Girl from the North Country - Bob Dylan

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Ich liege im Spital. Mir tut alles weh, Diagnose Lungenentzündung. Plus Kettenraucher. Nicht die beste Mischung. Ich habe Mühe mit Atmen.

Es klopft an der Tür. "Kann ich herein kommen?" fragt mein bester Freund Bob. "Natürlich." bringe ich hustend hervor. Er öffnet die Tür.

"Ich muss dich noch einmal sehen." Die Ärzte rechnen damit, dass ich in den nächsten Tagen sterben werde.

"Schön, dass du da bist. Ich freue mich." Ich schnaufe, als wäre ich gerade Meilenweit gerannt. Dabei habe ich nur 8 Wörter gesagt.

"Darf ich dir einen Auftrag geben?" fragt mich Bob. Ich nicke.

"Wenn du in den Norden gehst. Wenn du im schönen Land im Norden angekommen bist, kannst du mir bitte das Mädchen grüssen, das einst meine grosse Liebe war?" Ich nicke abermals.

"Wenn es kalt ist, sorg bitte dafür, dass sie einen warmen Mantel hat." Ich nicke.

"Sorg bitte dafür, dass ihr Haar lang ist, denn so kann ich mich am besten an sie erinnern." Ich nicke noch einmal.

Und dann gehe ich.

Ich habe mich schon bereit gemacht und gepackt für die Reise ins schöne Land im Norden.

An der Grenze zum schönen Land weht der Wind mächtig. Es weht mich beinahe fort. Ich bin nur noch ein Gestell aus Knochen und Haut, die Lungenentzündung hat an mir gezehrt. Doch jetzt bin ich im schönen Land im Norden angekommen.

Dies Land ist das einzige, das man ohne Pass oder Papiere betreten darf. Es gibt keine Zölle.

Es ist das schöne Land im Norden.

Als ich über der Grenze war, merkte ich, dass Winter ist. Hier herrscht ein Schneesturm. Der Sommer ist zu Ende, hier im hohen Norden.

Ich erinnere mich an die letzten Worte von Bob: 'Wenn es kalt ist, sorg bitte dafür, dass sie einen warmen Mantel hat.'. Es ist kalt. Also muss ich nur noch das Mädchen finden. Das Mädchen, das einst Bob's grosse Liebe war.

Ich begab mich wieder an die Grenze. Dort führen sie eine Liste, wer das Land bewohnt. Das Land ist unendlich gross und ohne diese Liste wären sie verloren. Neuankömmlinge fänden sich nie zurecht und würden ihre Angehörigen nie mehr finden.

Ich wartete in einer grossen Schlange. Während ich wartete, konnte ich den Flocken zusehen, wie sie sachte auf den Boden fallen. Es ist sehr still. Doch es ist sehr schön. Würde es Lärm geben, so wie in meinem Heimatland, wäre es nicht so schön. Es würde seinen Zauber verlieren, das Land im hohen Norden.

Langsam rückt die Schlange vorwärts. Vor mir steht ein dunkelhäutiger Mann. Er sieht schon recht alt aus. Er trägt schmutzige Arbeiterhosen und ein löchriges Hemd. Er stützt sich auf einem Stock ab. Hinter mir steht eine junge Frau, sie ist Asiatin. Sie scheint recht reich gewesen zu sein, denn sie trägt viel Schmuck. Doch hier im Land im Norden ist es egal, wer wie reich beschmückt ist. Hier geht es allen gut.

Nun bin ich schon an der Reihe. Ich bringe mein Anliegen an. Die Frau am Schalter, südamerikanischer Herkunft, erklärt mir, wie ich zu dem Mädchen komme. Auch erklärt sie mir, wo ich einen Mantel einkaufen kann.

Ich ziehe also los, zum Bahnhof. Ich habe eine mehrstündige Zugfahrt vor mir. Das Mädchen ist schon vor langer Zeit hierher gekommen.

Während der Zugfahrt komme ich mit meinem Sitznachbar ins Gespräch. Auch er ist schon länger im Land. Er ist aber noch nicht so alt, etwa 60 Jahre alt. Er erzählt mir, wie schön es hier ist. Hier oben verstehen sich sogar die schlimmsten Feinde, hier oben gibt es keine Grenzen, keine verschiedene Sprachen. Hier oben herrscht Frieden.

Am nächsten Bahnhof muss ich aussteigen. Lustigerweise muss auch mein Sitznachbar aussteigen. Wir reden noch ein bisschen weiter, bis er in eine Gasse abbiegen muss. Er erklärt mir, wo genau ich hingehen muss.

Ich befolge seine Wegweisungen und komme, nach zweimal rechts abbiegen, beim Mädchen an. Auch einen Mantel habe ich im Gepäck.

Ich klopfe an und bald darauf öffnet sie mir die Tür. Sie sieht immer noch hübsch aus. Ich richte ihr den Gruss von Bob aus. Sie fragt, wie es ihm geht. "Es geht ihm gut. Er betet viel für dich. Tag und Nacht. Wie geht es dir?" "Mir geht es auch gut. Mir gefällt es hier sehr. Es ist so friedlich hier!" "Erinnerst du dich gut an Bob?" "Ja, ich denke oft an ihn. Hat er immer noch seine Gitarre?" "Ja, er spielt oft mit ihr, wenn er an dich denkt." "Hoffentlich spielt er auch für dich." "Bestimmt!" "Kann ich dir irgendwie dienen?" "Ich soll dir viele liebe Grüsse von Bob ausrichten. Ausserdem soll ich dir diesen Mantel geben, wenn die Flüsse zufrieren. Er soll dich vor dem heulenden Wind beschützen." "Oh, er ist sehr schön, vielen Dank!" "Ich soll auch dafür sorgen, dass du deine langen Haare behältst. So kann er sich am besten an dich erinnern." "Natürlich werde ich meine Haare nie abschneiden. Ich weiss, wie sehr Bob sie geliebt hat. Wird er auch bald kommen?" "Ich weiss es nicht. Er hat nicht danach ausgesehen, als ich ging. Aber vielleicht ändert sich dies ja bald, wer weiss..." "Ich möchte ihn wieder einmal sehen. Ich vermisse ihn." "Ich weiss."

Ich umarme sie.

"Ich weiss."

What about dying?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt