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Seit gefühlten Stunden versuche ich nun schon meine Aufmerksamkeit auf den Geschichts-Aufsatz vor mir zu wenden, aber da kommt irgendwie nichts. Wie sollte es auch, in meinen Gedanken sind tausend andere Dinge. Mein neues Piercing, Manu, mein Vater, der in letzter Zeit ziemlich rumstresst und Flin. Flin Flin Flin. Warum geht sie mir denn nicht einfach aus dem Kopf. Ich verstehe nicht, was mit mir los ist. Manus Worte geistern immer noch in meinem Kopf herum. Vor allem würde das bedeuten, dass ich... Oh nein das kann nicht sein, das wäre mir doch schon früher aufgefallen, schon vor Jahren hätte mir das auffallen müssen, dass ... ... neineinein, Schwachsinn, das kann nicht sein.

Am nächsten Tag in der Schule kommt eine ziemlich aufgelöste Valery auf mich zu. „Jean, du musst mir helfen" „Was gibt's denn?" „Oh, du hast ein neues Piercing richtig? Sieht super aus. Also, weswegen ich zu dir gekommen bin, du warst ja gestern beim Abizeitungstreffen dabei. Und, also, ich will eigentlich nichts mit dieser Flin zu tun haben, deshalb hab ich mich gefragt..." „Was?" „Naja, ob du vielleicht die Fotos übernehmen könntest." „Das ist nicht dein Ernst Valery" „Bitte, du weißt, dass würde nicht gut enden, wenn Flin und ich sowas zusammen machen würden, und du verstehst dich doch ganz gut mit ihr." Jetzt schaut sie mich auch noch mit diesem Hundeblick an. Resigniert atme ich aus. „Nagut, wenns sein muss." „Danke, du bist die Beste, Jean wirklich. Ich sag ihr dann später Bescheid, dass du das übernimmst." Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet dann in Richtung der Bio-Räume. Das heißt dann wohl, dass ich in Zukunft etwas Zeit alleine mit Flin verbringen werde.

In der Mittagspause sitze ich mit hochgebundenen Haaren an einem der Arbeitstische im 1. Stock der Schule. Ich schreibe gerade an einer Kurzgeschichte. Nichts Besonderes, nur so ein Geistesblitz, den ich letzte Nacht hatte und heute auf Papier bringen wollte. „Hey Jean" Ich schaue auf und sehe Flin, die auf mich zukommt und sich mir gegenüber auf einen Stuhl setzt. „Oh, hey Flin" grüße ich sie möglichst beiläufig und schlage so unauffällig wie möglich mein Notizbuch zu. „Also Valery war gerade so freundlich mir mitzuteilen, dass du ihre Aufgabe gerne übernehmen würdest?" „Oder eher, dass sie keine Lust hat, ihre Aufgabe zu machen, aber das trifft es schon ganz gut denk ich" lache ich. „Naja wie auch immer, ich wollte nur kurz mit dir besprechen, wie wir das dann machen wollen. Also, falls du Zeit hast natürlich." Und das taten wir dann auch. Wir machten ein paar mögliche Termine aus und besprachen noch weitere Kleinigkeiten. „Okay, ich denke, dass wars dann auch fürs erste." Meinte sie schließlich und stand auf. Sie hat heute eine locker sitzende helle Jeans kombiniert mit einem in die Jeans gestopften Hemd in dunkelblau an und sah wie immer ziemlich gut darin aus. Sie schulterte sich ihren Rucksack und hob zum Abschied die Hand. „Also bis dann Jean." „Bis dann" brachte ich ein bisschen überwältigt von ihrem Anblick heraus. Ich schaue ihr nach, wie sie ein paar Schritte geht, ehe sie sich noch einmal umblickt und sagt: „Das Septum steht dir übrigens ziemlich gut" ehe sie komplett um die Ecke verschwindet.

„Manu? Ich glaube, es ist passiert!" „What happened?" „Ich glaube, oh Gott ist das schwer auszusprechen, ich glaube, ich habe mich in Flin verliebt." Ich bin selbst geschockt, dass ich das gerade ausgesprochen habe. Manu und ich liegen gerade auf meinem Bett, er hat gezockt, während ich in mein aktuelles Buch vertieft war (eine Biografie über Freddy Mercury) und dann ganz plötzlich kam da diese Erkenntnis. Ich. Verliebt. In Flin. Wow, das ist gerade ziemlich crazy. Aus einem mir unerklärlichen Grund floss gerade eine Träne meine Wange herunter. Sofort gab Manu mir eine lange Umarmung. „Das ist doch toll Jean, ich bin sicher, wenn du dich in sie verliebt hast ist sie ein ganz tolles, besonderes Mädchen." „Danke, das ist lieb von dir. Aber ich weiß ja nicht mal ob sie... naja, und ich weiß es ja selbst nicht so genau." Ich kann es nicht sagen, da ist wie eine Schranke in mir und ich habe Angst, sollte ich einmal über sie steigen, dass das alles verändern würde. „Jean, jetzt sprich es doch mal aus." Nach kurzem zögern nehme ich all meinen Mut zusammen. Es ist schließlich Manu, wir erzählen uns alles. Langsam fange ich also an: „Ok, also, ich weiß ja selber nicht, ob ich bi oder lesbisch oder was es da sonst noch so gibt bin." Ein leichtes Lächeln schleicht sich auf Manus Lippen. „Das findest du schon früh genug selbst raus, glaub mir." „Wie war das denn bei dir? Wann hast du gemerkt, dass du auf Jungs stehst? Ich bin so verwirrt, weil das bei mir früher nie so war." Manu schaut etwas nachdenklich vor sich hin, als schien er gut darüber nachzudenken, was er mir darauf antworten wollte. „Naja, also ich hab das ziemlich früh bemerkt, vielleicht so mit 12 oder so. Das ist einfach ein Gefühl, das kann man gar nicht so genau beschreiben, ich habe einfach nie eine Beziehung zu einem Mädchen aufgebaut, die über Freundschaft hinaus ging. Dieser vibe war eben nie da. Und Jean, nur, weil das bei dir anders ist, heißt das nicht, dass deine Gefühle oder deine Sexualität oder was auch immer nicht richtig sind. Sie sind so wie sie sind und das ist auch okay so." Ich schaue ihn an, und in diesem Moment bin ich so dankbar, dass ich Manu habe. Er versteht mich einfach immer, egal in welcher Situation. „Danke" „Ach Jeanchen" lächelnd drückt Manu mir einen Kuss auf die Wange und legt sich danach wieder auf den Bauch, um weiter zu zocken. Erleichtert atme ich auf. Ich bin einfach nur froh, dass das nichts geändert hat, dass jetzt alles genau so weitergehen kann wie vorher. Ich bin noch immer der gleiche Mensch.

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⏰ Last updated: Mar 24, 2019 ⏰

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Flin x JeanWhere stories live. Discover now