Nein, Nein, Nein!!!

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Es gibt ihn, diesen einen Tag, der in meiner Erinnerung unglaublich präsent ist und der sich von allen anderen zu dieser Zeit sehr stark unterscheidet.

Es ist der 26.02.2014, ein Mittwoch.

Wir machen einen Klassenausflug zum Schlittschuhfahren. Mit dabei sind unser Klassenlehrer Herr J. sowie unser stellvertretender Klassenlehrer, Herr F. Letzterer ist zugleich unser Deutschlehrer in diesem Schuljahr, der 8. Klasse.

Wir reisen mit Zug und Bus an und legen die letzten Meter zur Eissporthalle zu Fuß zurück. Dabei laufe ich - zur Erheiterung meiner Mitschüler - gegen einen grau-weiß-roten Pfosten. Versehentlich. Ich war eben schon immer ein wenig tollpatschig.

Drinnen angekommen gehen wir einen leichten Bogen zur Kasse, um unsere Tickets zu kaufen. Ich schaue mich etwas um: Wir sind bei weiten nicht die einzige Klasse, die diese Idee hatte. Es ist ziemlich voll und dementsprechend laut.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hat Herr J. schließlich unsere Tickets in der Hand und leitet die Klasse Richtung Umkleiden. Da ich krankheitsbedingt nicht mitfahren kann, warte ich mit Herrn F. in der Nähe der Kasse. Herr J. verschwindet gemeinsam mit meinen Mitschülern in einem Gang um die Ecke und zeigt ihnen die Räumlichkeiten und Schließfächer.

Kaum sind sie verschwunden - und Herr F. und ich alleine - macht Herr F. einen Schritt auf mich zu.

Dann noch einen.

Und schließlich noch einen.

Plötzlich geht alles sehr schnell. Sein Arm liegt um meiner Schulter und er küsst mich auf die Wange. Hunderte Bilder werden in Sekundenbruchteilen an die Oberfläche gespült und tauchen vor meinen Augen auf. Es sind die gleichen, sich immer wiederholenden Sequenzen: Der Vorfall aus dem Schullandheim zwei Jahre zuvor.

Von einer auf die andere Sekunde erinnere ich mich daran, sehe, was derselbe Lehrer damals tat und spüre, was er gerade im Moment macht: Das Gleiche! Auch in der 6. Klasse begann alles mit Umarmung und Kuss. Mit dem Unterschied, dass danach noch Vieles folgte. Jetzt, beim Schlittschuhfahren, begreife ich, dass sich das hier und heute nicht komplett wiederholen darf. Dass sich all das nicht in seiner ganzen Dimension wiederholen wird!

Also reiße ich mich los und beginne zu rennen. Richtung Ausgang. Herr F. läuft hinter mir her. Er ist schneller, größer, stärker. Er ist Sportlehrer. Und holt mich ein. Jetzt.

Was macht ihr denn da?!

Es ist die Stimme meines Klassenlehrers, durch welche Herr F. unmittelbar stehen bleibt und sich von mir abwendet. Langsam läuft er zurück, ich schließlich auch.

Herr J. hat sicherlich nicht sehen können, was passiert ist und welch gutes Timing er hatte. Für mich jedoch, hat er seit diesem Moment einen Heldenstatus auf Lebenszeit inne.

Meine Klasse kommt ein paar Minuten später umgezogen zu uns und begiebt sich anschließend aufs Eis. Ich bleibe zunächst auf den Zuschauerplätzen sitzen. Mit der Zeit wird es kälter und als Herr J. mich zum vierten Mal fragt, ob ich nicht mit ins Restaurant kommen wolle, mache ich das und setze mich mit an den Tisch - direkt neben Herrn. F.

Neben den BahngleisenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt