Eins

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~This all or nothing really got a way of driving me crazy~

"Paige, jetzt steh endlich auf! Du willst doch nicht direkt an deinem ersten Tag zu spät kommen!"

Doch, genau das ist es, was ich will. Ich will nicht zur Schule. Ich will bloß den lieben langen Tag im Bett verbringen.

Aber wie ich meine Mutter kenne, hätte sie mir das sowieso nicht erlaubt und hätte mich früher oder später mit irgendwelchen altmodischen Foltermethoden wie „Eimer kaltes Wasser über den Kopf kippen" aus dem Bett gejagt. Da stehe ich dann doch lieber freiwillig auf.

Stöhnend schlage ich meine Bettdecke zurück und stehe auf. Ich öffne meinen Kleiderschrank und überlege, was ich anziehen solle.

Nach mehreren Minuten entscheide ich mich für eine schlichte, hellblaue, kurze Jeans und ein rotes Spaghettiträger-Top.

Auf dem Weg zu meinem Badezimmer stoppe ich an meinem Nachttisch, um mein Handy mitzunehmen. Ich öffne die „Musik"-App und starte meine Playlist, welche über eine Box neben dem Waschbecken abgespielt wird. Leise fange ich an, mein Lieblingslied „Fireflies" mitzusingen.

Ich ziehe mich um, stelle mich vor den Spiegel und suche meine Schminksachen.

Genervt stelle ich fest, dass ich bisher nur meinen Concealer und meine Lieblingsmascara aus den Umzugskartons geräumt habe.

Zurück in meinem Schlafzimmer muss ich mich durch drei der Kartons wühlen, bis ich meine Schminke finde.

Als ich mein Badezimmer wieder betreten will, stoße ich mir fast den kleinen Zeh am Türrahmen an, kann mich aber im letzten Moment vor den qualvollen Schmerzen bewahren, indem ich, ungefähr zwei Zentimeter bevor mein Zeh das Holz treffen würde, meinen Fuß weg ziehe, wodurch mein Oberkörper nach vorne kippt und mein Gewicht sich nach vorne verlagert. Leider habe ich aber den Gleichgewichtssinn einer Papaya, wodurch ich auf meinen wunderschönen Hintern falle. Stöhnend lasse ich meinen Kopf in den Nacken sinken und für einen kurzen Moment genieße ich die Fußbodenheizung, die die Fliesen unter meinem Hinterteil erwärmt.

Schwerfällig hieve ich mich wieder hoch und fange an, mich zu schminken.

Nachdem mein Gesicht eine einigermaßen akzeptable Farbe angenommen hat und meine Wimpern getuscht sind, um mich ein bisschen wach aussehen zu lassen, packe ich meine Sachen zusammen und räume sie in meinen Schrank.

Schnell greife ich noch nach einem Paar schwarz-weißer Old Skool Vans und meinen Rucksack und mache mich auf den Weg die Treppe herunter. Ich stelle beides im Flur ab und gehe zu meinen Eltern in die Küche. Mein Vater sitzt am Küchentisch und liest eine Zeitung und meine Mutter steht am Herd und brät Bacon. Auf dem Tisch steht schon ein Brotkorb voll mit Weißbrot, eine Schüssel mit Rührei, ein Teller mit Spiegeleiern, Pancakes, Massen an Marmeldaden, Müsli und Milch.

"Seit wann frühstücken wir denn unter der Woche zusammen? Und vor allem so ausgiebig?", frage ich verwirrt und setze mich gegenüber meines Vaters an den reich gedeckten Frühstückstisch.

"Das machen wir nur heute, aber das hilft dir beim Einstieg in die Schule", antwortet meine Mutter und stellt mir einen Teller mit dem gerade gebratenen Bacon vor die Nase.

"Wie soll mir ein Frühstück mit meinen Eltern beim Einstieg in die neue Schule helfen?"

"Wenn du jetzt genug frühstückst, startest du mit genug Energie in den Tag und es wird dir viel leichter fallen", meint meine Mutter.

