Der Abschied

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Der Ritt zurück auf das Gut verlief zwischen Luisa und Ben schweigend. Ihr Vater machte ihr Vorwürfe, weil sie nicht auf ihn gehört hatte. Er lobte aber auch das Verhalten von Sakima, der seine Tochter vor dem Bär gerettet hatte.

,,Aber in Zukunft ist es besser, wenn du dieses halbe Indianerblut nicht wieder siehst! Er ist einfach kein Umgang für dich, Luisa!"

,,Können wir da eigentlich noch so wählerisch sein, Vater?"

,,Wie meinst du das?"

,,Ich habe gehört, dass wir in finanziellen Schwierigkeiten stecken sollen!"

,,Das hat dir wohl dieser Halb - Indianer erzählt!"

,,Stimmt das, Vater?"

,,Ja!"

,,Und willst du mich deswegen mit einem deiner Gläubiger verheiraten?"

,,Nun dazu möchte ich gleich sagen, dass Aiven O' Grady ein sehr netter und patenter Kerl ist, den ich schon lange kenne! Er wird dir sicher auch gefallen!"

,,Aber  Vater, er ist für mich völlig unbekannt! Und außerdem möchte ich noch nicht heiraten!"

,,Also zunächst musst du ihn ja erst einmal kennen lernen, bevor du ein Urteil über ihn fällen kannst. Josef kommt übrigens in drei Tagen. Ich habe ihn für ein paar Stunden zu einem kleinen Familienfest eingeladen. Er befindet sich nämlich auf einer Geschäftsreise und unser Gut liegt direkt auf seinem Weg.  Aber sollte es so sein, dass er dir nicht gefällt, zwinge ich dich nicht zu einer Heirat, das weißt du! Auch wenn es mir finanziell gut tun würde, mit seinem Geld weiter zu arbeiten!"

Luisa schloss die Augen und spürte, wie Etwas ihren Hals zuschnürte. Demnach hatte Sakima mit seiner Aussage doch die Wahrheit gesagt... 

Mr. O'Grady war ein fröhlicher, hochgewachsener Herr, der immer gute Laune zu haben schien. Luisa mochte ihn. Wenn ihre Sympathie sich allerdings nur auf eine freundschaftlichen Ebene beschränkte. Kapitän Rowling führte seinen Besuch gleich nach dessen Ankunft auf dem ganzen Anwesen herum und Josef O'Grady kam aus dem Schwärmen für die herrlichen Besitztümer seines Freundes und Geschäftspartners nicht mehr heraus. Beim anschließenden Tee im Garten meinte Mr. Grady:

,,Was für ein prachtvolles Anwesen sie da besitzen, Kapitän! Ich bin ja als Texaner auch einiges an Größe gewohnt. Aber ihr Besitz gefällt mir ganz besonders gut!"

,,Vielen Dank, Aiven!"

,,Und ihre Tochter ist ganz reizend. Wie alt ist sie jetzt geworden?"

,,Siebzehn, mein Freund!"

,,Das ist ja blutjung, Rowling. Naja, ich gehe ja bereits auf die vierzig zu!" meinte Mr. O'Grady gedankenverloren. ,,Habe aber auch schon viel erlebt!" murmelte er weiter.

Dann wandte er sich zu Luisa:

,,Wie wäre es, wenn sich das junge Fräulein mal mein Gut ansehen würde? Es ist natürlich nicht so prächtig, wie das Gut ihres Vaters. Aber vielleicht wäre es für sie eine interessante Erfahrung...!"

,,Das wäre uns sogar sehr recht!" antwortete Kapitän Rowling für seine Tochter. ,,Jetzt, wo vielleicht ein Krieg mit der Union immer wahrscheinlicher wird, wüsste ich Luisa gerne in Sicherheit und bei ihnen, Josef wäre sie doch erst einmal gut aufgehoben!"

,,Da sie gerade davon anfangen. War das nicht ein prachtvoller Sieg in Manassas von unserer Armee. Haha! Mein Gott, ich wäre gern dabei gewesen, als die Yankees das Hasenpanier ergriffen haben!"

,,Sicher, das war ein viel versprechender Auftakt. Hoffentlich bleibt uns das Kriegsglück treu!" entgegnete Luisas Vater ihm.

,,Aber selbstverständlich, lieber Freund. Unsere Generäle sind tüchtig und die Soldaten allesamt Patrioten. Also was soll schief gehen?! 

Dann wandte Mr. O'Grady sich mit einem Lächeln wieder zu Luisa:

,,Sie kommen also?"

,,Naja, wenn sie schon über mich verfügen wollen, dann möchte ich aber unbedingt, dass Katie mich begleitet!" antwortete Luisa ihm.

,,Ich habe nichts dagegen!" meinte ihr Vater.

,,Wunderbar, dann ist es also abgemacht!" freute sich Mr. O'Grady. ,,Im nächsten Frühjahr besuchen sie mich auf meinem Gut!"

Damit verabschiedete sich Mr. O'Grady von Luisa und ihrer Familie.

Ein paar Tage später gingen Ben und Luisa auf den Erntedank - Markt, der einmal im Jahr im Ort abgehalten wurde.

,,Ich habe da drüben noch etwas zu erledigen!" meinte Ben zu seiner Schwester. ,,Schau dich doch inzwischen hier um!"

Auf dem Festplatz sah Luisa die ganze Gemeinde versammelt. Einige von ihnen tranken Bier oder süßen Sirup. Andere schauten beim Stoffhändler nach der neusten Pariser Mode. Es gab auch einen Wunderheiler, der den Leuten teure Tinkturen und Pillen gegen jede Krankheit aufschwatzte. Weiter hinten bei der Kirche verkauften die Frauen der Gemeinde Lose für die gute Sache der Konföderierten. Mit dem Geld wurden verwundete Soldaten, Witwen gefallener Kameraden oder Waisen unterstützt. Luisa ging in die Mitte des Platzes, wo sie eine große Fläche aufgebaut hatten und nun zu irischen Musikdarbietungen miteinander tanzten. Sie war gerade damit beschäftigt den jungen Männern mit ihren Mädchen zu zuschauen, als ihr jemand von hinten auf die Schulter tippte. Als sie sich verwundert umdrehte, erkannte sie Sakima.

,,Bist du alleine?"

,,Nein, Ben ist noch hier!"

Sakima nickte:

,,Komm etwas abseits, ich wollte dir noch etwas sagen!" damit zog er Luisa vom Fest in einen abseitigen Feldweg, der dort in der Nähe vorbeiführte.

,,Ich war eben auf dem Gut deines Vaters und habe Shadow zurück in seinen Stall gebracht. Dort hat man mir auch gesagt, wo ich dich finden könnte."

,,Also du willst wirklich gehen?" 

,,Ja Luisa...Für immer! Es ist besser so!"

Der Weg, den sie gemeinsam eine Weile schweigend gingen, führte hinab zum Fluss. Von Ferne konnte man das Treiben des Festes hören und der Wind rauschte in den Zweigen der Bäume sein Abschiedslied. Luisa wünschte, die Zeit bliebe stehen. Für immer wollte sie hier neben Sakima sein...

,,Wann wirst du heiraten?" unterbrach Sakima endlich diese Stille.

,,Überhaupt nicht. Vater zwingt mich nicht dazu, obwohl es ihm finanziell so schlecht geht. Aber vorläufig sind Mr. O'Grady und ich noch Freunde!"

,,Vorläufig!" wiederholte Sakima verächtlich. Dann setzte er hinzu. ,,Wir sind auch nur Freunde!"

,,Nein, wir sind mehr. Ich liebe dich!" rief Luisa mit fester Stimme.

Für einen Moment blieb Sakima stehen und lächelte sie wehmütig an. 

,,Oh ich wünschte, dass wir für immer zusammen bleiben könnten!" 

Damit trat er nun langsam auf Luisa zu. Sie begannen sich zu umarmen und zu küssen. Und Luisa fühlte, dass es die letzte Umarmung mit Sakima sein würde.

Plötzlich wurde der junge Mann von hinten angegriffen und zu Boden geworfen. Ben, der den Beiden wohl gefolgt war, stürzte sich nun auf Sakima und es begann eine wilde Keilerei zwischen den beiden Männern. Dabei versuchte Luisa ihren Bruder immer wieder zurück zu reißen. Aber er schubste sie nur weg und sie fiel unsanft in den Staub. Als sie sich wieder aufgerappelt hatte, sah Luisa zu ihrem Entsetzen, wie Sakima Ben mit einem Messer bedrohte. Er saß nun auf ihm und das Messer gelangte Zentimeter, um Zentimeter näher an dessen Hals. Als Luisa sah, dass Ben versuchte die Hand mit dem Messer wegzudrücken, ihr Freund jedoch stärker war, schrie sie:

,,Sakima, tu's nicht!"

Als der junge Mann Luisas Stimme hörte, schaute er einen Augenblick in ihr flehendes Gesicht. Dann stand er wortlos von Ben auf und ging davon. Luisa wollte ihm nachstürzen, aber im selben Augenblick hörte sie die klägliche Stimme ihres Bruders:

,,Luisa, bleib hier...Du musst mir helfen!"

Er hatte sich am Hinterkopf verletzt. Sie verband die Wunde notdürftig mit ihrem Strumpfband. Dann schleppte Luisa ihn mühsam zu ihren Pferden und ritt mit ihm auf das Gut zurück.


Miss Luisa - Irrwege einer großen LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt