Natsume hätte nie und nimmer erwartet, dass es ein weiteres Mal geben könnte.
Der weißhaarige Ayakashi hatte in den vergangenen Jahren mehr erlebt, als die Meisten in seinem Alter. Er hatte seine Eltern verloren, als diese sich die Dreistigkeit nahmen, den damaligen Meister des Waldes anzugreifen; zusammen mit ihren gesamten Untergebenen. Es war an sich wirklich kein schlechter Plan gewesen, er hatte bloß einen entscheidenen Fehler gehabt: Sie hatten die Kraft des Ayakashi maßlos unterschätzt. Und er hatte sie alle gefressen.
Natsume hatte nur überlebt, weil er sich an diesem Tag zufällig mit zwei anderen Kindern weggeschlichen hatte, um auf dem Spielplatz der Menschen (damals noch: seinem Spielplatz) zu spielen. Als er dann schließlich zurück nach Hause kam, sich darauf gefasst machte gewaltigen Ärger zu bekommen, wurde er dort schon vom Mörder seiner Eltern erwartet.
Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er vor der riesigen, fuchsähnlichen Gestalt erzittert war, sich kaum auf den Beinen halten konnte. In diesem Augenblick hätte sein Leben enden müssen. Und er konnte heute noch schwören, dass er dem Tode noch nie so nahe gewesen war, wie zu diesem Zeitpunkt.
Doch zu seinem Glück, hatte sich der Ayakashi im letzten Moment anders entschieden.
Hatte ihn mit der Pranke gepackt und laut verkündet, er wäre von nun an sein Schüler.
Warum Sensei ihn nicht einfach auch gefressen hatte (nicht, dass er blöd genug war um nachzufragen), blieb dem weiß Haarigen, der gerade dabei war den Namen seines besiegten Gegners seiner Sammlung beizufügen, bis heute ein Rätsel.
Vielleicht war es Mitleid gewesen, das ihn dazu verleitet hatte den Menschen zu verschonen, ihn zum Ayakashi zu machen.
Doch so wie ihn sein Meister manchmal im Rausch angestarrt hatte, glaubte er mittlerweile, dass es was mit einem Mädchen zu tun gehabt hatte; möglicherweise einem, dem er ähnlich sah oder so. (Leider waren so gut wie alle Daten über seine Familie im Feuer damals vernichtet worden. Nicht, dass er wirklich nach ihnen gesucht hätte.)Sensei hatte ihm vieles beigebracht. Zum Beispiel, dass nichts besser schmeckte, als ein besiegter Gegner.
Oder, dass es immer besser war zu provozieren, als provoziert zu werden.
Oder (und darauf war sein Meister besonders Stolz), dass es weise war, sich dem Willen eines Stärkeren, widerstandslos zu beugen.Nicht, dass es Sensei jetzt noch kümmern würde, was der weiß Haarige machte, nun, da er endlich von seinen Krallen befreit war.
Natsume schüttelte den Kopf. An den alten Kater zu denken, würde ihn auch nicht wieder zurück bringen.
Dennoch stach es so seltsam in seiner Brust, als er den Grabstein seines Lehrers in weiter Ferne funkeln sah. (Wie ein Thron klaffte er zwischen den Bäumen hervor, ganz wie es diesem extravaganten Wesen gefallen hätte.)Der Schmerz war noch schlimmer als der, den Taki verursacht hatte, als sie ihm sagte, sie wäre nun offiziell mit Tanuma, dem Menschen den sie offenbar schon seit Kindheitstagen kannte (welch Zufall, da gab es noch jemanden!), zusammen. Es hatte ihn wütend gemacht, solch einen Schmerz zu spüren, den er nicht recht nachvollziehen konnte.
Als Reaktion darauf hatte er ihnen viel Glück gewünscht und gleich darauf alle Erinnerungen an ihn aus ihrem Gedächtnis gelöscht, das Gleiche noch
in derselben Stunde bei allen anderen Menschen gemacht, welche ihn kannten.
Er hatte sich in dem Moment furchtbar verraten von Taki gefühlt, aber gleichzeitig nicht verstanden, wieso er sich verraten gefühlt hatte.
Später, als er sein kurzes, 6 Jahre langes Leben als Mensch bei Leuten die ihn echt gern gehabt hatten (Kinderlose Leute, denen er wahrscheinlich bloß Probleme gemacht hatte.) wieder aufgegeben hatte und mit Sensei in den Wald zurück gekehrt war, wurde es ihm endlich klar:
Er hatte sich in das Mädchen verliebt!Wütend warf Natsume einen Stein über den See, ließ ihn mit ganzer Kraft auf einen Baum krachen. Er warf noch einen.
Wieso war er am selben Tag nicht wieder zurück gegangen? Natürlich stand er in der Schuld von ihr, aber er war trotz allem immer noch ein stolzer, mächtiger Ayakashi! Er hätte sie zu seinem machen können. Er hätte sie zu seinem machen sollen!
Aber er war nur einfach feige davongelaufen.
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Natsume Yuujinchou
FanfictionAuch so, war es schön friedlich hier im Wald. "Uhm... Verzeihung?" Aber irgendwas musste den Frieden ja immer stören.