Skeptisch schaue ich zu meinem Vater. "Guck mich nicht so an. Ich habe keine Ahnung was sie von uns will", erwidert er schnell.

"Ja, aber ich dachte du würdest sie vielleicht verstehen. Ich meine, du hast sie geheiratet", rechtfertige ich mich.  Meine Mutter sagt nichts mehr, sondern schüttelt den Kopf und fängt an zu essen.

Nach dem Frühstück räume ich meinen Teller in den Geschirrspüler, verlasse die Küche, laufe die Treppe hoch und putze mir schnell im Badezimmer die Zähne. Ich hole mein Handy und meine Kopfhörer aus meinem Zimmer und renne wieder runter in den Flur. Bevor ich meinen Rucksack über meine Schulter schwinge und das Haus verlasse, verabschiede ich mich noch kurz von meinen Eltern.

Ich ziehe die Haustür hinter mir zu, stöpsel meine Kopfhörer an mein Handy, stecke sie mir in die Ohren, starte meine Playlist erneut und mache mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Auf dem Weg dorthin sehe ich riesige Einfamilienhäuser, wie das, in dem ich von nun an mit meinen Eltern wohne. Viele haben einen einen großen Garten, Balkone, Terassen. Auf den Auffahrten stehen teure Autos, die meisten Gardinen sind zu gezogen, auf der Straße ist nicht ein Mensch unterwegs, das Einzige was ich höre, ist meine Musik.

An der Bushaltestelle stehen bereits zwei Jungen, die vermutlich zwei Jahre jünger sind als ich und ein Mädchen, das ungefähr genauso alt ist wie ich. Die beiden Jungs unterhalten sich über irgendwas. Genauer gesagt, der eine Typ redet auf den Anderen ein, während der andere Junge irgendwas an seinem Handy macht. Das Mädchen tippt ebenfalls auf ihrem Handy herum und keiner der Drei bemerkt meine Ankunft.

Unauffällig stelle ich mich daneben und schaue mich um. Auf der Straße, an der die Haltestelle steht, fährt ungefähr alle dreißig Sekunden mal ein Auto. Von meinem Bus ist allerdings noch nichts zu sehen.

Nach fünf Minuten, in denen noch ein Junge, etwas älter als ich dazu gekommen ist, kommt er dann aber zum Glück schon. Der gelbe, unübersehbare Schulbus biegt um die Ecke und fährt auf uns zu. Er hält direkt vor uns und öffnet die Türen.

Nacheinander steigen wir alle ein. Da der Bus schon absolut überfüllt ist, denke ich im ersten Moment, dass ich die gesamte Fahrt über stehen müsse, doch dann entdecke ich noch zwei frei Plätze in der letzten Reihe. Schnell drängel ich mich an den ganzen kleinen, schreienden Kinder vorbei nach hinten, bevor ich mich glücklich seufzend auf den Sitz fallen lasse und meine Augen schließe.

"Ähm... entschuldigung? Kann ich mich zu dir setzen?" Die weibliche Stimme neben mir lässt mich zusammenzucken und sie ansehen. Das Mädchen von meiner Bushaltestelle steht auf dem Gang und guckt mich an.

"Ja, klar." Ich rutsche rüber auf den Platz am Fenster und stelle meinen Rucksack auf den Boden. Dankbar lächelt sie mich an und lässt sich neben mir nieder.

Auf dem Weg zur Schule nervt mich meine Playlist zwei mal an, weshalb ich erst die Playlist wechsel, doch letztendlich meine Kopfhörer ganz rausziehe und in meinem Rucksack verschwinden lasse.

Am Ende der Busfahrt schiebe ich mich zusammen mit den anderen Schülern aus dem gelben, fahrenden Untersatz heraus, schaue mich kurz um und erkenne sofort, wo ich hin muss. Auf der anderen Seite der Straße stehen mehrere riesige grau-braune Kasten an denen die Buchstaben "FCHS" pranken.

Someone You LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt