Kapitel 1

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"Das kann doch wohl nicht wahr sein!", fluchte ich im Auto vor mich hin. Heute war anscheinend wieder ein Seniorentreffen und alle parkten sie ihre Autos vor dem Laden, in dem ich arbeitete.

"Nur nicht ausrasten. Nur nicht ausrasten.", plapperte ich mein Mantra runter. Mein Griff am Lenkrad verfestigte sich und ich biss mir auf die Unterlippe. Das bedeutete, dass ich wieder einmal vor der Konditorei stehen bleiben musste, denn dort parkten die Senioren nie. Das fand ich wahrlich ungerecht, doch meine Chefin schaffte es einfach nicht, dass sie ihre Autos wo anders parkten. Immerhin kamen einige Senioren nach ihrem Treffen zu uns ins Geschäft, um sich neuen Garn oder Wolle zu holen.

"Ich stelle mein Auto nach dem Treffen einfach wieder weg.", sagte ich zu mir selbst, denn ich wusste, wie sehr es die Mitarbeiter in der Konditorei hassten, wenn ich meinen weißen Hyundai dort parkte. Sie benötigten ohnehin nie alle Parkplätze, also wusste ich nicht, warum sie sich immer so aufregen mussten. Trotz unzähliger Mahnungen, parkte ich laufend dort.

Ich stieg aus meinem Auto aus und seufzte laut auf. Heute war definitiv nicht mein Tag und mit dem falschen Fuß war ich sowieso aufgestanden. Dann war auch noch mein Parkplatz belegt und ich wusste jetzt schon nicht, wie ich den Tag überstehen sollte. Es war gerade einmal neun Uhr morgens, und ich wollte am liebsten in mein Bett zurück.

Ein Glöckchen klingelte, als ich den kleinen Bastelladen betrat, in dem ich arbeitete. Hauptsächlich verkauften wir Wolle, Garn und Co, doch auch Bastelsachen für Kinder und Erwachsene ließen sich gut verkaufen.

"Guten Morgen Marie. Ich weiß, du musstest wieder bei der Konditorei parkten, aber ich verspreche, ich regle das.", begrüßte mich meine Chefin, die gerade einmal zehn Jahre älter war als ich. Dieses Versprechen machte sie mir immer, wenn unsere Parkplätze belegt waren, deswegen wusste ich es schon besser. Ich wusste, dass heute irgendwann jemand vom Laden gegenüber zu uns kommen würde, um mir eine Predigt zu halten, dass ich bei ihnen nicht zu parken hatte.

"Jetzt muss ich dich allerdings alleine lassen, da ich einen Termin beim Arzt habe.", meinte meine Chefin und ließ mich alleine zurück. Meistens war ich alleine, denn so viele Kunden pro Tag hatten wir nicht. Den größten Umsatz den wir machten, war durch Internetbestellungen, und das lief wirklich gut. Deswegen setzte ich mich sogleich an den Computer und schaute mir die Bestellungen an. Über das Wochenende tat sich immer einiges, sodass ich nun elf Bestellungen nachzugehen hatte.

Anhand der vielen Bestellungen und drei Anrufen, verging die Zeit relativ schnell. Kurz vor Mittag, kamen dann auch die ersten Senioren in das Geschäft. Eine ältere Dame, eine unserer Stammkundinnen, kam direkt auf mich zu.

"Guten Mittag, Frau Edlinger.", begrüßte ich sie freundlich.

"Guten Tag, mein Kindchen. Habt ihr noch diese blaue Wolle, die ich letzte Woche gekauft habe?"

"Natürlich." Ich grinste. Seit den letzten Wochen fragte sie mich immer dasselbe. Frau Edlinger war nämlich gerade dabei eine blaue Decke zu stricken und die wollte sie in einer einheitlichen Farbe haben. "Ich gehe sie schnell holen.", meinte ich, und kam Sekunden später mit der gewünschten Wolle zurück. "Möchten Sie gleich zwei Stück mitnehmen?"

"Nein danke. Sollte ich noch eine brauchen, komme ich nächste Woche wieder." Ich musste grinsen. Denn das wurde mir von ihr jedes Mal versprochen, wenn sie sich eine Wolle kaufte. Nie wollte sie zwei Stück mitnehmen, immer eins nach dem anderen.

Als die fünf älteren Damen gegangen sind, jede hatte etwas eingekauft, schaute ich kurz auf die Uhr. Es war nur wenige Minuten vor Mittag. Eigentlich müsste meine Chefin jeden Augenblick kommen, denn ich wollte mein Auto unbedingt umstellen. Vielleicht vergaßen die Mitarbeiter von Gegenüber dann, dass ich mich vormittags bei ihnen geparkt hatte. Auch wenn ich es bezweifelte.

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