vollständig abzulenken.

Den gesamten Weg nach Hause über hatte ich ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Erst als ich zuhause angekommen war, seufzte ich erschöpft und goss mir ein Glas Wasser ein, welches ich in einem Zug leerte. Kurz darauf duschte ich, zog mich um, machte mir Essen und verbrachte den Rest des Abends auf der Couch mit meinem Handy in der Hand und schaute irgendwelche Videos.

Immer wieder fiel mein Blick dabei auf das kleine Icon mit meinen Kontakten.
Ich lächelte sanft, bei dem Gedanken, wie er am Ende meinen Namen gesagt hatte.....

.................. warte........

.........

.... Er hatte meinen Namen gesagt!!?

Warum war mir das vorhin nicht aufgefallen? Ich hatte ihm meinen Namen nie genannt. Auch beim Austauschen unserer Handynummern war ich nur mit dem Einspeichern seines Namens beschäftigt, dass ich komplett vergessen habe, ihn zu erwähnen. Er hatte auch nicht nachgefragt, und er sprach mich einfach mit Vornamen an!

Nicht, dass ich etwas dagegen hatte, es klang traumhaft, doch das Ganze war mir dann schon unheimlich. Woher kannte er meinen Namen? Es stand nirgendwo auf meiner Kleidung. Auf meinem Namensschild stand nur mein Nachname... Und sonst...? Woher sollte er wissen, wie ich hieß...?

Woher...?

A Story of Honey (Jooheon X Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt