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Er steht wirklich da. Wahrhaftig und in echt. Ich fange wie eine Irre an zu schreien (meine Arme Nachbarschaft) und renne auf ihn zu. Er fängt an zu lachen und öffnet seine Arme. Er trägt einen Over-sized hoodie in so nem Olivgrün und eine schwarze enge Hose. Seine Haare sind komplett abrasiert. Ich falle ihm in die Arme, er hebt mich hoch und wirbelt mich durch die Luft. Nachdem er mich wieder abgesetzt hat und ich mit dem schreien aufgehört und mit dem Lachen angefangen habe fragen wir gleichzeitig: „Was machst du denn hier?" „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?" Darauf folgt erstmal wieder ein Lachflash bevor ich ihn aufklären kann. „Hatte mal wieder Lust auf ne Veränderung." Kurz bevor ich die Schule gewechselt hatte habe ich meine Haare grau-weiß gefärbt, mir einen Undercut schneiden lassen und die restlichen Haare auf Schulterlänge gekürzt. Schon immer wollte ich einen Undercut, und, dass mich auf der neuen Schule niemand kannte hatte mir die nötige Motivation gegeben, es einfach zu machen. (Wobei Hillary Duffs Song „Kind" auch ziemlich dazu beigetragen hat um ehrlich zu sein.) „Sieht fresh aus." „Dankeschön" Ich muss grinsen. Jetzt, wo er so vor mir steht merke ich, wie sehr ich ihn vermisst habe. Ich kenne Manu jetzt schon seit der fünften Klasse. In der Siebten haben wir uns dann angefreundet und sind seither unzertrennlich. Er weiß so ziemlich alles über mich und umgekehrt. „Du siehst aber auch nicht schlecht aus, ist sicher ein Paradies da drüben von den Second-hand Läden her." „Kann man so sagen, meine Gastschwester bekommt mich fast nicht mehr raus aus den Thrift shops" Die Vorstellung von Manu in dem Laden und wie er alles anprobiert und überlegt, ob es ihm steht in Kombination mit einer ungeduldigen Gastschwester lässt mich grinsen. „Kann ich mir vorstellen, aber jetzt erzähl erst mal, warum bist du hier?" „Ach die haben grade Ferien da oben und da dachte ich, ich schau mal wieder hiervorbei, so ne Art Überraschungsbesuch also suprise suprise" „Awww ich freu mich" Wir laufen gerade die Straße entlang auf das Feld zu. Wir haben uns soo viel zu erzählen. Er ist nur für ein paar Tage zurückgekommen, danach fängt in Kanada die Schule wieder an. „Und? Ich will alles wissen, hast du nette Leute kennengelernt? Und wie siehts mit den boys aus?" „Oh da gibt's einige hotte sag ich dir. Aber in Kanada sind eigentlich alle freundlich af. Die Landschaft ist superschön und man hat die ganze Zeit so nen entspannten vibe. Ich engagiere mich sogar in der Schülervertretung, kannst dus glauben?" „Als ob." Lache ich. Manu ist der letzte, der sich bei sowas einbringt. Normalerweise geht ihm so ziemlich alles in der Schule am Arsch vorbei. „I promise, der school-spirit hat mich völlig gefangen genommen." „Genauso wie die immer häufiger werdenden Anglizismen" entgegne ich. Er zieht die Augenbrauen hoch und wirft mir von der Seite ein entnervtes „Guurl" zu, bevor sein Mund sich zu einem Grinsen verzieht und er anfängt zu lachen. Ich grinse. „Ganz der Alte also" Ich drücke ihm einen Kuss auf die Wange. Er reagiert darauf, indem er so tut, als müsse er sich mit den Händen Luft zu fächeln, als sei ihm heiß geworden. Mein Grinsen verstärkt sich. „Jetzt erzähl doch mal, lief irgendwas?" „Nichts Festes jedenfalls." Er zuckt die Schultern, aber ich bin nicht komplett überzeugt. Mittlerweile laufen wir über einen Feldweg auf einen Berg zu, auf dem wir früher Stunden verbracht haben. „Aber das ist jetzt auch unwichtig, darüber können wir später noch reden. Erzähl du zuerst. Wie ist es auf der neuen Schule? Sind die Leute in Ordnung?" Und so erzähle ich ihm alles was mir einfällt. Von den vielen neuen Leuten, die ich kennengelernt habe über die Lehrer bis hin zu meinen nicht ganz so brillanten Noten. Wir sind auf dem Hügel angekommen und blicken hinab auf eine Schnellstraße. Ich habe diesen Ort schon immer geliebt. Man sieht die ganzen Autos und Transporter und dahinter Wiesen und Felder. Ich finde den Gedanken spannend, dass in jedem Auto jemand anderes mit anderem Ziel sitzt und stelle mir vor, wie sie ganz in der Nähe meines Hauses meine Sorgen aufladen und damit ganz weit wegfahren. Die Sonne steht mittlerweile kurz vor dem Untergang und der Himmel hat sich lila und pfirsichfarben gefärbt. Wir setzten uns auf die einzige Bank, die ein bisschen verloren im Feld steht, aber letztes Jahr unser Stammplatz war. Nach dem ich mit meinen Erläuterungen am Ende bin fragt Manu mich: „Und wie ist diese Flin sonst so?" „Wieso fragst du ausgerechnet nach ihr?" „Weil du so ein unterschwelliges Lächeln auf dem Gesicht hattest. Sie hat sich nicht nach irgend so einer random Person angehört." „Keine Ahnung, ich bin im Moment selbst ein bisschen verwirrt ehrlich gesagt." „Magst du sie?" Ich denke nach... Und komme zu keinem Schluss. Mag ich sie? „Also um ehrlich zu sein kenn ich sie noch gar nicht so gut." „Lass mich raten: Aber da ist so ein Gefühl?" liest er meine Gedanken. „So könnte man es ausdrücken ja..." Wir schauen uns an. „Dann solltest du sie dringend besser kennen lernen." Rät mir Manu. Ich drehe meinen Kopf wieder nach vorne und überblicke die Aussicht.

Flin x JeanWhere stories live. Discover now