Kapitel 3.4

849 70 0
                                    

~Seth

Erwartungsgemäß verlief die Autofahrt in etwa so angenehm wie barfuß über Rasierklingen zu laufen. Cleo saß schweigend auf dem Beifahrersitz und hasste mich, während ich die Beschleunigung des Porsche voll austestete. Niemand sagte etwas, nur die Musik trällerte fröhlich vor sich hin. Wir waren gerade beim zweiten Iron Maiden Album angekommen, als Cleo schließlich das Schweigen brach. ,,Wann hast du angefangen, zu trainieren?", fragte sie. Ich öffnete den Mund, aber sie hob warnend die Hand. ,,Jetzt sag nicht, dass mich das nichts angeht. Ich warne dich."
Ich blickte in den Rückspiegel und überholte ein anderes Auto, dessen Fahrer vermutlich kurz davor sein musste, einzupennen. ,,Du redest gerne, oder?", stellte ich anstelle einer Antwort fest.
Cleo sah zu mir. ,,Sehr gerne. Beantworte meine Frage, Seth. Das dürftest sogar du hinbekommen." Sogar du? Überrascht sah ich auf.

,,Jetzt tu nicht so geschockt. Glaubst du, nur weil du der Sohn von Hades bist, werde ich mich dir bedingungslos fügen?"

Heiliger Hades. Hatte sie irgendetwas eingeworfen? Stirnrunzelnd sah ich zur Seite. ,,Nein, augenscheinlich nicht."
,,Du lenkst ab, Seth", sagte Cleo. Langsam aber sicher ging sie mir auf die Nerven. Ich verdrehte die Augen. ,,Nach dem ich erfahren habe, dass ich ein Halbgott bin, habe ich auch mit dem Training angefangen."

,,Mit acht?"

,,Jepp. "

Cleo lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. ,,Wow. Das ist krass."

,,Ich war eben ein richtig krasses Ninja-Kind."

Cleo sah grinsend zu mir. ,,Irgendwie kann ich mir dich nicht als Kind vorstellen."
Als meine coole Playlist zu 'Fear Of The Dark' wechselte, widerstand ich dem Drang, lauthals mitzusingen und trommelte stattdessen den Beat auf dem Lenkrad mit. Ich sollte Drummer werden. Definitiv. Vorzugsweise beim Autofahren.
,,Ich sah aus wie ein kleines Engel-Kind, das versucht hat, einen auf Gangster zu machen."
Jetzt lachte Cleo. ,,Oh Mann, diese Vorstellung... Hattest du damals auch schon lange Haare?"
Ich schüttelte den Kopf. ,,Nicht so lang wie jetzt, dafür mehr Locken und mehr Engel-Optik." Als Kind hatte ich während dem Training außerdem immer Stirnbänder getragen. In schrillen Farben und Mustern. Das hatte natürlich absolut bezaubernd ausgesehen, aber glücklicherweise gab es davon keine Bilder. Hoffte ich jedenfalls. Es gab allgemein nur wenige Bilder von mir und ich hoffte von ganzem Herzen, diese nie wieder sehen zu müssen.

,,Also warst du selbst als Achtjähriger schon so... metallig?"
Metallig? Ich musste lachen, woraufhin Cleo mich beäugte, als hätte ich Donald Trump gerade einen Heiratsantrag gemacht. Lachen. Tat ich eher selten.
,,Ich weiß nicht mehr so genau, aber ich glaube, ich fand mich damals einfach total cool, wenn ich schwarz getragen habe."
Cleo lächelte und schien sich langsam etwas zu entspannen. ,,Ich wollte früher immer unbedingt pink tragen, obwohl sich das total mit meiner Haarfarbe gebissen hat. Aber mich hat das nie gestört. Hauptsache pink und glitzer."

,,Pink ist aber auch eine hübsche Farbe", erwiderte ich.

Cleo lachte. ,,Und wie. Es überrascht mich, dass du überhaupt weißt, was Farben sind."

,,Na, das ist doch der Aufdruck vorne auf den schwarzen T-Shirts."

Cleo grinste und lehnte den Kopf gegen die Fensterscheibe. ,,Wie lange dauert es noch, bis wir da sind?", fragte sie mit quengelndem Unterton in der Stimme.

,,Lange."

Cleo verdrehte die Augen. ,,Danke für diese hilfreiche Auskunft."

Ich hob einen Mundwinkel. ,,Ich helfe wo ich kann." Cleo grummelte etwas unverständliches vor sich hin und drehte sich wieder auf die Seite. Als ich kurze Zeit später nochmal zu ihr sah, war sie eingeschlafen. Trotz Musik, Motorgeräuschen, unbequemer Position und meiner Anwesenheit. Cleo war wohl einer dieser Menschen, die immer und überall schlafen konnten. Hinzu kam noch, dass sie einen Arm merkwürdig nach hinten verdreht und den Kopf gegen die vibrierende Fensterscheibe gelehnt hatte. Das konnte nicht bequem sein. Dennoch verharrte sie in dieser Position mit geschlossenen Augen bis wir West Virginia erreichten.

TodessohnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt