„Verdammt, wo wollen sie hin?!“, rief mir der Kellner hinterher und nahm die Verfolgung auf.
Wie ein Irrer rannte ich durch die Straßen der Innenstadt Manhattans und versuchte so wenig wie möglich auf meiner Flucht zu demolieren.
Kutschen lasten haarscharf an mir vorbei und ein Obststand und mehrere Einkaufstüten mussten leider dran glauben.
Ich hatte es eilig und wollte nicht erwischt werden. Das würde Folgen haben und mein Vater würde davon spitzkriegen.
Das wäre wahrscheinlich die schlimmste Strafe, die man mir für Nicht-bezahlen-der-Rechnung aufbrummen konnte und ich wollte gerne darauf verzichten.
Meine Füße, die in abgewetzten, schwarzen Stiefeln steckten, rutschten über den nassen Boden der Gassen und mein Herz hämmerte mir schmerzlich laut in den Ohren.
Wie ich laufen doch hasste!
Es war so unnötig und anstrengend und eigentlich ging ich nur selten zu Fuß, da ich mittags schlief, anstatt durch ganz Manhattan gejagt zu werden.
„Du verfluchter Dieb! Komm mir ja nicht mehr unter die Augen.“, schrie der Kellner, bevor der erschöpft stehen blieb und sich an eine Backsteinmauer lehnte.
Geschafft! Ich hatte es geschafft!
Doch es war ziemlich riskant gewesen und ich beschloss, dass nächste Mal so vorzugehen, dass mich niemand bemerkte. Zuviel Aufmerksamkeit war für einen Engel nicht gut, hatte Mutter immer gesagt und doch hatte sie sich, wenn alle schliefen, heimlich davon gemacht, um die Menschen besser kennenzulernen und so hatte sie die andere Rasse auch lieben gelernt.
Deshalb war sie auf meiner Seite und nicht auf der meines Vaters. Sie konnte es genauso wenig ertragen wie ich, dass Unschuldigen Leiden zugefügt wurde.
Seit Tagen lungerte ich nun schon durch Manhattans Straßen und wenn die Nacht einbrach versteckte ich mich im Wald, um dort meine Identität zu schützen.
Es war so mühselig alleine klar zu kommen und es war ziemlich knifflig überhaupt am Leben zu bleiben. Nicht dass es daran läge, dass ich nicht stark genug wäre und mich nicht wären könnte.
Jahre langes Training versicherte mir, dass ich selbst meinen Vater in einem Zweikampf, Mann gegen Mann, besiegen würde, doch auch das wusste er nicht. Er hatte keinerlei Ahnung, was wirklich in seinem jüngsten Sohn steckte.
Es lag eher daran, dass ich unauffällig bleiben und so wenig wie möglich Aufsehen erregen wollte. Ich wollte endlich diesen verfluchten, letzten Mensch finden, der für den ganzen Ärger, den ich mit meiner Familie hatte, verantwortlich war und ihn meinem Vater bringen.
Dann würde er keinen Grund mehr haben, den Rest der anderen Rasse töten zu wollen und ich konnte endlich wieder ohne ein schlechtes Gewissen einschlafen.
Das war schwer für mich, jemanden der keinerlei Ahnung hatte, wie es bei den Menschen ablief und der noch nie ohne einen anderen Engel mehr als einen Tag verbracht hatte.
Es war ein Abenteuer, auf dass ich gerne verzichtet hätte, doch es war nun mal nötig, um allen zu zeigen, wer ich wirklich war. Wer ich schon immer sein wollte. Nämlich anders als alle anderen. Ich wollte den Weg gehen, den ich mir selber aussuchte und nicht den, der für mich vorbestimmt war.
Erschöpft ließ ich mich hinter zwei Mülltonnen auf den Boden sinken und lehnte meinen Kopf an die kalte Steinwand.
Für heute war ich gesättigt und brauchte mir keine Sorgen zu machen, doch was würde morgen sein? Oder übermorgen? Und der Tag danach?
Ich musste mir dringend etwas überlegen, was mich aus dieser misslichen Lage befreien würde. Doch im Moment war ich noch zu schwach und deshalb blieb ich einfach sitzen und stellte mir vor, wie es sein würde, wenn ich kein Engel wäre, sondern ein Mensch.
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Geflügelt
عاطفيةAus einem Zufall heraus begegnet Colin, ein Geflügelter, einem Menschenmädchen. Ohne es zu wissen verliert er sein Herz an Sarah mit dem zerbrechlichem Gesicht und den traurigen Augen. Zwei verschiedene Wesen, beide auf der Suche nach Freiheit und d...