Vorgeschichte - Lucia

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Der Tag war einfach nur perfekt. Die Sonne knallte förmlich auf die nackte Haut der 6.000 Zuschauer die gekommen waren um ihren Platz auf der Tribüne einzunehmen. Der Asphalt glühte förmlich vor Hitze und ich konnte meine Aufregung kaum zurückhalten.

Heute war es so weit. Ich würde, das erste Mal ohne meinen Coach ein Rennen fahren. Nur wusste Jason, mein Coach, dass noch nicht. Er würde mir die Idee abschlagen wollen, weil er immer noch findet, dass ich nicht bereit dazu bin. Die letzten offiziellen Rennen ist er immer gefahren und ich saß daneben um ihm zuschauen zu können, doch das reichte mir nicht.

Ich wollte wie beim Training am Steuer sitzen und das Gefühl der Geschwindigkeit auf mich wirken lassen. Ich wollte den Adrenalin spüren und das am liebsten bis zu meinem Lebensende, denn im Gegensatz zu anderen war ich nicht nach Alkohol süchtig, sondern nach der Rennstrecke.

Heimlich schlich ich mich zu der Box in dem mein Auto stand, welches ich zusammen mit Liv und ihrer besten Freundin Alissa designt habe. Es war ein weißer Porsche, der an beiden Seiten rote zackenartige Flammen hatte und natürlich mit reichlichen Sponsoren oder anderen Stickern beklebt war. Ich liebte dieses Auto und bei jedem Anblick kribbelte mein Bauch, als ob ich meinen Schwarm auf dem Schulhof begegnen würde, der natürlich nicht existierte.

Ich atmete tief durch und hatte das Gefühl, dass sich mit diesem Tag alles verändern würde! Schnell schlüpfte ich in meinen Rennanzug, der farblich perfekt zu meinem Auto abgestimmt wurde, zog meinen Helm über und schaltete vorbildlich das Headset an. Ich wartete ab, bis durch die Lautsprecher im Stadion die Ansage gemacht wurde, dass sich alle 30 Rennautos auf ihre Position stellen sollen. Ich strich gedankenverloren über das Lenkrad und umklammerte es fest, bevor ich aus der Box losfuhr.

Ich würde meine Eltern und Liv stolz machen! Ich habe sie vorhin schon in der ersten Reihe gesehen, wie sie eine Cola nach der anderen tranken um bei der Hitze nicht zu verdursten. Meine Familie war Alles für mich! Sie unterstützen mich bei meinem außergewöhnlichem Hobby und steckten sehr viel Geld hinein. Wahrscheinlich lag es allerdings auch daran, dass Papa selbst Rennen gefahren ist und mich und Liv mit seinem Wahn angesteckt hat.

Als meine große Schwester uns ihren Freund vorstellte, der zu den besten jüngsten Rennfahrern gehörte, war allen klar, wo dass alles hinführen würde. Und wir hatten Recht. Jason brachte mir alle möglichen Sachen bei und trainierte fast täglich mit mir. Auch ihn wollte ich stolz machen, denn er sollte wissen, dass all seine Arbeit sich gelohnt hatte!

Motiviert fuhr ich auf meine Startposition, die Nummer 25. Obwohl ich relativ weit hinten lag, wusste ich, dass ich ein schnelles Auto hatte und dazu die richtige Strategien, die ich anwenden würde um auf den ersten Platz zu kommen.

"LUCIA!", erschrocken zuckte ich zusammen, als ich Jasons wütende Stimme aus dem Headset hörte. "Du fährst sofort wieder in deine Box! Du weißt, dass du noch nicht alleine ein Rennen fahren darfst!"

"Jason. Ich bin bereit dafür! Wir haben diese Strecke so oft geübt!"

"Lucia ich warne dich!", hörte ich seine drohende Stimme.

"Ich bin alt genug, eigene Entscheidungen zu treffen! Und somit werde ich fahren!"

"Werd jetzt nicht übermütig."

"Ich werde NICHT aus diesem Auto steigen!", versicherte ich ihm etwas lauter. "Entweder ich lasse mein Headset an und du kannst mir Hinweise geben wie ich gewinne oder ich schalte es ab!"

"Bist du verrückt geworden!?"

"1...", zählte ich runter.

"2..."

"OKAY!", Jason stimmte zu, allerdings klang er gar nicht erfreut. "Aber ich sag dir, wenn du irgendetwas tust, was ich dir nicht sage, bringe ich dich um. Abgesehen davon kannst du froh sein, wenn ich noch lebe wenn du ans Ziel kommst, weil deine Mutter mich wahrscheinlich zuerst umbringen wird!"

Ich fing an zu lachen. "Du bist der Beste, Jason! Danke!"

Jason brummte.

"Ich hab dich lieb, großer Bruder." Jetzt konnte ich es kaum erwarten, endlich ins Gaspedal zu treten und loszufahren.

Von meinem Platz aus, konnte ich das erschrockene Gesicht meiner Eltern sehen, als Liv wahrscheinlich mit Jason telefonierte und ihnen die freudige Nachricht mitteilte. Doch ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, was meine Konsequenzen sein würden. Es zählte nur dieser Moment um endlich allen beweisen zu können, dass meine Rennkarriere beginnen kann. Es dauerte nicht mehr lange bis alle auf ihren Startpositionen standen und schon mit ihren lauten Motoren imponierten.

Ich erkannte den Flagenmann, wie ich ihn immer nannte, der auf sein Podest stand und die weiß schwarz karierte Fahne hängen ließ. Kurz darauf rief er die berüchtigten drei Wörter, die mein Herz immer höher schlugen ließen:

"Ready, Steady, GO!"

In dem Moment drückte ich das Gaspedal durch und richtete meinen Blick konzentriert nach vorne. Insgesamt hatte ich 10 Runden Zeit um als erste ans Ziel zu kommen, doch anscheinend wollte Jason mich nicht einmal unter den Top 3 sehen.

"Okay Lucia, mach bloß keine hektischen Bewegungen, denk an die Ideallinie und versuch dich im Innenring durchzuschlängeln, so gewinnst du an Zeit. Übertreib es nicht und bleib hinten, es ist dein erstes Rennen alleine, vergiss das nicht!"

"Ach komm schon! Genau deswegen, sollte sich doch jeder gleich meinen Namen für zukünftige Rennen merken!", freudig drückte ich noch mehr ins Gaspedal, wobei ich gleichzeitig in den Sitz gedrückt wurde. Mit jeder Runde holte ich meine Gegner ein und durch Jasons wertvollen Anweisungen schaffte ich es in der achten Runde auf Platz 2. Nun erreichte meine Motivation den Höchstpunkt, ich wollte den Pokal nach Hause holen! Doch das war schwerer, als gedacht...

"Nur noch eine Runde, Jason! Ich komm nicht an ihm vorbei!", klagte ich frustriert, denn der lilagrüne Wagen vor mir schnitt mir jeden Überholversuch ab.

"Bleib ruhig! Bleib einfach hinter ihm und fahr das Rennen zu Ende!"

Doch ich wollte nicht auf ihn hören und versuchte es immer wieder, bis ich nur noch eine Kurve hatte um durch die Ziellinie zu fahren. Wütend fluchte ich vor mich hin und reagierte gar nicht mehr auf Jasons Beruhigungsversuche.

Ich drückte so fest in das Gaspedal, dass der Geschwindigkeitsanzeiger im roten Bereich anfing zu flattern. Hastig zog ich nach links und zog an dem Wagen vorbei, doch kurz bevor ich an ihm vorbei raste, rammte mich der Wagen mit so einer großen Wucht, bei der ich die Kontrolle verlor. Ich fuhr viel zu schnell in die Kurve und meine Knie wurden auf einmal so weich, dass ich es nicht schaffte die Bremse fest durchzudrücken.

"JASON", schrie ich verzweifelt, doch es war zu spät. Mit Höchstgeschwindigkeit sah ich mich auf die Mauer zurasen. Im letzten Moment, als ich die Schreie aus dem Publikum hörte und den lauten Krach, als ich gegen die harte Wand prallte, wusste ich, dass ich das Rennen verloren hatte.



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