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p l e t h o r a

november 2012

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Allison || Ich strecke Drake den Mittelfinger entgegen, als er lachend neben mir in eine Pfütze springt. Das Wasser explodiert wie eine Bombe, eine einzelne Sekunde steht die Welt still und dann entlädt sich der Schwall mit Gewalt über seiner Kleidung.

Hastig springe ich zur Seite, sodass mich nur ein Bruchteil der Katastrophe trifft. Meine weißen Converse Schuhe, die erst neulich nach meiner Begegnung mit der Popstar-Parallelwelt in der Reinigung gewesen sind, haben dennoch erneut ihre strahlende Farbe verloren. Ich sollte wahrscheinlich in ein paar schwarze Schuhe investieren, denn das Leben tut meinem momentanen Schuhwerk alles andere als gut.

Während die Converse glücklicher Weise mein einziges Beklagen sind, starre ich entsetzt auf meinen Bruder, dessen Jeans vollkommen mit nassem Schlamm verklebt ist. Stirnrunzelnd sieht der Vierzehnjährige an sich herunter. Drake wirkt jedoch alles andere als schockiert, eher begeistert, was mich erahnen lässt, dass der Pfützensprung durchaus das Ergebnis gebracht hat, das er sich erhofft hatte.

„Ich glaube, ich sollte mich doch lieber noch einmal umziehen gehen. Schätze, ich muss leider die erste Stunde verpassen", meint er mit einem frechen Grinsen und läuft dann wieder zurück zu der Metrostation, die ihn zu unserem Haus bringen wird.

Kopfschüttelnd sehe ich meinem jüngeren Bruder einen Augenblick lang hinterher, bevor ich mich Alexa und Emily, zwei meiner Freundinnen, anschließe, die in meine Stufe gehen und denselben Schulweg haben.

Wir lachen über einige Ereignisse am Wochenende und auch ich werde gefragt, was ich unternommen habe, woraufhin ich bloß mit den Achseln zucke, denn meine Samstage verbringe ich grundsätzlich mit einem Buch im Bett. Größtenteils höre ich den anderen zu, doch das stört mich nicht und auch die anderen sind daran gewöhnt.

„Habt ihr Lust nächstes Wochenende gemeinsam zum Alton Towers zu fahren?", fragt Alexa während wir uns dem grauen Schulgebäude nähern, in dem wir die nächsten paar Stunden verbringen müssen.

„Um uns die Füße abzufrieren? Es ist November!" Dramatisch lässt Emily einen Schauder über ihren Körper laufen, was Alexa und mich zum Lachen bringt. Die Augen der Chinesin verziehen sich dabei so sehr, dass man ihre Pupillen kaum noch erkennen kann, während das dunkle Lachen mich umso mehr erheitert. Es passt überhaupt nicht zu ihrer sonst so sanften Persönlichkeit und deswegen liebe ich es.

„Kommt schon", meint Alexa bittend und stupst mich an. „Du bist definitiv dabei, oder?"

„Auf jeden Fall", stimme ich zu.

„Dann steht der Plan, oder?"

Alexa und ich löchern Emily, bis diese dramatisch nickt. „Wenn ich am nächsten Tag an einer Lungenentzündung sterben werde, werde ich euch allerdings als erstes heimsuchen."

Lachend hakt sie uns unter und zieht uns dann durch die gläsernen Eingangstüren unserer Schule, die eindeutig schon einmal bessere Zeiten gesehen hat.

Sobald wir vom Gebäudeinneren verschluckt werden, strömt uns der Lärm unzähliger Gespräche entgegen, die mit solcher Wucht in meine Gedanken wehen und direkt wieder daraus verschwinden, dass ich nur Fetzen mitbekomme. Mit tausend Schülern ist die Schule noch durchaus kleiner verglichen mit den anderen in Manchester, aber auch in unserer Lehranstalt sind die Gänge vor der ersten Stunde gut gefüllt.

Serendipity || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt