Miss-ich-lande-im-Matsch

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Am nächsten Tag stand ich am Fenster und starrte unentwegt den Kiesweg an. Ich hatte mir in der Nacht viele Gedanken gemacht und einen Entschluss gefasst: ich würde mich auf die Suche nach Remus machen - vielleicht könnte ich dann auch Dad wieder sehen.
Ich hatte schon einen Plan.

"Danke für alles", sagte ich beim Abendbrot und legte mein Besteck beiseite. Heute hatte ich mich gezwungen, genug zu essen, denn ich wusste nicht, wie ich nach London kommen würde.
"Gerne, mein Kind", sagte Narzissa freundlich und legte mir eine Hand auf die Schulter. Anscheinend hatte sie meinen Stimmungswechsel bemerkt. "Du weißt ja, dass du immer bei uns willkommen bist."
"Danke", sagte ich und wendete mich an Lucius. "Darf ich in mein Zimmer?"
"Natürlich", erwiederte er nachdenklich und ich nahm Draco an der Hand und zerrte ihn zu mir nach oben.

"Was hast du vor?", sagte Draco, während ich meinen Koffer packte.
"Du hattest Recht. Ich kann hier nicht bleiben. Ich werde Remus suchen. Vielleicht finde ich ihn sogar", sagte ich und blickte traurig zu ihm empor.
"Du willst das wirklich tun?", sagte er. Ich nickte traurig, bevor ich mir eine Strähne hinter das Ohr strich.
"Soll ich deinen Koffer nehmen?", wollte er wissen, doch ich schüttelte den Kopf. Bevor ich irgendwas machen konnte, hatte er meinen Koffer hochgehoben und ging aus dem Zimmer.
Ich warf noch einen Blick aus dem Fenster, ehe ich ihm folgte.
So leise, wie es nur ging, schlichen wir durch den leeren Salon. Nichts war zu hören, bis auf unsere Schritte und mein hektischer Atem.
"Was macht ihr da?", ertönte eine zornige Stimme hinter uns. Langsam drehten wir uns um.
Lucius stand aufbrausend da, den Zauberstab griffbereit.
"Ähm...", stotterte ich.
"Wir gehen etwas spazieren", übernahm Draco für mich das Lügen.
Dracos Vater zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. "Mit einem Koffer...?"
"Äh... ja...?" Meine Aussage ähnelte einer Frage.
"Natürlich", erwiderte Lucius sarkastisch und nahm Draco den Koffe ab. "Ihr geht beide auf eure Zimmer und ich will keinen Mucks hören."
Muss mir immer jemand meinen Plan zerstören?
Dann tat Draco etwas, worauf ich lange gewartet habe:
Er drückte seine Lippen auf die meinen.
Es war, als würden Schmetterlinge, die gerade erst geschlüpft waren, in einem riesigem Feuerwerk in meinem Bauch aufgehen, zu allen Seiten buntes Feuer regnend, das sich noch im Herabsinken wieder in Schmetterlinge verwandelte, die schöner, größer und viel aufregender waren, als die Ersten es taten. Sanft löste ich mich von ihm. Dracos Augen strahlten etwas aus, welches ich auf den Ersten Blick erkannte: Wärme.
"Das wollte ich schon immer tun", flüsterte er.
"Ich auch", hauchte ich, "aber ich muss los."
Ich blickte zum Fenster und dann wieder zur Lampe, die auf dem Tisch stand.
Ich grinste, schnappte mir die Lampe und pfefferte sie gegen das Fenster, welches augenblicklich laut zerschepperte.
"Eigentlich wollte ich ja die Tür benutzen... na dann, wir sehen uns! Tut mir leid, wegen dem Fenster!"
Winkend schnappte ich mir ein Seil, band es fest und schwang mich nach draußen.
Ich konnte keine ordentliche Landung hinlegen, wie immer...
Ich landete volle Kanne im Matsch, sodass das Kleid im Eimer war.
"Immer muss ich einen dramatischen Abgang hinlegen", murrte ich zu mir selber und verschwand im Wald. Zum Glück hatte ich den Zauberstab und Mom's altes Tagebuch nicht im Koffer, sondern in der Hand gehabt - wer weiß, was damit passiert wäre... ich dachte die ganze Zeit an den Kuss und spürte ein Kribbeln an der Stelle, wo seine Lippen zuvor auf meinen gelegen haben...

Während des Laufens merkte ich gar nicht, dass jemand mir auf Schritt und Tritt folgte, als, vollkommen unerwartet, ein Knacken hinter mir ertönte und ich mich langsam umdrehte. Meine Lippen zogen sich zu einem Lächeln.
"Du hast es geschafft!"
Freudig sprang ich ihm in die Arme.
"Ja, ich habe es geschafft zu fliehen", murmelte er gedankenverloren und strich mir über die Haare.
"Wie geht es denn Miss-ich-schlage-das-Fenster-mit-einer-Lampe-ein-und-falle-in-den-Matsch-dass-mein-Kleid-im-Eimer-ist?", fragte er grinsend, mit einem kühlen Blick auf mein Kleid.
"Ganz gut und dir?", fragte ich und strich mir eine Strähne hinter das Ohr.
"Wenn ich ehrlich sein soll", begann Barty verträumt lächelnd, "Emily hätte genau das selbe gemacht, einen coolen Abgang hingelegt und dann wäre sie im Matsch gelandet."
Ich boxte ihm spielerisch gegen den Arm. "Ich bin absichtlich in den Matsch gefallen!"
"Natürlich."
"Ja! Du brauchst nicht so unbegeistert klingen, Bartemius!" Bei seinem vollem Namen verzog er das Gesicht.
"Du weißt schon, dass ich es hasse, wenn du mich so nennst", murrte er beleidigt.
"Ok, Barty. Aber du siehst nun viel gepflegter und nicht wie ein Obdachloser aus", sagte ich aufmunternd und es stimmte. Er trug ein feines Jackett, wo auch immer er das her hatte... und hatte sich die Haare schneiden lassen und diese zurückgekämmt.
"Ich nehme das mal als ein Kompliment, Kleine."
"Das würde ich nicht... und nenn MICH NICHT KLEINE! ICH BIN GROß!"
"Aber natürlich bist du das", sagte Barty zuckersüß. "Deswegen überrage ich dich um mehr als einen Kopf." Zum Beweis stellte er sich noch extra auf die Zehenspitzen.
"Macht dich ruhig über mich lustig." Schmollend verschränkte ich die Arme vor der Brust.
"Tue ich auch."
"Kannst du mich nach London bringen?", durchbrach ich die Stille.
"Weglaufen bringt nichts, man muss sich durch kämpfen - es lohnt sich", sagte er als Antwort.
"Was?", fragte ich. "Was hat das denn damit zu tun?"
Er grinste. "Ich wollte mal einen schlauen Spruch bringen."
"Das kannst du auch später machen, Barty." Nun war es auch an mir zu grinsen. "Also, kannst du mich nach London bringen?"
"Ja, natürlich. Ich habe nicht umsonst diese dämliche Prüfung vor Jahren abgelegt. Bist du denn schonmal appariert?"
"Äh..." Ich dachte nach... bin ich schonmal appariert? Keine Ahnung. "Ich denke nicht."
Barty hielt mir den Arm hin und ich hakte mich ein. "Festhalten", sagte er. Mit einem Ruck hatte ich das Gefühl, durch einen engen Schlauch gepresst zu werden und allmählich spürte ich, wie mir das Essen hoch stieg. In dem Moment, als ich dachte, ich müsse mich übergeben, verging das Gefühl und ich landete taumelnd auf dem Boden.
'Tief durch atmen. Ein und aus. Ein und aus', dachte ich. Das Schwindelgefühl verging und ich öffnete meine Augen, die schmerzten, weil ich diese fest zusammengekniffen habe, als wir apparierten sind.
"Nie wieder", keuchte ich und drehte meinen Kopf zu Barty, der grinste.
"Natürlich", spöttisch machte er eine Verbeugung. "Wie die Prinzessin wünscht."
Ich sah mich um. Wir waren in einer Seitengasse der Winkelgasse gelandet. An den Wänden hingen tausende Fahndungszettel.
"Haben Sie diesen Zauberer gesehen?", las ich einen der Zettel vor. Auf dem Blatt war ein magisches Bild von Barty, der wie ein Irrer grinste. "Guck mal! Jetzt weißt du, wie ich mich vor mehr als einem Jahr gefühlt habe."
"Ja ja", sagte er genervt. "Zieh' mich ruhig damit auf..."
Ich grinste. "Ich würde das doch nie tun!", rief ich sarkastisch aus. "Jedenfalls, danke, dass du mich hier her gebracht hast. Und falls sie dich erwischen und umbringen, reiße ich dir bei der Beerdigung den Kopf ab!" Er nahm meine Drohung anscheinend Ernst, dass ich ihn zuckersüß anlächelte.
"Wir sehen uns." Grinsend drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange und ging durch die leere Winkelgasse. Alle Geschäfte waren geschlossen, da es schon spät war.
Ich schlenderte durch die Gasse, darauf bedacht, leise zu sein. Also ging ich aus der Winkelgasse raus. Auf der Straße blieb ich bibbernd stehen. Ich hatte komplett vergessen, dass es in London richtiges Mistwetter selbst im Sommer sein kann. Die wenigen Muggel, die mir entgegen kamen, waren mir schiefe Blicke zu. Naja, so etwas ist ja nichts alltägliches: ein Mädchen mit einem Holzstück, das wie ein Zauberstab aussieht; einen hellen Kleid, welches voll mit Matsch ist und Tagebuch in der Hand hält. Am besten wäre es, wenn ich noch einen Besen dabei gehabt hätte, dann würden die noch die Polizei rufen, oder wie diese Sicherheitsbeamten bei den Muggel hießen.
"Ist das Luna Black?", ertönte eine Stimme hinter mir. Verwirrt drehte ich mich um, und erblickte einen jungen Mann mit braunen, kurzen Haaren.
"Äh, ja die bin ich", sagte ich.
"Kann ich ein Autogramm haben?", fragte er neugierig und hielt mir ein Pergamentblatt und eine Feder hin. "Ich bin einer deiner größten Fans!", rief er freudig aus.
"Wie heißt du denn?", wollte ich wissen und unterschrieb.
"Oliver Wood", erwiderte er stolz.
"Ich habe schonmal von dir gehört", sagte ich. Ich tippte mir nachdenklich auf das Kinn. "Du hast Quidditch gespielt oder?"
"Ja", sagte er. "Es war schön, dich kennenzulernen." Schon war er verschwunden.
'Ehm, okay', dachte ich mir im Stillen.
"Luna?", fragte jemand hinter mir. Ich brauchte mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer das war...

Luna Black 2 - Das Schicksal ist ein mieser Verräter (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt