-03- Rudel

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Ich erwische noch gerade rechtzeitig den letzten Bus, welcher sonntags von Fallas nach Pacoha Bay fährt. Die Fahrt von Roxy bis zu mir nach Hause dauert circa vierzig Minuten und wieder einmal verspüre ich Trotz, dass ich mit meinem Dad in einem kleinen Kaff wohne.

Im Bus ist es aufgrund der hochgedrehten Heizung angenehm warm, so dass ich meine Winterjacke ausziehe. Die Bäume haben sich schon alle längst verfärbt und viele haben bereits ihre Blätter verloren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Schneeeinbruch kommt und die Menschen und Busunternehmen in Panik geraten. Es ist unglaublich, was für Auswirkungen Schnee haben kann.

Als wir an der Küste entlangfahren, weiß ich, dass es nicht mehr weit bis nach Pacoha Bay ist. Es ist schon erstaunlich, dass dieser kleine Ort mit seinen 400 Einwohnern überhaupt eine Bushaltestation besitzt.

Ich starre auf die tosenden Wellen, die sich gegen den großen Klippenhang aufbäumen. Heute ist ziemlich ungemütliches Wetter. Der Wind peitscht unnachgiebig und wirbelt die Laubblätter auf.

Als ich aus dem Bus steige, setze ich mir die Jackenkapuze auf, um das Pfeifen um meine Ohren herum zu dämpfen. In Pacoha Bay ist es immer etwas stürmischer, da es an der Küste liegt. Fallas dagegen liegt etwas weiter im Inneren von Massachusetts. Es ist die nächstgrößere Stadt, obwohl sie mit ihren Zehntausend Einwohnern verglichen zu Boston oder Worcester noch klein ist. Fallas hat aber etwas Uriges und Gemütliches. Früher habe ich viele hitzige Diskussionen mit meinem Vater gehabt, weil ich unbedingt dorthin ziehen wollte – nicht nur, weil dort auch meine High School ist und meine Freunde wohnen, sondern auch, weil dort einfach mehr los ist. Aber Pacoha Bay ist der Standort und Ursprung des Pacoha-Clans, dem Rudel meines Vaters.

Unser blaues Haus ist umgeben von Bäumen. Ich stapfe die lange Einfahrt hoch und kann verstehen, dass dieser Ort perfekt für Wölfe ist. An Wald mangelt es hier nicht. Die nächsten Nachbarn sind weit weg, so dass jeder seine Ruhe genießt. Manchmal finde ich es unheimlich, wenn ich abends aus meinem Zimmer schaue und nichts als den düsteren Wald sehe. Als ich das erste Mal Roxy mit nach Hause gebracht habe, dachte sie, ich würde sie entführen.

Als ich die vielen Autos vor dem Haus stehen sehe, seufze ich. Das bedeutet, dass mein Vater das ganze Rudel eingeladen hat. Ich erinnere mich dumpf daran, dass er mir heute Morgen Bescheid gegeben hat, aber da war ich mit meinen Gedanken ganz woanders.

Ich gehe die Stufen zur Veranda hoch und höre das dumpfe Gerede und eifrige Diskussionen hinter der Tür. Sie müssen meine Schritte gehört haben, denn augenblicklich werden sie leiser. Als ich ins Haus eintrete, verstehe ich die Aufregung: Im Fernsehen läuft ein Footballspiel. Sechs Augenpaare schauen mich an.

Es ist ein witziger Anblick, wie sich das Rudel auf das Ecksofa gequetscht hat, jeweils mit einem Pizzakarton auf dem Schoß. Sie begrüßen mich freundlich und mein Vater erhebt sich und geht mit mir zur Küche, wo sich noch ein Pizzakarton für mich befindet.

Im unteren Bereich unseres Hauses ist alles offen, so dass es nur einen gemeinsamen Wohn-, Ess-, und Küchenbereich gibt. Außerdem befindet sich unten das einzige und zum Glück große Badezimmer. Die Wendeltreppe nach oben führt in jeweils Papas und meinen Schlafbereich.

„Ich habe dir eine Pizza mit Champignons bestellt. Ich hoffe, das ist in Ordnung", sagt mein Dad.

„Natürlich. Danke", gebe ich zurück und versuche ihn anzulächeln.

Ich fühle mich schlecht, weil ich ihm etwas verheimliche – aber andererseits will ich ihm auch keine unnötigen Sorgen machen, wenn die Worte der Hexe sowieso nur Humbug waren. Ich beschließe, dass es die richtige Entscheidung ist, am Freitag noch einmal in den Club zu gehen und eine Hexe aufzusuchen. Ich will Klarheit.

GejagtWhere stories live. Discover now