...weil ich ihn anzeigen will!

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Es war ein Mann, bestimmt 1,90 groß, er hatte breite Schultern und hellbraune Haare mit sonnengebleichten Strähnen. Ich musste mir einprägen, wie er aussah, falls er irgendwas mit meiner Maschine angestellt hatte.

„HEY!", brüllte ich und der Mann, der gerade über meinen Sitz strich hob den Kopf. „Finger weg von meinem Motorrad!" Jetzt sah ich sein Gesicht. Er war leicht gebräunt, seine Nase war gerade und seine Lippen voll, aber irgendwas stimmte mit seinen Augen nicht.

„Kleines Motorrad für kleine Frau, das passt ja wie Faust aufs Auge!", grinste er.

„Du kriegst gleich eine Faust aufs Auge, wenn du nicht von meinem Motorrad bleibst!" Der Typ hob beide Hände als wollte er sich ergeben und hatte die Frechheit mich weiter anzugrinsen.

„Schlagfertig, in allen Bedeutungen. Süß!" Er zog eine Augenbraue hoch und ich spürte, wie seine Blicke an mir herunterwanderten. Ich versuchte, mich nicht von den Blicken eines dahergelaufenen Mannes einschüchtern zu lassen, auch wenn besagter Mann mich um locker 25 Zentimeter überragte und Arme hatte, die muskulös genug waren, dass sein Shirt sich darum spannte. So ging ich weiter auf ihn - und mein Motorrad – zu und hielt Blickkontakt. Jetzt wusste ich auch, was mich an seinen Augen gestört hatte: Sein rechtes Auge war blau, sein linkes Auge aber nicht. Zumindest nicht nur. Seine Iris war im linken Auge zur Hälfte braun. Er schien bemerkt zu haben, dass es mir aufgefallen war, denn er zwinkerte mir kurz zu, dann trat er zurück und schob sich die Ärmel seines Shirts hoch, die gerade im Begriff waren, herunter zu rutschen. Mir fielen Tätowierungen an einem seiner Arme auf. Ich versuchte, sein Zwinkern zu ignorieren und einen genaueren Blick darauf zu werfen, denn, wie gesagt, musste ich mir schließlich jedes Detail merken! Leider rutschte sein Ärmel die entscheidenden zwei Zentimeter wieder herunter. Also wandte ich ihm demonstrativ den Rücken zu und ließ stattdessen einen prüfenden Blick über mein Motorrad wandern. Mir fiel nichts auf, was er gemacht haben könnte, deshalb setzte ich, ohne ein weiteres Wort an den Typen zu richten, meinen Helm auf, schob die Maschine vom Ständer und startete den Motor. Dann ruckte ich mit dem Kopf, um ihn aufzufordern, Platz zu machen. Mit einem letzten, großspurigen Grinsen trat er zur Seite und ich fuhr los. Was ein Ochse! Ich hasste solche Typen. Frauen auf Motorrädern schienen etwas in Männergehirnen außer Kraft zu setzen. Ich mochte die Blicke nicht, die einem dann zugeworfen wurden, auch nicht, wenn sie aus faszinierenden Augen kamen!

Abends gab es für Chiara und mich Reste der Lasagne von vorgestern und über dem Essen erzählte ich ihr von dem Zwischenfall. Sie begann so heftig zu lachen, als ich von dem „Faust aufs Auge"-Wortwechsel erzählte, dass sie sich tierisch verschluckte. Als sie knapp dem Erstickungstod entronnen war, und wieder ordentlich atmen konnte, sagte sie: „Vielleicht fand er einfach dein Motorrad toll! Du wurdest schließlich schon häufiger angesprochen!" Ich verdrehte die Augen. Chiara hatte Ahnung von vielem, aber definitiv nicht von Motorrädern. Nicht, dass ich Expertin war, aber ich fuhr immerhin schon fast zehn Jahre und ging auch an banale Dinge wie Motorräder mit ein bisschen Menschenverstand.

„Ja, Chiara, von Leuten, die so groß sind wie ich. Oder von Frauen. Weil das ein kleines Motorrad ist! Ich würde meine Kawa für nichts auf der Welt eintauschen, aber so ein Schrank? Für den muss das aussehen wie ein Kindermoped! Und selbst wenn nicht! Man fasst nicht einfach so fremde Motorräder an!" Chiara lachte wieder, hatte aber wohlweißlich nicht noch einmal versucht, beim Lachen Lasagne zu essen.

„Der hat dich ja mächtig aufgeregt!"

„Na klar! Hast du mir nicht zugehört? Ich erwische den bei...", ich stockte kurz. Bei was hatte ich ihn eigentlich erwischt? „Naja, bei was auch immer er vorhatte und der grinst mich einfach an! Und dann klopft er auch noch Sprüche! Das geht doch nicht!"

„War er denn hübsch?", fragte Chiara, nur noch grinsend.

„Also, schlecht sah er nicht aus. Relativ groß, schlank, tolle Augen..." In diesem Moment fiel mir auf, was sie getan hatte. „Hey, lenk mich nicht vom Thema ab!" 

„Erwischt!", kicherte Chiara wieder los. „Na los, erzähl mehr von dem Sahneschnittchen!" Oh Gott, Sahneschnittchen? Wer sagt denn sowas?

„Ich habe mir nur gemerkt, wie er aussah, weil ich in anzeigen wollte, wenn etwas mit meinem Motorrad gewesen wäre!", verteidigte ich mich. Chiara wackelte erwartungsvoll mit den Augenbrauen. „Er hatte verschiedenfarbige Augen", gab ich schließlich auf und erzählte ihr, was sie hören wollte. „Eins war ganz blau, das andere war halb braun und halb blau. Wenn ich das richtig gesehen habe, hatte er Tattoos auf einem Arm und seine Haare waren an den Seiten kurz und oben einen Tick zu lang. Volle Lippen, gerade Nase... Kann ich dir sonst noch was zum Aussehen des Kerls erzählen, der sich EVENTUELL AN MEINEM MOTORRAD ZU SCHAFFEN GEMACHT HAT?" Chiara grinste nur und schüttelte den Kopf.

„Nö, ich weiß auch so, dass du ihn heiß fandst! Wobei, ich könnte wetten, dass er Boots anhatte oder? Biker-Boots? Sonst gefällt er dir nicht!" Ich beschloss, ihr nicht zu sagen, dass er tatsächlich Boots getragen hatte, denn obwohl er im Nachhinein betrachtet nicht schlecht aussah und nicht wirklich etwas an meiner Maschine gemacht hatte, war er immer noch ein großspuriges Arschloch. Meine beste Freundin grinste kurz. Dann wurde ihr Blick ein bisschen wehmütig.

„Das werde ich ziemlich vermissen!" Ich legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an mich.

„Du hast selbst gesagt, du ziehst nicht weit weg, dass heißt, wir können das jederzeit trotzdem haben. Wir verbannen Kyle einfach in euer Bibliotheksbüro und dann beschlagnahmen wir das Wohnzimmer und trinken uns durch die Bar!", munterte ich sie auf. Mir ging es natürlich genauso, aber alles, was ich gerade gesagt hatte, stimmte ja, insofern würde das kein Weltuntergang werden. „Komm, wir schauen mal, ob sich schon jemand auf das Inserat gemeldet hat und spielen WG-Bachelor!"

Tatsächlich war das Inserat erst seit gestern Nachmittag online, doch es hatten sich schon drei Leute gemeldet. Eine Person war Raucher, die sortierten wir sofort aus, mit den anderen beiden verabredeten wir uns nacheinander für Montagabend.

Bikers do betterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt