Kapitel 6

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Hörte das nie auf? Ich hatte für heute die Überschicht einer Kollegin übernommen, um nicht mit Britta alleine in der Wohnung zu sein. Samuel würde nämlich erst am Abend kommen. Mal wieder musste ich meine eigene Wohnung meiden, um jemandem aus dem Weg zu gehen. Nur war es diesmal Britta, die ich nicht sehen wollte. Als ich dann endlich nach Hause kam, war Britta nicht da. Auf mein Fragen reagierte keiner. Ich ging direkt ins Bad und duschte. Als ich dann fertig war, wollte ich mich in meinem Zimmer anziehen. Ich verließ also das Badezimmer und fand Samuel und Carol vor, wie sie sich hektisch anzogen.

„Cloe, ich... es ist nicht wie du glaubst.“ Samuel kam auf mich zu. Carol sagte nichts, sie zog sich weiter an.

„Komm runter, Sammy.“ Er verkrampfte sich, ihm gefiel der Name nicht. Jetzt sah Carol mich an.

„Gestern habe ich mein Handy hier vergessen und als ich es holen kommen wollte, habe ich Sammy hier getroffen und den Rest kennst du.“ Carol hatte keine Ahnung, was zwischen uns passiert war. Sie wusste nicht, wie sehr es mich verletzte. Aber Samuel wusste das und er hatte es trotzdem getan.

„Raus.“ Es war nicht mehr als ein Hauchen. Carol sah zu Samuel, als er nicht reagierte, ging sie weiter in Richtung Tür. Samuel kam noch näher, er wollte gerade etwas sagen.

„Beide.“ Ich sah ihn an. Er folgte Carol mit gesenktem Blick. Ich warf ihnen ihre Schuhe hinterher und knallte die Tür zu. Durch den Spion beobachtete ich, wie sie sie anzogen und wortlos gingen.

Nach einigen Minuten hatte ich noch immer nicht aufgehört zu weinen. Was hatte ich mir gedacht? Dass wir ein Paar waren? Dass er mich liebte? Bloß, weil wir miteinander geschlafen hatten? Ich hatte schon gedacht, dass Carol es nicht bei den Blicken belassen würde, aber mehr als ein paar anzügliche Bemerkungen hatte ich nicht einmal von ihr erwartet. Ich lief zum Wohnzimmerfenster und beobachtete, wie Samuel Carol zur Bushaltestelle brachte. Ich lächelte unwillkürlich, selbst jetzt verhielt sich Samuel noch, wie ein Gentleman. Dann lief er in das alte Haus. Dort ging er also hin. Obwohl Carol nicht wusste, was zwischen mir und Samuel passiert war,  hatte sie kein Recht dazu in meine Wohnung zu kommen und mit meinem Gast zu schlafen. Genauso wenig war Samuel dazu berechtigt mit meiner Freundin zu schlafen. In meinem Bett. So leid es mir tat, ich konnte Britta momentan nicht ertragen. Als sie klingelte, öffnete ich die Tür nicht. Ich sagte ihr durch die Sprechanlage, dass ihr Vater in seinem Haus sei.

„Lässt du mich jetzt nicht rein?“  Ich legte auf ohne zu antworten. Nachdem sie minutenlang Sturm klingelte, zog ich einfach den Stecker aus der Gegensprechanlage. Ich legte mich auf mein Bett und versuchte, mit tränennassem Gesicht und ebenso nassem Kissen, einzuschlafen. Gerade, als ich meine Augen kaum noch offen halten konnte, klopfte es. Ich ignorierte es. Erst nachdem meine Tür fast aus den Angeln fiel, wegen dem lauten Hämmern, quälte ich mich aus dem Bett. Ich sah durch den Spion.

„Was?“

Ich glaubte nicht, dass er es tatsächlich wagte nochmal hier aufzutauchen.

„Wenn Britta ihre Sachen braucht, soll sie selbst hierher kommen.“, sagte ich bevor er antworten konnte.

„Bitte lass mich rein.“

Er sah direkt in den Spion und ich wandte instinktiv den Blick ab, obwohl er mich nicht sehen konnte.

„Verschwinde.“

„Wieso bist du wütend?“

Ich öffnete die Tür mit einem ungläubigen Schnauben.

„Ist das dein Ernst?“, fragte ich und verschränkte die Arme.

Er zuckte mit den Schultern. Ich wollte die Tür wieder schließen, er stemmte sich jedoch dagegen. Natürlich hatte ich keine Chance, also versuchte ich es nicht weiter.

„Ich weiß es war nicht richtig, aber ich dachte, dass…“

„Dass was? Dass du’s mal mit mir machst und mal mit meinen Freundinnen. In meiner Wohnung?“

„So denkst du von mir?“ Ich sah ihn nur an, denn zum Reden hatte ich keine Kraft mehr. Er trat in die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Ich lehnte mich an und er stellte sich mir gegenüber.

„Cloe.“ Ich sah ihn nicht an.

„Cloe.“ Er kam näher an mich heran, ich drehte meinen Kopf weg. Er griff an mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen, indem er mein Gesicht zu sich drehte. Ich versuchte wieder wegzusehen und schaffte es nicht. Ich war viel zu schwach.

„Ich will, dass du gehst.“

„Das willst du nicht.“ Ich war noch nie besonders gut im Lügen gewesen.

Ohne es zu wollen, bemerkte ich, wie gut er roch.

„Nimm deine Sachen und geh.“ Meine Stimme klang erstickt.

Er lachte bloß leise. Es war ein dunkles Lachen. Ich wusste, dass er mich nicht ernst nahm.

„Dann muss ich dich aber auch mitnehmen.“ Ich wusste darauf nichts zu erwidern. Er merkte das und etwas in seinem Blick hatte sich verändert. Es war etwas Dunkles, das auf mich attraktiver wirkte, als es sollte. Wahrscheinlich sollte es das gar nicht. Ich wusste, was er wollte.  Und ich konnte nicht behaupten, es nicht auch zu wollen. Also küsste ich ihn und es passierte, was sowieso passiert wäre.

Aber dieses Dunkle, hatte irgendwas verändert. Es war nicht, wie beim ersten Mal, wahrscheinlich auch nicht, wie bei Carol. Aber ich würde ihn bestimmt nicht danach fragen. Während ich so dalag und realisierte, wie ungleich die Macht in unserer Beziehung verteilt war, beobachtete ich, wie Samuel sich anzog, um Britta zu holen. Sie saß noch immer in dem unterkühlten, alten Haus und wartete darauf, dass ihr Vater kam und ihr sagte, wie ihre Zukunft aussehen würde. Er sah mich noch einmal an, als betrachtete er eine Fremde, dann ging er, um sie zu holen.

Ich wusste, dass ich eigentlich die Macht haben sollte. Es war schließlich meine Wohnung und letztendlich entschied ich, wer darin wohnte. Das sollte ich zumindest. Samuel strahlte etwas Machtvolles und Starkes aus und ich konnte, ehrlich gesagt, verstehen, dass Carol ihm nicht hatte widerstehen können. Ich würde ihr verzeihen. Nicht bald, aber irgendwann bestimmt. Bei Samuel hatte das nicht lange gedauert. Als die Tür noch zu war, hatte ich Macht und Mut. Ich war stark genug, um ihm zu sagen, er solle gehen. Als er aber reingekommen war und ich ihm direkt gegenüberstand, das Dunkle in seinen Augen gesehen hatte, seinen Atem auf meiner Haut spürte, war ich wehrlos und er wusste das genau. Jetzt waren unsere Positionen klar verteilt. Ich stand unter ihm. Durch meine Gegensprechanlage wirkte ich vielleicht entschlossen, aber wenn die Menschen mir gegenüberstanden, konnten sie meine Unsicherheit sehen. Dann hatte ich keine Chance mehr. Ich stieg aus dem Bett, sammelte meine Kleidung ein und ging ins Bad, um zu duschen. Das zweite Mal an diesem Tag. Ich zog mich an und setzte mich auf mein Bett. Ich sammelte alle Gedanken, die ich bezüglich Samuel hatte und versuchte sie zu ordnen. Ich wollte ihm wirklich sagen, was ich dachte. Wollte die Rollen tauschen, aber ich konnte nicht. Dass ich eingeschlafen war, bevor sie wiederkamen, war aber nicht der einzige Grund dafür.

Samuel and CloeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt