Kapitel 6

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~Cleophea

"Und dann hat mich dieser Mistkerl doch wieder in den Krafttrainingsraum gescheucht."

Chris grinste und tätschelte mir mitleidig die Schulter. Sollte es sie gestört haben, dass ich sie die letzten zwanzig Minuten mit Lästereien über Seth zugetextet hatte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. 
,,Welches ist eigentlich dein Element?", fragte ich sie neugierig und beendete somit meinen Roman über das heutige Training. 

,,Wasser", antwortete Chris, ,,und ich würde liebend gerne mal gegen Seth kämpfen um zu sehen, ob er sich trotz meines elementaren Vorteils durchsetzen könnte."

Das wäre tatsächlich interessant- Seth als Sohn eines olympischen Gottes im Kampf mit seinem gegenteiligen Element. Allerdings beherrschte Seth ja nicht nur das Feuer, also wäre es vielleicht doch nicht allzu interessant
.
,,Ich würde am Rand stehen und dich anfeuern", erwiderte ich.

Chris lachte. ,,Das hört man gerne."

Ich wollte einen Arm heben, um noch meinem Handy zu greifen, aber meine streikenden Muskeln wollten einfach nicht gehorchen. Irgendwann würde ich Seth meine verdammte Glasflasche über die Rübe ziehen. Ernsthaft.

,,Übrigens", sagte Chris, ,,Heute Abend findet eine Party statt. Der Veranstalter ist ein oder zwei Stufen über mir und seine Eltern haben eine Villa, in der immer mal wieder Partys stattfinden, wenn sie nicht da sind. Ich fänd's cool, wenn du mitkommen würdest. Dann hättest du auch gleich die Chance, andere Leute kennenzulernen."
Eigentlich waren Partys überhaupt nicht mein Ding, aber in ihrem letzten Punkt hatte Chris natürlich Recht. Es wäre definitiv keine schlechte Idee, ein wenig Anschluss zu finden.
,,Wann ist die Party?", erkundigte ich mich also.
,,Gegen 20 Uhr", antwortete Chris, ,,allerdings müssen wir uns rausschleichen, da wir theoretisch noch zu jung sind, um das Gelände abends legal ohne Aufsicht verlassen zu dürfen." Großartig. Zwei Tage hier und schon tat ich etwas Illegales.
Als Chris meinen skeptischen Blick bemerkte, winkte sie ab. ,,Wir schleichen uns ständig abends weg, das ist keine große Sache."
Ich gab mir einen Ruck. ,,Okay, ich bin dabei."
Chris lächelte und ließ sich schwungvoll auf ihr Bett fallen. ,,Sehr gut. Dann kann ich dir alle meine coolen Freunde vorstellen."

Es fiel mir nicht schwer, zu glauben, dass Chris viele Freunde hatte. Chris war... Ich weiß auch nicht, sie war einfach cool. Auf ihre eigene Art und Weise.
,,Was zieht man denn auf so eine Party an?" fragte ich und kam mir im gleichen Moment ziemlich unerfahren vor. Ich wurde sonst nie auf Partys eingeladen, wenn ich so darüber nachdachte.
Chris zuckte mit den Schultern. ,,An sich gibt es keinen besonderen Dresscode, aber ich kann dir etwas leihen, wenn du willst."
Ich dachte an meine langweiligen, einfarbigen schlabber T-Shirts und nahm ihr Angebot dankbar an.  ,,Das wäre nett."
Einige Minuten später befand ich mich schließlich im Badezimmer und betrachtete skeptisch mein Spiegelbild. Ich trug ein weites, schwarzes T-Shirt, das einen schmalen Streifen Bauch präsentierte, und eine hautenge, verwaschene Jeans. Chris hatte mir außerdem ein Halsband aufgeschwatzt, das wie die schwarze Version der Gardinen meiner Oma aussah. Während sie zufrieden ihr Werk betrachtet, sah ich noch immer unschlüssig in den Spiegel. Ich trug nie bauchfrei. Und auch meine Jeans saßen normalerweise nicht wie eine zweite Haut. Hinzu kam, dass mir Gardinen normalerweise am Fenster besser gefielen. Chris klatschte begeistert in die Hände. ,,Du siehst super aus!"
Das musste ich ihr wohl so abkaufen, denn von Mode verstand ich nicht viel und bessere Alternativen hatte ich auch nicht zur Auswahl. 
,,Hast du vielleicht noch ein weniger... bauchfreies Oberteil?", fragte ich vorsichtig. Es war nicht so, dass ich der Meinung war, dass ich fett wäre, aber irgendwie fühlte ich mich in so etwas nicht wohl.
Chris grinste. ,,Leider nein. Du siehst toll aus."
Ich seufzte und zog an dem schwarzen Stoff, der allerdings direkt wieder in seine ursprüngliche Länge zurück sprang, wenn ich ihn los ließ. Vielleicht würde ich einfach einen Hoodie darüber ziehen. Klang nach einer guten Idee.
Da bis zwanzig Uhr noch viel Zeit war, zog ich mich wieder um und warf mich äußerst elegant auf mein Bett. Die nächste Zeit verbrachte ich am Handy. Eventuell auch ein bisschen damit, Seths Account weiter zu stalken.

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