Nach einer gefühlten Ewigkeit ist das Treffen nun endlich vorbei. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich gerade noch genügend Zeit dazu habe, mir beim Bäcker eine Brezel zu kaufen. „Hey, warte mal. Das hast du gerade fallen lassen." Flin steht wider Erwarten hinter mir und hält mir mein Notizbuch unter die Nase. Sag mal, täusch ich mich gerade oder ist Flin jetzt schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen auf mich zugekommen und hat mich angesprochen? „Oh, danke das ist nett." „Gern" Peinliche Stille. Verdammt Jean sag was! „Ähm, ich weiß nicht... Ich wollte gerade zum Bäcker und ähhh..." Kurze Verbesserung: Sag was Angebrachtes und am besten noch mit funktionierender, deutscher Grammatik. „Ah da wollte ich jetzt auch hin." „Okay cool" Und so laufen wir nebenher die Straße entlang zum Bäcker. „Und du magst es also, dich um Layouts zu kümmern?" frage ich mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ja, schon, ich habe jetzt schon seit Längerem einen Block." „Oh echt, was für einen?" „Kann man nicht wirklich charakterisieren, ich schreibe da über alles Mögliche... oder mach eben Fotos." Wir unterhalten uns noch eine Weile über dies und das, und mir fällt auf, dass wir doch recht viel gemeinsam haben.
Am diesem Nachmittag treffe ich mich mit Sabine, einer Mitschülerin mit der ich ein Referat vorbereiten muss, in einem Café in der Innenstadt. Sabine ist ein bisschen kleiner als ich, hat Schulterlange, rotbraune glatte Haare und ist ein totaler Kunstfreak. Sie kann echt toll zeichnen und ihre Schrift sieht wirklich wie gedruckt aus. Sie überlegt schon lange einen Instagram-Account zu starten und dort ihre Aufschriebe, welche wahren Kunstwerken gleichen, zu posten. „Oh mein Gott, Sabine, übertreib halt" lache ich bewundernd, als sie mir ihre Notizen gibt. Unser Thema ist das Magnetfeld der Erde, also nichts wirklich Neues, es soll auch lediglich zur Wiederholung des Kurses und zu unserer Noten-Aufbesserung dienen. Sie hat da auf dieses Blatt ein nahezu perfektes Abbild der Erde geschaffen und beschriftet. Die Linien sehen nicht so aus, als hätte man sie freihand aufs Papier bringen können und wenn ich Sabine nicht schon mehrfach dabei beobachtet hätte, wie sie sowas schafft, hätte ich das auch nicht geglaubt. Letztes Weihnachten hat sie mir ein selbstgemachtes Bullet-Journal gemacht, das genauso gedruckt aussah, und als ich es voller Begeisterung meinen Eltern gezeigt habe, haben sie mir erstmal gar nicht abgenommen, dass Sabine das selber gemacht hat. Sie hat mir dann sogar ein Beweisvideo geschickt, dass ich meinen Eltern zeigen konnte. Wir bereiten weiter unser Referat vor, doch ab und an schweifen unsere Gespräche zu neu herausgekommenen Mangas und Animes ab, wenn ich ehrlich bin. Das ist unser liebstes Gesprächsthema.
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Vielleicht sollte ich hier kurz mal was erklären: Ich bin extrem verwirrt: Kein Plan, was mit mir los ist. Es gibt Momente, in denen ich ein Mädchen sehe und mich instinktiv zu ihr hingezogen fühle, aber das gleiche passiert auch bei Typen... Und das irritiert mich ziemlich.
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„Gurl, dein Eyeliner ist on fleec" mit diesen Worten begrüßt mich Manu am Marktplatz in der Innenstadt. Wir haben uns für nach der Schule verabredet. Ich habe meine Mutter endlich dazu überredet bekommen, mir ein Septum stechen zu lassen und das war ein langwieriger Kampf kann ich nur sagen. Heute soll der Tag sein. Manu wollte ich als Unterstützung dabeihaben. Mit der Bescheinigung meiner Mutter in der Hand betrete ich das Piercing-Geschäft. Ein bisschen aufgeregt bin ich dann doch, allerdings überwiegt trotzdem die Vorfreude. Nachdem mich der Piercer eingewiesen und über mögliche Komplikationen aufgeklärt hat, sitze ich schließlich auf einer dieser Liegen und er setzt das Gerät an meiner Nase an. „So, jetzt schön ruhig ein und ausatmen" dirigiert er mich und beim nächsten ausatmen schiebt er die Nadel durch. Ich drücke Manus Hand fest während seine andere beruhigend auf meiner Schulter liegt. Ich fühle einen kurzen Schmerz, der aber nicht lang anhält. Das eigentlich unangenehme an der ganzen Sache ist der Moment, als er den Schmuck einsetzt, weil er dabei sehr an meiner Nase herum werkelt. Doch als es dann vollbracht ist und ich mich in dem kleinen Spiegel betrachte, den der Piercer mir vors Gesicht hält, ist da ein Gefühl, das ganz deutlich wird. Irgendwie fühle ich mich gerade selbstständiger, ein bisschen erwachsen.
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Flin x Jean
Romance"Sacht drückt Flin mich an die Wand, sie schaut mir tief in die Augen, kommt mir immer näher. Ich lege meine Hand an ihre Wange und streiche ihr langsam die Haare aus dem Gesicht. Da ist immer noch so viel zu sagen zwischen uns, trotzdem fühlt es si...