Es war an einem schönen lauen Sommerabend, als Luisa, die Tochter von Kapitän Rowling, auf dem Fensterbrett ihres Zimmers lehnte, um dem Treiben im Garten, der zu dem großen Anwesen der Tabakplantage ihres Vaters gehörte, zu zusehen. Ihr Vater war nach dem Ausscheiden aus der Armee, Friedensrichter des kleinen Ortes geworden und musste ab und an große Feste geben. Es waren viele Gäste geladen worden. Einige standen zusammen und redeten miteinander. Andere tanzten und bewegten sich anmutig zum Klang der Musik, die die Kapelle spielte. Später wurden bunte Lampions angezündet, die wie Glühwürmchen im Wind über den Köpfen der Besucher hin - und herschwangen. Plötzlich entdeckte Luisa ihren Vater und ihren großen Bruder Ben, die sich mit einer Gruppe von Männern angeregt zu unterhalten schienen. In Luisa erwachte die Neugier und sie schlich sich leise nach unten, um die anderen zu belauschen. Eigentlich durfte sie sich gar nicht während einer Party im Garten aufhalten, denn ihr Vater und ihr farbiges Hausmädchen Katie hatten ihr dies streng verboten.
,,Für kleine Mädchen sind Gartenfeste am Abend noch nicht das Richtige!"
Hatte ihr Vater einmal zu ihr gesagt und sie auf ihr Zimmer geschickt. Aber nun hatte es Luisa dort nicht mehr ausgehalten und außerdem war sie bereits vierzehn. Also alt genug, um einen kleinen Blick auf das Fest zu werfen. Heimlich versteckte sie sich hinter einem Baum, der ganz in der Nähe von der Gruppe stand, in der sich auch ihr Vater und ihr Bruder befanden. Es waren Männer aus ihrer Gemeinde und es wurde viel über Politik und Geld diskutiert. Und dann hörte Luisa einen Besucher in die Runde sagen:
,,Und stellen Sie sich vor, wie ich zu dieser halbverfallenen Hütte reite und diesem Graham ein, aus meiner Sicht schon mehr als großzügiges Angebot unterbreite, um sein schäbiges Stück Land zu kaufen, damit ich nun alles Land für meine Rinder jenseits vom Fluss nutzen kann. Da lächelt mir der Alte nur höhnisch ins Gesicht und meint ich solle meine paar lumpigen Dollar mal ruhig wieder einstecken - er würde nicht verkaufen! Also meine Herren, wie finden sie denn das?"
,,Aber was willst du machen?! entgegnete ihm ein Anderer. ,,Offiziell kann er auf seinem Land bleiben und braucht nicht zu verkaufen!"
Da lächelte ihn der Erste hintergründig an und meinte:
,,Offiziell vielleicht. Aber was ist, wenn Graham das Leben hier gar nicht mehr so schön finden würde und freiwillig verschwindet!"
,,Ja das ist vielleicht kein so schlechter Gedanke!" überlegte der Andere und strich sich nachdenklich über seinen Bart. ,,Wir wären bestimmt nicht die Einzigen, die gerne bei diesem Spaß mit machen würden...!"
Aber meine Herren, was sind das für hässliche Gedanken? Ich will keinen Streit in meiner Gemeinde!" mischte sich nun Luisas Vater in das Gespräch ein...
In diesem Moment spürte Luisa, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte und sie fuhr ordentlich zusammen.
,,Was machen sie denn hier, Miss Luisa?"
Als sich das junge Mädchen erschrocken umdrehte, war es zum Glück nur ihr Kindermädchen Katie.
,, Nein, das ist gar nicht recht, dass sie hier unten sind!"
Damit fasste Katie Luisa energisch an der Hand und zog sie wieder ins Haus zurück.
,,Was haben Sie da auch zu suchen?"
,,Ich habe Vater, Ben und den anderen Männern zu gehört!" versetzte Luisa.
,,Also, Miss Luisa, das sollen sie doch nicht!" meinte die Kinderfrau mit einem Kopfschütteln.
Sie zog ihren Schützling die große Treppe empor, die nach oben in Luisas Zimmer führte. Plötzlich blieb diese stehen und fragte Katie:
,,Katie, wer ist Mr. Graham?"
,,Wie kommen sie denn jetzt darauf?"
,,Ich habe die Männer über ihn reden gehört!"
,,Miss Luisa, sie wissen genau, dass sie nicht lauschen dürfen!"
,,Ich würde es aber gerne wissen...bitte Katie!" bettelte Luisa.
,,Na gut, aber nur wenn sie anschließend ins Bett gehen!"
,,Versprochen!" lächelte Luisa sie an.
,,Mr. Graham ist einer der Nachbarn von ihrem Vater!" damit zog Katie Luisa die Treppe hinauf und öffnete schließlich die Tür zu ihrem Zimmer.
,,Und warum sind die Leute da unten so böse auf ihn?" fragte Luisa weiter.
,,Das weiß ich auch nicht genau. Er soll ja vor Jahren mit seinen zwei Söhnen aus dem Norden gekommen sein. Seitdem bewirtschaftet er das kleine Stück Land, östlich von hier. Aber er hat kein rechtes Glück, als Farmer. Ich glaube er ist den anderen Großgrundbesitzern hier nur im Wege. Außerdem habe ich gehört, dass er, als seine erste Frau gestorben war, mit seinem Sohn eine ganze Weile in den Black Hills als Tierpelzhändler gelebt haben soll. Naja und bei dieser Gelegenheit hat er auch Geschäfte mit dem Lakota - Stamm gemacht. Mr. Graham soll sich dabei in die Tochter des Häuptlings verguckt haben!"
Katie lachte etwas verlegen.
,,Und was ist dann geschehen?" fragte Luisa neugierig weiter.
,,Die beiden sollen einen Sohn bekommen haben - ein Halbblut!" fuhr das Kindermädchen fort. ,,Doch die Mutter ist kurz nach der Geburt gestorben und so kam er hier her...!"
,,Wo liegt noch mal das Land von Mr. Graham?"
,,Hinter dem Wäldchen, was an die Plantage ihres Vaters grenzt. Aber warum wollen sie das so genau wissen?"
,,Ach, nur so!"
,,Na ja!" versetzte Katie etwas argwöhnisch. ,,Aber jetzt gehen sie besser ins Bett!"
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Miss Luisa - Irrwege einer großen Liebe
Historical FictionEine Liebesgeschichte in den Südstaaten während der Wirren des amerikanischen Bürgerkrieges.