Drei

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~Somebody to know~

Vorsichtig sehe ich auf und schaue erneut in die klaren, blauen Augen. Diese fixieren die Blondine neben mir.

"Diesen Samstag nicht. Familienessen", antwortet der Angesprochene Silas entschuldigend.

"Pff, gut, dann machen Paige und ich einen Mädelsabend, oder?" Erwartungvoll schaut sie zu mir rüber und in ihren grünen Augen erkenne ich ein Glitzern. Ich lächle leicht und nicke.

Glücklich klatscht Chloe in die Hände und schreit aufgeregt auf. "Super! Nur Netflix, Eis und wir beide!" In meinem Augenwinkel kann ich einen verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht von Silas erkennen. Überzeugt wende ich mich ganz meiner neuen Freundin zu und lächle sie ehrlich an.

"Gut, der Unterricht ist beendet. Ich bitte eine Person jeder Gruppe, zu mir nach vorne zu kommen und mir das Thema zu nennen, für welches ihr euch entschieden habt", unterbricht unser Lehrer unsere Unterhaltung.

"Adam, deine Aufgabe", weist Chloe an. "Paige, wir haben Englisch." Schnell packt sie ihre Sachen zusammen. "Jungs, wir sehen uns beim Essen. Bis später." Auch ich mache mich daran, alle meine Sachen in meinen Rucksack zu stopfen und wende mich gerade zum Gehen, als Chloe sich auf ihre Zehenspitzen stellte und Adam zu sich runter zog, um ihm einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Beschämt lasse ich meinen Blick durch den Klassenraum schweifen. Für einen kurzen Moment lag er auf Silas, welcher mich mit hochgezogenen Augenbrauen angrinste. Meine Wangen erröten und sehe schnell runter zu meinen Füßen. Die Sohle meiner Schuhe hat sich vorne an einigen Stellen beeits braun gefärbt. Das Schwarz ist unregelmäßig. Eines der Enden des rechten Schnürsenkels war dabei, sich aufzulösen.

"Paige, kommst du?" Bei dem Klang von Chloes Stimme sehe ich erschrocken auf. "Englisch." Mit dem Kopf nickt sie in Richtung der Tür. Mit gesenktem Blick schiebe ich mich an Adam und Silas vorbei. Neben Silas atme ich tief ein. Ich rieche etwas, was nach einem gemütlichen, winterlichen Sonntagabend vor einem Kamin mit einem guten Buch in der Hand riecht. Für einen kurzen Augenblick schließe ich die Augen, um mir das Bild in meinem Kopf vorzustellen. Die Vorstellung gefällt mir sehr.

Schweigend komme ich bei Chloe an, welche mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht einen Arm um die Schulter legt und mich mit sich auf den Flur zieht. "So, wir machen einen Zwischenstopp bei meinem und deinen Schließfach und dann machen wir uns auf den Weg zu Englische Literatur", erzählt sie. "Und hier ist schon der erste Zwischenstopp." Die Blondine hält vor dem Schließfach mit der Nummer 516, löst ihren Arm von mir und öffnet ihren Spind. Schnell tauscht sie das orangene Geschichtsbuch gegen das blaue Englischbuch und schlägt die Metalltür wieder zu.

"Silas gefällt dir, oder?" Sie geht ein kleines Stück vor mir und sieht mich über ihre Schulter hinweg grinsend und mit hochgezogenen Augenbrauen an. Verwirrt ziehe ich meine Augenbrauen zusammen und lege meine Stirn in Falten. "Ach, komm schon, ich hab doch gesehen, wie du ihn angeschaut hast", sagt Chloe, während sie sich selbstsicher wieder nach vorne dreht. "Und der zweite Zwischenstopp." Sie deutet auf mein Schließfach, vor dem sie steht.

Kurz fummle ich an dem Schloss des Spindes herum, bevor ich ihn öffne, die beiden Bücher gegeneinander austausche und ihn schnell wieder schließe.

"Na, dann haben wir wohl mal eine Stunde Spaß mit Jane Austen's "Stolz und Vorurteil"", meinte Chloe augenverdrehend und nickt mich mit sich.

"Glück in der Ehe ist allein eine Sache des Zufalls", erwidere ich, während ich sie bewusst nicht ansehe und meinen Blick durch den Flur wandern lasse. Ich sehe mir die Schüler meiner neuen Schule an. Die meisten hetzen durch die Gegend, manche unterhalten sich bei einer kurzen Pause an ihren Schließfächern, ein paar wenige Mädchen werden von ihrem Freund an irgendeine Wand gedrückt und knutschen herum.

Im Augenwinkel kann ich erkennen, dass Chloe mich bewundernd ansieht. "Du hast das Buch gelesen?", fragt sie. Ich schaue ebenfalls zu ihr und nicke. "Super, ich hab's nämlich nicht gelesen." Sie grinst mich an. "Und hier sind wir." Sie drückt die Türklinke der Tür, vor der wir stehen geblieben sind, herunter. Mit einer Handbewegung macht sie mir klar, dass ich vor ihr den Raum betreten solle.

Sobald ich in das Klassen zimmer trete, sehe ich mich um. Auch hier sind die meisten Schüler schon anwesend. Ein paar von ihnen habe ich schon im Geschichtsunterricht gesehen. Der Gedanke daran, dass ich mich gleich wieder vorstellen müsste, lässt mich leise seufzen.

Ein Ruf reißt mich aus meinen Gedanken: "Chloe!" Ich sah umher, um zu erkennen von wo die männliche Stimme kam. Ein Junge in der letzten Reihe sieht zu der Blondine neben mir und nickt zu den freien Stühle neben sich.

Chloe greift nach meinem Handgelenk und zieht mich mit sich zu dem Jungen in der letzten Reihe. "Kyle! Wie war Deutschland?", begrüßt sie ihn und fällt ihm stürmisch um den Hals. Kyle, wie sie ihn genannt hat, schlingt ebenfalls freudestrahlend seine Arme um sie, was zugegeben ziemlich merkwürdig aussieht. Der Typ muss mindestens 1,95 m groß sein und Chloe ist kleiner als ich. Und ich bin schon klein.

"Und wer bist du?", fragt der Zwei-Meter-Typ an mich gerichtet mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.

"Paige."

"Hi, ich bin Kyle." Während er das sagt überbrückt er mit einem Schritt den Abstand zwischen uns und hält mir seine Hand hin. Zögernd nehme ich sie und schüttel sie leicht, auch wenn mein Hand fast in seiner verschwindet. Ich bin unschlüssig, ob ich ihm in die Augen sehen sollte und so eine Nackenstarre riskieren sollte oder einfach auf seine muskulöse Brust starren sollte, welche auf meiner Augenhöhe ist. Letzteres ist keine gute Idee, denn bei den klar definierten Brust- und Bauchmuskeln, die ich unter seinem enganliegenden weißen T-Shirt erkennen kann, kann ich nicht dafür garantieren, dass ich meinen Körper unter Kontrolle habe.

Schnell reiße ich also meinen Blick von seinem Oberkörper los und sehe in seine stechenden, hellblauen Augen, die aber überhaupt nicht einschüchternd wirken, sondern ganz im Gegenteil freundlich und einladend aussehen. Seine dunkelbraunen Haare sehen aus, als habe er heute Morgen in den Spiegel gesehen und sich gedacht: "Alles klar, hier ist sowieso nichts mehr zu retten." Mindestens fünf Wirbel sorgen dafür, dass die einzelnen Strähnen in alle möglichen Richtungen abstehen. Einige fallen ihm in die Stirn und ein paar von ihnen sind sogar lang genug, um seine langen, schwarzen Wimpern zu streifen.

Seine schön geschwungenen, rosanen Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Er löst seine Hand von meiner und dreht sich wieder zu Chloe um. Ich komme nicht umhin zu sagen, dass er wirklich gut aussieht.

"Und dieser schlechtgelaunte, niemals lachende und immer mit seinem Handy beschäftigte Junge ist Jason", fährt Chloe fort.

Der dunkelblonde Typ, der neben Chloe auf einem Stuhl sitzt, sieht von seinem Handy auf und schaut in ihr Gesicht. "Du hast gut aussehend vergessen", erwidert er, ohne ein Miene zu verziehen und wendet sich wieder von uns ab. In dem kurzen Moment, in dem ich sein Gesicht erkennen kann, fallen mir seine ausgeprägten Kiefer- und Wangenknochen auf.

Someone You LovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt