Freitagnachmittag um Punkt drei Uhr klingelte es an der Haustür. Ich war erst vor einer halben Stunde aus dem Büro gekommen, weil ich mit Alex über den Layouts gehangen hatte, deshalb saß ich noch vor meinem verspäteten Mittagessen.
„Das ist schon Caroline! Mein Gott, pünktlich wie die Maurer!", rief Chiara gut gelaunt, während sie über die Flurdielen zur Tür schlitterte. „Hallo?" Ich konnte nicht hören, was Caroline in die Gegensprechanlage antwortete, aber Chiara sagte: „Klar, ich komme eben runter!", also musste sie wohl um Begleitung hinauf gebeten haben. Schnell stopfte ich mir die letzten Nudeln in den Mund (ja, ich konnte jeden zweiten Tag Nudeln essen und ja, ich konnte nie genug von ihnen bekommen) und stellte den Teller in die Spülmaschine. Caroline würde zwar nicht sehen, wie es aussah, aber ich fühlte mich einfach besser, wenn mein Nudelsoßen-verschmierter Teller nicht herumstehen würde, wenn wir der neuen Mitbewohnerin die Wohnung zeigten. Gerade, als ich die Spülmaschine zuklappte, hörte ich die Krallen von Schlumpf im Hausflur tappen. Ich ging ihnen entgegen.
„Hey, Schlumpf!", konnte ich nicht an mich halten und wollte zuerst den Hund begrüßen. Der schokobraune Labrador stieß das Bein seiner Besitzerin an und erst als die ihm das Geschirr und die Leine abnahm und ihm so zu verstehen gab, dass er sie allein lassen könnte, kam er zu mir getrottet und drückte seinen Kopf gegen mein Bein. Ich grinste glücklich. Gebt mir einen Hund und jeder Stress ist vergessen. Ich liebte Hunde einfach. Ich kraulte Schlumpf mit der einen Hand hinterm Ohr, mit der anderen berührte ich leicht Carolines Arm. „Hi, Caroline! Hast du alles gut gefunden?" Sie zuckte mit den Achseln und ich hielt weiter Augenkontakt, auch wenn ich wusste, dass sie mich, wenn es überhaupt hell genug war im Flur, nur als Schemen wahrnahm. Sie hatte uns erzählt, dass sie ihr Augenlicht mit zwölf fast komplett an eine Krankheit verloren hatte. Caroline besaß nur noch knappe 3% Sehfähigkeit und verließ sich deshalb im Alltag auf Schlumpf. Auch, dass es sehr mutig war, in eine fremde Stadt zu ziehen, hatte sie erzählt, denn in ihrem Heimatort kannte Schlumpf die Wege zum Supermarkt, zur Apotheke, zu all den wichtigen Punkten, die Caroline gerne besuchte, hier wurde sie meist von einer Freundin begleitet, die wir aber noch nicht getroffen hatten. Auf Schlumpf wollte sie dennoch nicht verzichten und das konnte ich gut verstehen. Auch im Haus konnte Schlumpf viel für Caroline suchen. Sie hatte zum Beispiel erzählt, dass er großartig darin war, ihr Handy zu finden, wenn sie es verlegt hatte. Sicherheitshalber war es immer in einer kleinen Stofftasche, die einen bestimmten Duft abgab, so dass Schlumpf das Handy erschnüffeln und dann gefahrlos ins Maul nehmen konnte. Es faszinierte mich immer, wie Mensch und Tier zusammenarbeiten konnten und das alles, was der Hund dafür verlangte, Liebe und viele kleine Snacks waren.
„Naja, also war das kein Problem. Ich habe allerdings vergessen, in welchem Stockwerk ihr seid, deshalb habe ich Chiara gebeten, kurz herzukommen." Caroline lächelte und streckte dann die Nase in Richtung der Küche. „Es riecht gut", erklärte sie und ich schaute überrascht von Schlumpf hoch.
„Das kannst du noch riechen? Ich habe das gestern schon gekocht, heute habe ich es nur nochmal warmgemacht!" Caroline nickte und tastete sich zum Türrahmen vor. „Oh, Mann, was sind wir Esel, komm erst mal rein, soll ich dich in die Küche führen?" Ich berührte ihren Arm, so dass sie nach meiner Hand greifen konnte.
„Warn mich bitte nur, wenn irgendwo Schuhe herumliegen, oder ein Teppich kommt."
Zwei Stunden später verließen Caroline und Schlumpf uns wieder und ich stieß den Atem aus. Das würden anstrengende sechs Wochen werden. Caroline hatte gesagt, es würde nur einige Tage dauern, bis sie alles mehr oder weniger problemlos finden würde, aber bis dahin hieß es für mich, dabei zu sein, wenn sie kochen wollte, oder einkaufen ging. Wir wussten alle drei, dass sie niemals mit uns zusammen gezogen wäre, wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, mit Selina zusammenzuziehen oder mit jemandem, der schon Erfahrungen damit hatte, mit blinden zusammenzuwohnen, aber alles, was sonst eine Möglichkeit gewesen wäre, war mindestens doppelt so teuer. Also hatte sie versucht, uns, beziehungsweise mir, zu erklären, worauf ich mich einlassen würde, wenn sie einzöge. Es war eine Menge, aber Caroline war unglaublich nett, sie war langsam wirklich verzweifelt, denn ihr Praktikum sollte ihn nur etwas mehr als vier Wochen anfangen und bis dahin wollte sie sich gut zurechtfinden. Außerdem würde ich mir in den Hintern beißen, wenn ich mir die Möglichkeit entgehen lassen würde, zum einen, neues zu lernen, zum anderen, einen so wohl erzogenen Hund im Haus zu haben.
„Es wird ganz schön heftig werden", meinte Chiara, als wir uns wieder in die Küche gesetzt hatten.
„Allerdings", gab ich zurück und ergänzte: „Aber Caroline ist ein Engel, Schlumpf ist super und wenn sie die nächsten Wochen bis zum Einzug wirklich immer mal für ein paar Stunden vorbeikommt, sind die größten Umgewöhnungs-Schwierigkeiten schon überwunden, wenn sie endgültig kommt. Ich könnte Schlumpf die Wege zum Supermarkt zeigen. Es sind nur zwei Straßen. Das lernt er bestimmt schnell. Selbst wenn sie nur sechs Wochen hier sind, ist es für Caroline bestimmt schöner, selbst zum Laden zu gehen, wenn sie etwas will und nicht immer mich bitten zu müssen. Du hast gesehen, wie stolz sie ist." Chiara nickte.
„Sie ist dankbar, wenn ihr jemand hilft, besteht aber auch darauf, alles, was sie schaffen kann, selbst wenn es noch so anstrengend ist, auch selbst zu machen. Allein, dass sie sich traut, für ein sechswöchiges Praktikum in eine unbekannte Stadt zu ziehen, wo sie nur eine Person kennt. Und dann auch noch zu dir Chaotin in die Wohnung zieht...", zog sie mich auf und ich knuffte sie über den Tisch. Meine beste Freundin lachte nur und setzte noch hinterher: „Und das Ganze hat einen Vorteil für dich: Sobald Caroline hier wohnt, wirst du so beschäftigt mit ihr und Schlumpf sein, dass du gar keine Zeit hast, dir Gedanken über hübsche Köche zu machen!" Böse funkelte ich sie an. Aber irgendwo hatte sie recht, denn bis sie gerade das Thema aufgebracht hatte, hatte ich nicht eine Sekunde an Noah gedacht. Nun ja, vielleicht schon ein paar Sekunden, aber er hatte sich nie so in meinen Gedanken breit machen können, wie er es in den letzten Tagen zu tun gepflegt hatte.
„Bis Caroline einzieht, muss das Kochbuch fertig sein und ich sehe ihn wahrscheinlich nie wieder!", konterte ich reichlich verspätet, als mir genau das klar geworden war. Bis dahin waren es nur noch dreieinhalb Wochen.
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Bikers do better
RomantizmFür Marjorie, gerufen MJ, läuft es gut: Wenn sie dieses Projekt abschließt, winkt ihr der Job des Creative Directors und eine fette Gehaltserhöhung. Nur dieses Projekt, und ihr Traum wird Wirklichkeit. Leider hat aber der Koch Noah Richards ziemlic...