"Gut, dass du da bist, Marie. Du glaubst ja gar nicht, was heute los ist. Eine Bestellung nach der anderen trudelt herein.", wurde ich von meiner Chefin begrüßt.
Arbeit war genau das, was ich im Moment brauchte. Noch dazu, da ich wirklich schlecht geschlafen hatte. Mein Frühstück fiel heute mehr oder weniger auch aus, da wir zuhause kaum noch etwas zu Essen hatten. Ich wusste, dass ich für den Einkauf zuständig war, doch ich war die letzten Tage einfach nicht dazugekommen. Vielleicht würde es sich heute nach der Arbeit noch ausgehen, auch wenn ich lieber vormittags einkaufen ging. Allerdings hatte ich heute verschlafen und bin viel zu spät aufgewacht, sodass sich das Einkaufen nicht mehr ausgezahlt hätte.
"Machst du Bestellung vier und fünf?", wollte meine Chefin wissen und ich nickte.
"Ja, wird gemacht." Ich lächelte und schaute mir die langen Listen an. Da hatte jemand vor, richtig viel zu basteln. So lange Listen bekamen wir meistens dann, wenn eine Feier anstand. Meist waren es Kindergeburtstage, aber auch Hochzeiten. Wir hatten wirklich viele schöne Bastelsachen und Bastelideen, was Hochzeiten anging.
"Ist es für dich in Ordnung, wenn ich jetzt Mittag geh? Aber ich bin von heute Vormittag schon so fertig."
"Du hast hier das Sagen, nicht ich.", lachte ich, während meine Chefin sich die Jacke anzog.
"Aber du weißt doch, dass wenn du Hilfe brauchst, ich dich niemals alleine lassen würde."
"Das weiß ich doch. Aber als bräuchte ich Hilfe." Ich grinste und schüttelte belustigt meinen Kopf. Mittlerweile war ich in diesem Laden schon so lange angestellt, dass ich jede Ecke und jeden Artikel in und auswendig kannte.
Die Zeit verging wie im Flug, als ich eine Bestellung nach der anderen abfertigte. Bestellung Nummer sieben hatte anscheinend vor eine ganze Patchworkdecke zu häkeln, da Unmengen an Wolle bestellt wurden. Bestellung Nummer neun war komplett durcheinander. Ein paar Glitzersteinchen, dann wieder eine Wolle, dann ein paar Blätter Buntpapier, und so weiter. Aber ich mochte es, die ganzen Bestellungen anzuschauen und mir auszudenken, was die Personen mit unseren Artikeln wohl machen würden.
Das Glöckchen klingelte und ich wandte mich von meinem Karton weg. "Guten Tag!", begrüßte ich den Kunden, der sich bald schon als Lukas herausstellte. "Oh du bist es. Was machst du hier? Ich habe heute nicht bei euch geparkt, das wüsste ich." Ich zog meine Augenbrauen nach oben und starrte ihn an. Wenn ich ihn nicht so dermaßen unsympathisch fand, dann war er eigentlich ganz hübsch. Er hatte einen sexy Körperbau, tiefschwarzes Haar und dunkelbraune Augen. Er hatte Wangenknochen, die sich jede Frau wünschte und perfekte Wimpern. Alles in allem, sah er wirklich gut aus. Alleine der Gedanke daran, dass ich mir über ihn den Kopf zerbrach, ließ Röte in mein Gesicht steigen. Schnell drehte ich mich weg und widmete mich meinem Karton.
"Für unseren Ball brauchen wir noch dicke Wolle. Also so richtig dicke Wolle. Habt ihr sowas?" Meine Bemerkung ließ er einfach links liegen.
"Du fragst ob wir Wolle haben?" Mir entkam ein Lachen. "Wenn du dich umschaust, dann wimmelt es hier nur so von Wolle." Ich zog meine Augenbrauen hoch und musterte ihn abermals. Ihn schien es irgendwie zu stören, dass ich mich über ihn lustig machte.
"Ich hatte gehofft, dass du mir hilfst, damit ich so schnell wie möglich von hier verschwinden kann.", meinte er, während er sich in Richtung Wolle bewegte.
"Ja natürlich, entschuldige. Also welche Farbe braucht ihr?" Ich ging nun neben ihm und roch zum ersten Mal seinen männlichen Duft. Irgendwie roch er heute anders als sonst. "Arbeitest du heute nicht?" Die Frage entkam mir einfach, ohne, dass ich sie wirklich stellen wollte.
Lukas blieb stehen und schaute mich an. Nun war er derjenige, der mich belustigt, aber auch zugleich gelangweilt anstarrte. "Sieht meine Kleidung etwa danach aus, als würde ich heute arbeiten?"
"Äh, nein." Ich schaute weg und musste schlucken. Ich unterhielt mich wirklich ungern mit ihm. Er schüchterte mich jedes Mal aufs Neue ein, auch wenn ich ihm immer patzig antwortete. Dennoch hatte er irgendetwas an sich, was mich einschüchterte.
"Und zu deiner anderen Frage, die viel wichtiger ist: Wir bräuchten braun. Am besten in allen möglichen Tönen."
"Wir haben fünf verschiedene Brauntöne. Wie viel Stück braucht ihr denn?"
"Ich würde sagen sieben von jedem Braunton." Ich schaute ihn mit großen Augen an.
"Also von den normalen Wollen, haben wir genügend da, aber von den ganz dicken Wollen, haben wir nicht von jedem Braunton sieben Stück. Die müsste ich bestellen und wäre frühestens nächste Woche da." Ich biss mir auf die Unterlippe, da ich nervös wurde. Nervös, weil er mich anschaute, als wäre ich die unkompetenteste Person auf dem ganzen Planeten.
"So lange dauert das? Aber ich nehme von jedem Braunton eine Wolle mit. Das müsste für den Anfang reichen.", meinte er, und ich nickte. Ich nahm die Wolle und ging damit zur Kassa.
"Für welchen Ball ist das denn?" Versuchte ich ernsthaft eine Konversation mit diesem Kotzbrocken aufzubauen? Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum ich das gerade tat.
"Für den Rot-Kreuz Ball. Die Plakate kannst du so ziemlich überall finden. Sag bloß, du hast es noch nicht gelesen?"
"Natürlich, hab ich schon davon gelesen. Mich überrascht es gerade nur, dass du beim Roten Kreuz bist. Du kommst nicht so menschenfreundlich rüber." Ich hoffte, dass ich das nicht laut gesagt hatte, doch mein Mund war wieder einmal schneller gewesen.
"Oh wow, danke für das Kompliment. Kann ich jetzt einfach die Wolle bezahlen? Und wenn die Bestellung da ist, ruf mich einfach an, damit ich sie abholen kann."
"Ja klar, tut mir Leid." Ich biss mir wieder auf die Lippe, und starrte auf den Kassabildschirm. Ich konnte Lukas nicht mehr in die Augen schauen, da ich ansonsten wieder ziemlichen Blödsinn geredet hätte.
"Man sieht sich.", verabschiedete sich Lukas.
"Tschau, und danke für den Einkauf.", stammelte ich, doch da war er schon aus dem Laden verschwunden.
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You are my lifesaver
RomanceMarie ist jung und bildhübsch, doch sie ist einsam. Sie hat mit etwas zu kämpfen, über das sie mit niemanden reden kann. Doch dann taucht plötzlich jener junge Mann auf, welchen sie überhaupt nicht ausstehen kann. Lukas. Er zeigt ihr wie schön und v...