Marjorie. Mein Name ist Marjorie

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So begann ich ihm, alles, was ich hier kurz unter meiner persönlichen Asexualität zusammenfasse, zu erzählen. Ich wartete darauf, dass er mich unterbrach, dass er mir, wie so viele vor ihm, erklären würde, dass ich nur noch nicht den Richtigen getroffen hätte, dass ich nur noch nie guten Sex gehabt hätte. Stattdessen hörte er mir zu. Noah hörte mir zu und ließ mich erklären. Als ich endlich schloss mit den Worten „und deshalb werde ich nicht mit dir schlafen, ich hoffe, dass du das verstehen kannst", lächelte er.

„Ich weiß", sagte Noah schlicht. Überrascht sah ich von meinen verknoteten Fingern auf. „Instagram hat diese Funktion, bei der man sehen kann, was deine Freunde liken. Und da du den selben Ace-Spektrum-Seiten folgst, wie ich, leuchtete immer ein »gefällt mj-adams« auf, wenn ich die Beiträge geöffnet habe. MJ, ich weiß, wie du fühlst und ich verstehe es. Mehr noch, ich kann es nachvollziehen." Während er sprach, schob er seinen Ärmel hoch. „Meine Tattoos fallen dir ja nicht zum ersten Mal auf." Noah zwinkerte mir zu und kurz blitzte die erste Nacht auf, die ich in seinem Hotelbett verbracht hatte. Ich hatte die Tattoos nachgemalt, war aber davon ausgegangen, dass er schlief. Sofort schoss mir das Blut in die Wangen. „Als plötzlich alle Jungs anfingen, von ihren ersten Sex-Erfahrungen zu sprechen, habe ich mich noch nicht getraut, den anderen zu sagen, dass ich Mädchen zwar hübsch finde, mehr als hübsch, ich fand Frauen nicht nur hübsch, sondern faszinierend, sinnlich, ja, sogar erotisch, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, mit ihnen zu schlafen. Ich habe nie einen Sextraum gehabt. Ich habe durchaus davon geträumt, eine Freundin zu haben, knutschen, Händchen halten, Kino, alles was dazu gehört, wenn man sich mit 16 eine Beziehung vorstellt. Aber die Vorstellung von Sex war einfach befremdlich und ganz bestimmt nicht erregend. Also habe ich mich informiert. Heimlich natürlich, weil ich sicher war, ich sei nicht ganz normal. Schließlich gehört Sex doch zum Menschsein dazu, dachte ich. Bis ich irgendwann auf einen Aufsatz über Asexualität gestoßen bin. Plötzlich machte das alles einen Sinn. Ich fühlte mich nicht mehr unnormal, weil ich wusste, es gibt einen Namen für das, was ich fühle, es gibt andere, die genauso fühlen. Und statt eines Autors war am Anfang dieses Aufsatzes eine Spielkarte aufgezeichnet. Ein Herz-Ass. Als ich zwanzig war und ziemlich sicher, dass es nicht nur »eine Phase« ist, wie mein Cousin zu sagen pflegte, ließ ich mir den Baum tätowieren. Ein Baum, weil trotzdem Liebe in mir wachsen kann, als Wurzel das Herz-Ass, weil das immer die Grundlage meiner Gefühle ist. Nicht sexueller Natur, sondern romantischer. Ich kann dich verstehen, MJ, weil ich genauso bin. Ich kann dich lieben, weil ich dich verstehe." Jetzt war ich definitiv rot angelaufen.
Noah griff nach meinen Händen und blickte mich abwartend an. Ich wusste, dass er wollte, dass ich etwas sagte, aber mein Hirn war noch nicht fertig damit, seinen Monolog zu verarbeiten. „Hast du mich gehört?" Meine Gedanken fuhren noch immer Karussell. Baum. Herz-Ass. Asexuell. Romantische Liebe. Liebe. Moment! Liebe? Er kann mich lieben?

„Kannst du den letzten Teil noch mal wiederholen?", brachte ich schließlich heraus. Vielleicht hatte mein Hirn schon aufgehört, Informationen aufzunehmen, bevor er geendet hatte und ich hatte mir diesen letzten Satz eingebildet? Wie der freudsche Versprecher, nur halt mit freudscher Einbildung von Sätzen. Oder so. Noah hob meine Hände zu seinem Mund und presste seine Lippen auf meine Fingerspitzen. Dann schlug er die Augen auf und blickte mich direkt an.

„Ich liebe dich, MJ", widersprach er meiner Theorie der freudschen Einbildung.

„Mein... Also, ich... Also, Marjorie", stotterte ich, während mein Hirn noch Freud beschimpfte. Noah runzelte die Stirn und hob dann fragend eine Augenbraue. „MJ ist kurz für Marjorie", brachte ich diesmal einen ganzen Satz zustande. Noahs Gesicht hellte sich auf.

„Also, Marjorie Adams, willst du noch etwas anderes dazu sagen, oder darf ich dich erstmal küssen?" Noah stand einfach auf, kam um den Tisch herum und nahm mein Gesicht in beide Hände. „Ich mach dann einfach mal."


Es ist ein bisschen kürzer als sonst, aber dafür gibt es doch am Inhalt nun wirklich nicht viel zu meckern, oder? Zu dem Foto: Ich wollte euch eine Idee davon geben, wie ich mir das Tattoo vorstelle, deshalb habe ich das skizziert, aber ich bin weder großer Künstler, noch Tattoodesigner, deswegen seid nicht zu hart im berurteilen, bitte!

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