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"Mir auch. Denn die spanischen Küsten sind der Wahnsinn. Jedoch wäre es mit dir besser. Perfekt." Finn seufzt und seine Stimme klingt gebrochen.

"Ich wäre doch auch viel lieber bei dir. Ich meine in diesem Kaff existieren bis auf meine Verwandten nur komische Leute. Die sind viel älter und zu spiessig." Finn beginnt zu lachen bei meinem letzten Satz. Aber jetzt einmal im Ernst, hier wird man mit 'Grüss Gott' begrüsst und Kinder werden -gefühlt alle- von ihrem Vater mit einem Traktor herumkutschiert. 

"Du fehlst mir Julie.", sagt Finn leise. Ich kann ihn gut verstehen, denn wir haben uns bisher immer täglich gesehen. Auch in unserer Freizeit haben wir uns mindestens vier Mal die Woche getroffen. Dabei bin ich oft zu ihm gegangen und habe die Kochkünste von seiner Mutter zu schätzen gelernt. Denn seine Eltern sind Besitzer des besten Restaurants in unserer Stadt.

"Du mir auch Finnibär." Finn beginnt wieder zu lachen und die Stimmung ist wieder besser. Eigentlich nenne ich ihn Finn, es sei denn ich will ihn ärgern und genau das war der Fall.
Wir unterhalten uns eine weitere Stunde über alles mögliche, bis ich langsam müde werde.

"Finn, ich bin müde und lege mich schlafen.", unterbreche ich unsere Diskussion über Fussball. Denn während Finn ein Erflogsfan ist und Barcelona anfeuert, stehe ich komplett hinter Athletico Madrid. Dabei entstehen immer heftige Auseinandersetzungen. Naja, nicht wirklich. Aber es kommt vor, dass wir nach einem Spiel den jeweils anderen ignorieren. Auch wenn nur für eine sehr kurze Zeit. Aber ich meine es ist Fussball.

"Okay, ich liebe dich Julie und bis bald, ja?" Finn gähnt am Ende der Leitung und mir wird bewusst, daß es ihm gleich geht. Also verabschiede ich mich mit einem 'ich dich auch' und beende so mit das Telefonat.

***

Genervt stehe ich auf und verfolge den überaus hohen Lärmpegel. Die Treppe stampfe ich hinunter und die nächste in den Keller ebenfalls. Das Holz knarzt unter meinen Füssen. Doch Rücksicht nehme ich nicht, denn ich bin wütend. Verdammt wütend. Wer kommt um Himmels Willen auf die Idee um halb acht Uhr morgens IN DEN FERIEN zu Staubsaugen?!

"Oma, was soll das?", blaffe ich sie an. Meine Oma ist nämlich gerade das eine Gästezimmer am säubern. Dabei verursacht sie eine ordentliche Menge an Lärm.

"Guten Morgen Juliette, du kommst mir gerade zurecht. Pack doch gleich mit an." Sie drückt mir einen Lappen in die Hand und fordert mich auf den Staub von der Kommode zu wischen. Bevor es zu einem Wortgefecht kommt, befolge ich ihre Anweisung.

"Hey Julie, seit wann bist du zu einer Putze mutiert?" Vince ist am Türrahmen angelehnt und sieht mich amüsiert an. Da er Zuhause mehr im Haushalt mithilft, findet er es durchaus lustig mich beim Putzen zu erwischen. Denn ich hasse das Säubern jeglicher Art (ausser das Duschen natürlich).

"Halt die Klappe Peter.", sage ich weniger erfreut. Peter ist Vincents zweiter Name, den er verabscheut. Das liegt daran, dass er den Namen altmodisch findet. Vor allem sei er zu jung für solch ein Namen, meint er.

"Kinder, keine Kraftausdrücke in meinem Haus!", ruft Marianne aus dem Gästebad. "Ach und Vinie, du kannst gleich mal die Toilette hier schrubben." Ich beginne schadenfroh zu lachen, während Vince ein 'nicht lustig' brummt. Karma.

Nachdem wir das Gästezimmer inklusive Gästebad geputzt haben, peppen wir uns für das Fest auf. Zumindest meine Oma, denn ihr ist das Äussereerscheinungsbild sehr wichtig. Vince überredet sie ein hellblau kariertes Flanellhemd zu  tragen und mir versucht sie ein Kleid aufzudrängen. Aber nicht mir! Ich mag keine Kleider und wenn dann nur für besondere Anlässe.

Darum entscheide ich mich für eine schwarz zerrissene Hot-Pants und ein olivfarbene Bluse, die ich in die Hose stecke. Denn Abends schleicht im Kaff ein Windstoss umher. Mein gebräunter Teint wird durch die Bluse betont, den ich mir in den vergangenen Osterferien auf Phuket zugelegt habe. Viel Arbeit und auch Zeit habe ich darin investiert. Aber es hat sich gelohnt, Freunde.
Mein gelocktes Haar binde ich zu einem ordentlichen Dutt zusammen und ziehe mir goldene Ohrringe an. Dazu die Halskette von meiner Firmung. Sie besteht aus echtem Gold und ein Engelsgesicht ziert den Anhänger.

"Kann ich auch mal ins Bad, Juls." Vince klopft mehrere Male gegen die Badezimmertür. Ich öffne sie und überlasse ihm das Bad.
Wie ihr merkt habe ich viele Spitznamen; Julie, Juls, Kampfsau oder auch Schnecke. Meine Eltern sowie auch meine Grosseltern nennen mich Juliette. Mit der Begründung, dass ich Juliette getauft worden bin und nicht Julie. Meine Freundinnen und Freunde nennen mich bei meinem offiziellen Spitznamen, Julie.
Juls werde ich nur von Vince genannt und Schnecke von Finn. Ach und hinter Kampfsau steckt auch eine kurze Geschichte. Denn so nennt mich meine Fussballmanschaft. Dieser ist durch meine Spielweise entstanden. Denn ich werde oft gefault und spiele trotzdem direkt weiter. Seeeeeehr spannend ich weiss. Aber ihr wolltest wissen (-oder auch nicht).

"Juliette und Vincent mögt ihr bitte runter kommen. Das Auto fährt in zwei Minuten." Die Stimme meiner Oma lässt mich aufschrecken.

"Sind gleich unten Omi.", gibt Vince laut von sich. Er tretet aus dem Badezimmer und fährt sich durch sein nasses Haar. Anschliessend folgt er mir die Treppen nach unten.

"Nenn mich nicht so, Vincent.", sagt meine Oma streng. Omi klingt für sie schrecklich. Schrecklich alt.

Sie schliesst die Haustüre ab und scheucht uns zum Auto.
Denn wir sind wie immer zu spät dran.

to be loved and to be in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt