sechs

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"Juliette mein Kind, wo zum Teufel warst du?" Meine Oma steht beim Ausgang vom Festzelt und sieht mich streng an. Sie scheint sich nach mir umgesehen zu haben.

"Bei Zea, hab ich dir doch gesagt.", sage ich selbstverständlich. Obwohl es sich alles andere als normal anfühlt. Gänsehaut bildet sich beim Gedanken an eben auf meiner Haut. Finn wird es nicht gefallen. Aber seltsamerweise plagen mich noch keine Schuldgefühle.

"Ich hab elf Uhr gesagt und jetzt komm mit. Wir gehen nach Hause." Meine Oma harkt sich bei mir unter und gemeinsam schlagen wir den Heimweg ein.

"Wo ist Vince?", frage ich meine Oma, als wir schon eine Weile unterwegs sind. Marianne denkt kurz nach, ehe sie mir eine Antwort liefert.

"Vincent und die Jungs schlafen schon." Die ältere Dame neben mir wirkt müde und ein Gähnen verlässt ihren Mund. Oma schläft sehr wenig. Sie geht relativ spät ins Bett und wacht früh wieder auf. In der Nacht schleicht sie teilweise durchs Haus, da der Schlaf ausbleibt. Vor ein paar Jahren hat sie noch besser geschlafen. Aber zu dieser Zeit hat mein Opa noch gelebt. Selten habe ich eine solch tiefe Verbundenheit zwischen zwei Menschen gespürt. Sie haben sich sehr dolle geliebt.
Marianne hat Peter in der Bäckerei ihres Vaters kennengelernt. Marianne ist hinter den Tresen tätig gewesen und hat meinem Opa ein Schwarzbrot verkauft, die häusliche Spezialität. Der vierundhalb Jahre ältere Peter hat meine Oma von Anfang an toll  gefunden. Doch Marianne ist nur schwer zu beeindrucken. So ist mein Opa täglich vorbei gekommen, um bei ihr die häusliche Spezialität zu kaufen. Dabei hat er ihr immer einen Zettel zugesteckt mit einer kleinen Nachricht drauf. Meistens sind es Komplimente gewesen oder Weisheiten. Irgendwann hat es dann geklappt zwischen den beiden und ein Treffen ist entstanden. Doch mein Opa hat es nicht leicht gehabt. Denn die Eltern von Marianne haben Peter nicht akzeptiert. Zumal er ein Rheinländer gewesen ist und nicht vor gehabt hat in den Schwarzwald zu ziehen. Schlussendlich ist ihnen die Beziehung zu ihrem jüngsten Kind wichtiger gewesen und deshalb haben sie schweren Herzens eingewilligt.

"Kannst du die Haustür aufschliessen?", unterbricht Marianne meine Gedanken. Sie reicht mir den Schlüssel, woraufhin ich die alte, blaue Tür öffne.

Marianne läuft mit schweren Schritten ins Hausinnere. Sie lässt ihre Tasche auf den steinernen Boden fallen und steigt die Teppichstufen nach oben. Ich hingegen lasse mich auf dem gemütlichen Sofa nieder und kontrolliere meine WhatsApp Nachrichten. Finn und Svenja, meine beste Freundin, haben mir geschrieben. Ich gehe zuerst auf den Chat von Finn und das schlechte Gewissen macht sich in mir breit, wenn ich an den heutigen Tag denke. Finn hat mir ein Bild von seiner Familie geschickt. Sie stehen vor einer Kirche und strahlen alle in die Kamera. Mir fällt auf, dass Finn beim Friseur gewesen ist. Sein blondes Haar ist kürzer als sonst. Es sieht gut aus, vor allem kommen seine Augen dadurch besser zur Geltung.
Hey Julie, wir sind heute in Sevilla gewesen. Meine Eltern haben sich in die spanische Küche verliebt. Sie besuchen viele Restaurants und immer wieder treffen wir auf alte Freunde von ihnen. Kim und ich geniessen lieber das Meer. Und was machst du? Wie geht es meiner reizenden Juliette?;) Finn<3

Ich antworte meinem Freund kurz, ehe ich mich Svenjas Nachricht widme. Na Mäusle, wie gefällts dir im Kaff? Wir sind zur Zeit am Gardasee und ich habe einen süssen Italiener kennengelernt. Giuliano, klingt der Name nicht unglaublich heiss?:0 Giuliano will sich jedenfalls morgen mit mir auf ein Eis treffen. Drück mir die Daumen:). x Svenja

Svenja Nachricht bringt mich zum Grinsen. Denn Svenja ist ein richtiges Jungsmagnet und findet gefühlt auch jeden zweiten Typen heiss. Ich schreibe ihr ebenfalls eine kurze Nachricht und stelle im Anschluss mein Handy aus. Ich lasse den heutigen Tag nochmals im Revue passieren und bleibe bei Zeas unglaublich weichen Lippen hängen. Dieses Gefühl, was ich bei ihr verspürt habe, ist nicht mit dem, was ich bei Finn verspüre, vergleichbar. Es sind Welten. Sie ist ein Mädchen und ich bin heterosexuell. Wieso hat es mir denn trotzdem so gut gefallen?

Leise seufze ich auf und erhebe mich vom Sofa. Ich schlürfe die Treppen nach oben, um mich Bett fertig zu machen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 11, 2021 ⏰

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