Kapitel 2

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Draco und Harry liefen staunend durch die Winkelgasse hinunter zu Gringotts. Hier wurden sie weitgehend ignoriert, im Gegenteil zum Tropfenden Kessel. Die ganze Magie um ihn herum ließ Draco den Mund offen stehen. Er hatte zwar gewusst, dass er ein Zauberer war und dass Magie existierte, aber in einem solchen Ausmaß hatte er es sich nicht vorstellen können. Schließlich erreichten sie ein großes, weißes Gebäude, auf dem vorne in großen Buchstaben „Gringotts" stand. Hagrid führte sie in die prunkvolle Eingangshalle und zu einem Schalter. „Ja?", fragte ein kleiner Mann mit großen spitzen Ohren und spitzer Nase. „Ein Kobold", erklärte Hagrid zu Harry gewandt, was Draco allerdings auch mitbekam. Es machte ihm nichts aus, dass er nicht beachtet wurde. Schließlich stand er, sozial gesehen, meilenweit unter den Beiden, was zumindest er so sah. Hagrid anscheinend auch, nur Harry sah ihn als ebenbürtig an. „Wir wollen Geld aus Harry Potters Verlies abheben. Und ... aus Draco Malfoys." Der Kobold beugte sich leicht über den Tisch und starrte zuerst Draco, dann Harry an. Draco wurde rot. „Die Schlüssel?" Nach einigem Wühlen in seinen Taschen beförderte Hagrid einen kleinen goldenen Schlüssel hervor und reichte ihn über die Theke. Nach aufforderndem Blick zog Draco einen eigenen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Er hatte schon länger vorgehabt, seine Schulsachen zu besorgen und hatte nur auf den richtigen Moment gewartet. Er reckte sich, um den Schlüssel ebenfalls dem Kobold zukommen zu lassen. Draco war zwar relativ groß für sein Alter, aber die Höhe der Theke hier war eher für Hagrid ausgelegt. „Oh, und ich habe noch einen Brief von Professor Dumbledore. Es geht um den Sie-wissen-schon-was in Verlies Nr. 713." Der Kobold nickte. „Griphook!" Ein weiterer Kobold kam auf sie zu und führte sie zu einem kleinen Wagen. Gerade, als sie sich hinein gesetzt hatte, fuhr er los. Besorgt blickte Draco zu Harry, doch dem schien nicht schlecht zu sein. Schließlich hielt der Wagen vor einer Tür an. Der Kobold öffnete sie und Draco wurde erschlagen von der Menge an Geld, die sich da vor ihm erstreckte. „Dein Erbe, Harry." Während Hagrid erklärte, wie die Währung funktionierte, beeilte Draco sich, einen Betrag, der ihm passend erschien, in einen Beutel, den Hagrid ihm in die Hand gedrückt hatte, zu packen. Anschließend fuhren sie zu einem, weitaus leereren, Verlies. „Da waren deine Eltern aber knauserig", merkte Hagrid an. „Das reicht gerade mal so für gebrauchtes Zeug."


Zurück im Ligusterweg war Draco froh, dass Hagrid endlich gegangen war. Harry ließ sich aufs Sofa fallen, während er die heute besorgten Sachen in ihren Schlafzimmern verstaute. „Was möchtest du zum Abendessen, Master?", fragte er Harry, der die Fahrkarten für den Hogwarts-Express betrachtete. „Egal. Wir müssen Onkel Vernon bitten, uns nach King's Cross zu fahren." „Ja. Ich werde nachher zu ihnen gehen, um es ihm mitzuteilen", stimmte Draco zu, währen der sich die Schürze umband und damit begann, Kartoffeln zu schälen. „Deine Familie muss ganz schön bekannt sein." Harry hatte sich am Esstisch niedergelassen und beobachtete ihn. „Jeder im Tropfenden Kessel kannte deinen Namen." „Sie kannten deinen Namen, Master. Du bist ein Held in dieser Welt. Mein Nachname scheint aber tatsächlich auch recht präsent zu sein. Allerdings scheint dieser eher negativ konnotiert zu sein. Wahrscheinlich sehe ich meinen Eltern ziemlich ähnlich." Sie schwiegen eine Weile. „Sie alle sagen, ich hätte Volde...mort getötet, aber ich kann mich nicht erinnern. Als mein bester Freund, glaubst du, ich kann die Person sein, die sie wollen?" Draco stellte ihm einen gefüllten Teller hin. „Master, du kannst jede Person sein, die du willst." „Das sagst du als mein Diener. Aber als mein Freund..." Draco seufzte. „In der Schule wirst du richtige Freunde finden, Master", sagte er leise und wischte sich die Hände ab. „Ich werde deinen Onkel nun informieren." „Willst du einfach nicht mein Freund sein?", rief Harry ihm hinterher. Draco blieb stehen. „Master, natürlich schätze ich unsere Freundschaft und halte sie in Ehren. Aber es ist sehr schwer für mich, gleichzeitig beide Rollen zu erfüllen, die du von mir verlangst. Zudem gehört es sich auch nicht." Er verließ das Haus. Als er zurückkam, war Harry bereits ins Bett gegangen. Niedergeschlagen begann Draco aufzuräumen und seine üblichen Aufgaben, von den er am Morgen abgehalten wurde, zu erledigen. Anschließend setzte er sich an den Schreibtisch in seinem Zimmer und begann einen Brief an seine Eltern, um ihnen von seinem ersten Ausflug in die magische Welt zu berichten. Harry und er hatten häufiger solche Streitigkeiten. Konnte er es Streitigkeiten nennen? Ständig verlangte Harry von ihm, zwei vollkommen verschiedene Funktionen in seinem Leben einzunehmen von denen Draco nicht wusste, wie er sie vereinen konnte. Solange er sich erinnern konnte, hatte ihm zunächst Harrys Tante und später auch seine Eltern eingepflanzt, wie er sich zu verhalten hatte und ihm beigebracht, demütig zu sein. Er konnte das nicht einfach so abstellen. Morgen würde er den Brief abschicken, wenn die Eule kommen würde. Draco hatte ebenfalls nach seiner Familiengeschichte gefragt, warum er, als einfacher Junge, entweder wie ein Prinz oder ein Verbrecher behandelt wurde. Es war bereits sehr spät, als er mit allem fertig war. Zögernd trat er in Harrys Zimmer. Es war dunkel und Harry lag im Schlafanzug im Bett, aber Draco wusste, dass er nicht schlief. „Master?", flüsterte er vorsichtig. Keine Reaktion. „Bist du jetzt sauer auf mich?" Harry drehte sich von ihm weg. „Es tut mir leid. Ich hasse es, wenn wir uns streiten. Aber bitte wisse, dass ich mein Bestes versuche, dir gleichzeitig ein Freund zu sein, neben meiner niedrigen Stellung. Ich weiß, dass es nicht in meinem Recht liegt, von dir Einsicht zu verlangen, aber..." „Idiot", murmelte Harry. „Klar liegt es in deinem Recht. Manchmal wünsche ich mir, wir würden uns so richtig streiten, dass du mir widersprichst und laut wirst, aber ich weiß, dass ich das nicht von dir verlangen kann..." „Master..." „Tante Petunia hätte dich nicht so unterwürfig erziehen sollen." „Master..." Draco verneigte sich, an der Grenze zu Tränen. Harry sprang aus dem Bett und zog ihn in eine Umarmung. „Egal, was du sagst: du bist mein bester Freund."


Onkel Vernon hatte sie ohne Beschwerden nach King's Cross gefahren und nun standen sie, Draco mit vollbeladenem Gepäckwagen, auf Gleis 9. Ratlos blickten sie sich um. „Draco...", maulte Harry verunsichert. „Wie kommen wir zu Gleis 9 ¾?" Der zeigte auf eine rothaarige Gruppe, die alle große Koffer und eine Eule dabei hatten. Zögernd trat Harry auf sie zu. „Entschuldigung, könnten Sie uns sagen, wir wir zum Gleis kommen?" „Oh, auch erstes Jahr?", fragte die Frau freundlich. „Keine Sorge. Ron ist auch neu." Ein Junge, der etwas kleiner als Draco war, und Harry darum nicht um einen ganzen Kopf überragte, winkte ihnen zu, dann hielt inne, als er Draco erblickte und deutete auf ihn. Er stand in einiger Entfernung zu ihnen und kam, nach Harrys aufforderndem Blick, langsam hinzu. „Du bist bestimmt ein Malfoy", stellte Ron fest. Auch die Frau beäugte ihn skeptisch. „Ihr müsst nur durch die Absperrung rennen, dann kommt ihr zum Gleis", erklärte sie. „Aber wieso muss ich das einem Malfoy erklären?" Draco wurde rot und blickte nach unten. „Draco?" „Ja, Master?" „Ist der Wagen schwer?" Er schluckte. „Ein wenig, Master." „Soll ich mein Zeug runternehmen, damit du überhaupt rennen kannst?" „Das wird nicht notwendig sein, Master", versicherte er Harry. „Dann geh schonmal vor." Draco verbeugte sich und bugsierte den Wagen durch die Absperrung, um auf Gleis 9 ¾ zu landen. Mit offenem Mund starrte er auf die Lokomotive vor ihm, dann ratlos auf die beiden Koffer und Harrys Eule. Sein Geld hatte gerade dafür gereicht, einen eigenen Zauberstab und die restlichen benötigten Sachen gebraucht zu kaufen. Das machte seinen Umhang ein wenig zu kurz, doch es würde nicht allzu sehr auffallen. Mühevoll hatte er gerade alles Gepäck in einem leeren Abteil des Zuges verstaut, als er seinen Namen hörte. „Draco!" Das war nicht Harry. Zögernd kletterte er aus dem Zug und sah auf dem Bahnsteig ein Paar mit dem gleichen blonden Haar, wie er es hatte, stehen. Waren vielleicht seine Eltern gekommen? Ungeduldig winkten sie ihn zu sich herüber. „Draco", begann der Mann steif. Unsicher stand Draco da, bis er eine kleine Geste der Frau wahrnahm, und sich eilig verneigte. „Sir?" „So treffen wir uns persönlich." „Sir." Ohne Interesse betrachtete der Mann ihn. „Siehst gesund aus." Er ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen, während die Frau ihm ein kleines Lächeln schenkte und seine Hand drückte. „Sei brav, Draco." „Ja, Ma'am." Erfreut und verwirrt kletterte er zurück in den Zug, kurz bevor der losfuhr. Schnell ging er zurück zum Abteil, wo bereits Harry und der Junge von vorhin – Ron – saßen. Letzterer war hellauf begeistert. „Ich kann nicht glauben, dass du wirklich Harry Potter bist. So cool!" Er wandte sich an Draco. „Und du bist sein Diener? Im Ernst?!" Er begann zu lachen, auch Harry grinste. „Ja", erwiderte Draco bloß. Es war schön, dass Harry einen richtigen Freund gefunden hatte, auch wenn er den persönlich nicht sehr sympathisch fand. „Wo warst du gerade?", fragte Harry ihn schließlich. „Ich habe meine Eltern kennengelernt, Master. Sie waren auf dem Bahnsteig." Draco hielt sich ein wenig zurück. Er wollte gerne alles darüber erzählen, doch wusste nicht, ob Harry daran interessiert war, es zu hören. Tatsächlich wandte der sich zurück zu Ron und führte deren unterbrochene Konversation fort. Draco setzte sich auf einen Platz bei der Tür, weit von den Beiden entfernt und ließ seine Gedanken schweifen. Er war unglaublich nervös. Was, wenn alle ihn so kritisch anstarrten, wie jetzt schon? Jedermann schien Vorurteile oder Ansichten über seine Familie zu haben und auf ihn zu projizieren, obwohl er nicht mal bei ihnen aufgewachsen war. Langsam schlich sich sein Bewusstsein weg und er begann, zu dösen. So bemerkte er nur leicht, wie ein Mädchen kurzzeitig das Abteil betrat, ihm aber auch keine Beachtung schenkte. „Draco!", riss Harry ihn schließlich aus seinem Halbschlaf. „Wir müssen uns umziehen." Ein Gähnen unterdrückend zog Draco sein Hemd, ohne es aufzuknöpfen, über den Kopf. Seine Eltern schickten regelmäßig ein kleines Wesen vorbei, das ihn Maß nahm, um später mit passenden Hemden und Hosen zurück zu kommen. Er hatte gelernt, dass ein sauberes, adrettes Auftreten, vor allem als Diener, sehr wichtig war. Harry zog scharf Luft ein, als er mit nacktem Oberkörper dastand und nach dem Hemd derSchuluniform fischte. „Ich wusste nicht, dass du so...", begann er, doch unterbrach sich mit hochrotem Kopf. Schnell knöpfte Draco das kurze Hemd zu, dass trotzdem nicht zu eng war, sondern sich gerade in einer angenehmen Enge an seinen Körper anschmiegte. „Du kriegst bestimmt schnell eine Freundin", murmelte Harry, woraufhin Draco seine mandelförmigen Augen leicht zusammenkniff. Das war das Maximum an Unstimmigkeit, was er wagte, zu zeigen. „Du glaubst es nicht?", hakte Harry nach, der Dracos kleine Gesten auswendig kannte. „Nun...", stammelte Draco. „Es ist nicht so, dass ich widersprechen möchte, Master, aber aufgrund meiner bisherigen Erfahrung..." „Harry hat recht. Bei deinem Aussehen...", mischte Ron sich ein. Mit hochrotem Kopf zog Draco seinen Umhang an. Er war doch bemerkbar zu kurz. Rons Sachen waren ebenfalls zu klein, nur Harrys passten. Das Gespräch wurde fortgeführt, bis sie angekommen waren.

A Servant's Duty (Deutsch)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt