Akt IV.- Feuer vom Himmel

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Es vergingen einige Tage, in denen Justus sich weiterhin zwang, nicht mehr an die Begegnung auf der Wiese zu denken. Doch manchmal, während besonders langweiliger Schulstunden, konnte er gar nicht anders.

Die Frage, ob der Durchgang noch immer da war, ließ ihn nicht los und als er und seine Mitschüler an diesem Nachmittag vom Lehrer entlassen wurden, hatte der Junge den Entschluss gefasst, nicht erst die Tasche nach Hause zu bringen, sondern direkt zum Spielplatz zurückzugehen.

»Eh, Justus«, der nervige Konrad rief dem Jugendlichen wieder hinterher und dieser stoppte.

»Was gibt's? Wieder Waschtag?«

»Neee, aber wohin so eilig? Bohneneintopf? Oder hast du irgendwo eine Riesensause, die du nicht mit uns teilen willst?«

Justus musterte den etwas pummeligen Jungen. Dass er trotz des knappen Essens so wohlgenährt aussah, hatte den Jugendlichen immer gewundert. Schließlich nickte er leicht.

»Ja, hab' ich tatsächlich.«

Konrad und seine Kumpels bekamen leuchtende Augen. Alles, was sie von der tristen Langeweile ablenkte, war ihnen willkommen, je spannender, desto besser.

»Na, sag' schon!«, japste der Pummelige und Justus seufzte.

»Ich hab' vor 'n paar Tagen was Interessantes auf dem Spielplatz an der Ebermann-Straße gefunden. Wollt ihr mitkommen? Ich will sehen, ob es noch da ist.«

Eigentlich hatte er zwar keine Lust, diese lauten Burschen bei sich zu haben, aber andererseits - wenn der Durchgang noch da war, würden sie vielleicht ebenso von den Fledermäusen angegriffen werden. Vielleicht würde der komische Junge, Illian, sie auch mit seinem Stock verprügeln. Justus grinste leicht, er empfand eine sonderbare schadenfrohe Vorfreude.

Während er vorging, seine Tasche über die Schulter geworfen, folgten ihm die drei Anderen lachend, lärmend und plärrend. Sie hatten ihn, seit Justus sich erinnern konnte, als einen langweiligen Bücherwurm bezeichnet, weil er lieber las anstatt sich in der Stadt herumzutreiben, sich zu raufen oder auf dem Bolzplatz einem Ball aus Lumpen hinterher zu rennen. Sie hatten immer wieder versucht, ihn in ihre Spielchen zu verwickeln, die nur sie lustig gefunden und häufig damit geendet hatten, dass Justus von ihnen herumgeschubst und gehauen worden war. Wenn er nun die Gelegenheit hatte, ihnen ein Stück davon zurückzugeben, würde Justus diese nutzen. All diese Sachen, von denen sie dachten, dass ein Junge sie machen müsste, mochte Justus nicht und das war schon immer Grund zum Spott gewesen. Seit dem Tod von Adalbert war es ihm aber egal, ob andere dies verstanden oder ihn damit aufzogen. Es war einfach nicht mehr wichtig.

»Was war es denn, was du gefunden hast?« Konrad schloss schnaufend zu dem älteren Jugendlichen auf und knuffte ihn kräftig auf den Oberarm.

»Ich weiß nicht genau. Einen Durchgang, glaube ich. Ich hoffe, er ist noch da.«

»Du bist echt ein komischer Käfer. Wo soll'er denn hin sein? Weggezaubert mit Magie?« Die Jungs lachten und Justus bereute bereits, dass er sie mitgenommen hatte.

Kurze Zeit später betraten sie das Gelände, das an diesem Tag, weil keine Sonne schien, eher wie der Hinterhof eines Gefängnisses aussah. Hier in der Gegend gab es zu viele Ruinen und unbewohnte Gebäude, deswegen kamen fast nie Kinder hier her, um zu spielen. Eigentlich war es wegen der Baustelle auch nicht erlaubt, doch die Jugendlichen kletterten einfach durch das Tor. Es scherte ohnehin niemanden.

Neugierig sahen sich Konrad und seine Freunde um, wo denn ein geheimnisvoller Eingang sein könnte und Justus zeigte schließlich auf die angrenzende Bauruine und das Betonrohr, das noch immer so aussah wie an dem Nachmittag, als er allein hier gewesen war. Irgendwie hatte der Junge erwartet, dass es sich verändert hatte, aber das war natürlich absurd.

Justus & IllianWo Geschichten leben. Entdecke jetzt