Kapitel 5.1

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~Seth

Matt schien einen einzigartigen Spürsinn dafür zu haben, sich zufällig immer genau dann auf dem Campus aufzuhalten, wenn ich darüber lief. Ich war auf dem Weg zu den Trainingsräumen -meinem zweiten Zuhause-, als er mir entgegen kam. Ich trug noch immer meinen Krümelmonster Hoodie, war ansonsten aber wieder einigermaßen ansehnlich und durch mein kurzes Schläfchen vorhin weniger darauf aus, jemanden umzubringen. Matt trug ein Stachelhalsband, bei dem ich mir ziemlich sicher war, dass er es in einem Haustierbedarf erworben hatte. Vielleicht sollte ich mir so ein schickes Teil auch mal zulegen.

,,Hi Seth", grüßte er, ,,was für ein Zufall."

Oh ja, riesiger Zufall. Matt hatte locker hinter irgendeinem Busch gelauert und war erst hervor gesprungen, als er mich gesehen hatte. Skeptisch hob ich eine Augenbraue. ,,Was willst du, Matt?"
Er fuhr sich nervös mit einer Hand durchs Haar, wodurch ich für einen kurzen Moment tatsächlich mal beide seiner Augen gleichzeitig sah.
,,Gehst du mit mir auf ein Konzert?" Dabei klang sein Tonfall so flehend, dass ich grinsen musste.
,,Wann und wo, Kind?", erkundigte ich mich.

,,Heute Abend um acht, in Richmond."

Ich runzelte die Stirn. ,,Heute Abend schon?" Als Matts Mundwinkel nach unten sanken, seufzte ich. ,,Welche Band? Zu Asking Alexandria komme ich jedenfalls nicht mit, aber das weißt du-"

,,Bullet for my Valentine", unterbrach er mich.

,,Ahh", sagte ich gedehnt, ,,unsere walisische möchtegern-Heavy Metal Gruppe."
Matt boxte mich in die Seite.  ,,Sie haben nie behauptet, dass sie Heavy Metal machen. Außerdem magst du Bullet for my Valentine doch."
Ich tätschelte Matt die Schulter. ,,Ich weiß, ich weiß. Da gibt es nur ein Problem. Estelle wird mir ihre Leute auf den Hals hetzen. Ich bezweifle, dass ich hier heute nochmal wegkomme."
So ungern ich es auch zugab, ich würde gerne mitkommen. Konzerte konnten einem hervorragend beim Abschalten helfen und dabei, einfach nichts mehr zu denken. Und nichts zu denken wäre in meinem derzeitigen Zustand ein Segen, denn ich hatte immer noch das Gefühl, dass mein Hirn vom ganzen Grübeln rauchte.

Matts Mundwinkel senkten sich abrupt. ,,Du bist der Sohn von Hades. Womit wollen die dir schon kommen?"
Damit hatte er natürlich recht... Dass sie mich nicht vom Internat schmeißen würden, hatte ich mittlerweile auch begriffen.

,,Okay. Ich bin dabei."

Matt lächelte breit. ,,Dann treffen wir uns um halb fünf wieder hier und schleichen uns raus?"
Ich nickte. Da ich Estelle den Schlüssel vom Porsche noch nicht zurück gegeben hatte, hatten wir auch ein Auto. Zwar ein illegales, aber ein Auto. Estelle würde mir sowas von den Hals umdrehen.
,,Bis dann", erwiderte ich und setzte meinen Weg in die Trainingsräume fort. Als ich die Tür zu meinem Stamm-Trainingsraum öffnete, war dieser nicht leer. In der Nähe von der Wand stand ein Mädchen, das so konzentriert einen Dummy verprügelte, dass sie mich nicht bemerkte. Mit verschränkten Armen lehnte ich mich gegen die Wand und beobachtete sie. Sie war wirklich gut und schien zu wissen, was sie tat- mit ihrer schlanken Figur und den klar definierten Kurven war sie außerdem zumindest von hinten schön anzusehen. Ich würde mich nicht beschweren. Die Unbekannte wurde erst dann auf mich aufmerksam, als ich den Kopf leicht zur Seite neigte und mein Nacken ein unnormal lautes Knacken von sich gab. Es war ein Wunder, dass kein Knochen gebrochen war.  Das Mädchen drehte sich ruckartig um starrte mich aus strahlend blauen Augen ungläubig an. 

,,Seth?"

Strähnen ihrer weißblonden Haare hatten sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst und umrahmten ihr schönes Gesicht.
Da ich ihren Namen nicht kannte, konnte ich sie leider nicht nachäffen, was ich unter anderen Umständen sicherlich getan hätte.

,,So lautet mein Name." 

Ich sah sie abwartend an, wobei ich stets bemüht war, nicht zu offensichtlich auf die Stelle zu schielen, über der sich der Nike Schriftzug ihres T-Shirts wölbte.
,,Wie... Wie lange stehst du schon da?", murmelte sie verlegen.

,,Nicht lange."

Meine Gesprächigkeit war heute der absolute Wahnsinn. Ich musterte sie gründlich von oben bis unten. ,,Du bist gut."
Überrascht sah sie zu mir auf. Zwar war sie ein ganzes Stück größer als Cleo, reichte aber dennoch nicht ansatzweise an meine Körpergröße heran.
,,Danke", erwiderte sie. Ihr Blick glitt an mir herab, blieb kurz an meinem Tattoo hängen, das gerade zum Teil von meinem Hoodie verdeckt wurde, ehe sie mir wieder in die Augen sah. 
,,Wie heißt du?", erkundigte ich mich und ließ die Arme sinken. 
,,Bethany", antwortete sie, ohne den Blick von mir abzuwenden. 
,,Nun denn, Bethany", sagte ich und stieß mich von der Wand ab, ,,Lust, dich ein bisschen mit mir zu prügeln?" Das war jetzt nicht unbedingt eine Frage, die man eine Mädchen stellte, aber Bethany lächelte trotzdem, als wäre ich vor ihr auf die Knie gefallen, um ihr einen Strauß roter Rosen zu schenken.

,,Klar. Aber ich bezweifle, dass ich mit dir mithalten kann."

Grinsend zog ich mir meinen coolen Hoodie über den Kopf und legte ihn achtsam neben mich auf den Boden. ,,Das kann niemand. Dafür bin ich viel zu umwerfend."
Bethany lachte und ich stellte zufrieden fest, wie ihr Blick zu den Muskelpartien an meinen Armen glitt. Ich gab mir alle Mühe, kein selbstgefälliges Grinsen aufzusetzen. Manchmal wusste ich echt nicht, wohin mit dem ganzen Ego.
Wir begannen mit dem Training und ich musste zugeben, dass Bethany ziemlich krass drauf war. Besser als Matt. Während wir Schläge und Tritte austauschten, vergaß ich völlig die Zeit. Als ich feststellte, dass ich bereits in einer halben Stunde beim Treffpunkt mit Matt erscheinen musste, verabschiedete ich mich eilig von ihr, nicht ohne ihr gleichzeitig zu versprechen, dass sie mich hier nicht das letzte Mal antreffen würde. Anschließend rannte ich mehr oder weniger in mein Zimmer, wohlwissend, dass Matt mich umbringen würde, wenn ich auch nur eine Minute zu spät an unserem Treffpunkt ankam. Wenn es um Konzerte ging, verstand er keinen Spaß.

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