AM ANFANG ist es dunkel. In dieser Dunkelheit zeichnen sich Bäume ab. Eine Lichtung. Man erkennt es nur daran, dass einige Schatten dunkler sind als andere. Auf dem Boden erheben sich einige Erdhügel. Kleine Buckel darauf deuten darauf hin, dass etwas darauf liegt. Steine. Stöcke.
Mit dem ersten Licht formt sich zwischen den Erdhügeln eine Gestalt. Sie wirkt menschlich, steht aufrecht da, den Kopf gesenkt. Noch wirkt sie nicht komplett definiert; ihre Ränder sind wie Rauch. Es sieht so aus, als würden die Schatten der Bäume und der Hügel sich versammeln und auf einen Punkt zentrieren, um diese Gestalt zu bilden. Dafür wird es um sie herum heller, je konkreter ihre Züge werden.
Die Gestalt regt sich nicht.
Die Szene wechselt.
Es ist früher Morgen, die Sonne ist gerade aufgegangen. Sie beleuchtet einen Hügel, auf dem verstreut Holzpfeile und Stämme liegen. Flackernde Glut verrät, dass hier vor kurzem ein Feuer gebrannt hat, doch der Ort ist verlassen. Aus einem der Holztrümmer ragt eine kleine Hand.
Die Gestalt steht immer noch da. Ihr Kopf ist immer noch schräg geneigt, als würde sie nachdenken. Als würde sie erst anfangen, zu begreifen. Die Sonne scheint noch ein ganz bisschen durch sie hindurch, aber die Gestalt ist schon fast greifbar.
Die Szene wechselt.
Grobe Wege, Mauern pflastern jetzt den Boden anstatt Gras. An den kalten Stein gelehnt kauern Menschen. Sie sind in Stofftücher verhüllt. Es stinkt nach Exkrementen und nach Schweiß. Ein leises Wimmern hängt in der Luft.
Die Gestalt ist mitten unter ihnen, ohne dass irgendjemand von den Menschen ihr Beachtung schenkt. Sie steht nur da, schweigend. Ihre Kleidung ähnelt den Menschen um sie herum und passt doch nicht dazu, wie die eines fremden Reisenden.
Die Gestalt beobachtet nur stumm.
Die Szene wechselt.
Donnern erfüllt die Luft. Schreie. Menschen in Uniformen stürmen über das Feld, werfen sich in Gräben. Jedes Mal, wenn eine kurze Stille eintritt, klettern einige heraus und versuchen, weiter über das Feld zu kommen, die schützenden Mauern zu erreichen. Jedes Mal bleiben einige von ihnen liegen.
Die Gestalt kümmert weder Donnern noch Schreie. Sie steht jetzt gerade da und schaut sich um. Die Gestalt trägt auch eine Uniform, aber eine andere als die der Soldaten um sie herum. Würden die Männer um sie herum die Gestalt sehen können, würden sie sie als die feindliche Uniform erkennen.
Die Gestalt steht sehr stramm, und die Uniform ist sehr tadellos. Nur an ihrer Brust ist ein kleiner, roter Fleck.
Wieder wechselt die Szene.
Die Gestalt steht auf einem freien Feld. Auf den ersten Blick scheint es dort nichts zu geben; der Boden ist bedeckt von Asche und Staub und Steinen.
Die Gestalt sieht stumm herab. Die Steine um sie herum gleichen Schädeln. Nicht alle Augenhöhlen sind leer, und an manchen klebt noch Haut, sogar Haare. Es riecht nach verbranntem Fleisch. Fingernägel, Brotboxen und verkohlte Kleidungsstücke vermengen sich mit der Asche und dem Staub.
Die Gestalt ist längst fest geworden. Gerade trägt sie weibliche Züge, langes schwarzes Haar, nach hinten gesteckt. Sie steht einfach inmitten der Leichen, als würde sie das alles nicht berühren. Sie unternimmt keine Versuche, die Toten zu untersuchen. Sie selbst ist unversehrt, trotz der vergifteten Luft, trotz der Hitze, die jedem Menschen das Atmen unmöglich machen würde.
Die Szene wechselt.
Die Gestalt ist jetzt ein junger Mann, und um sie herum wimmelt es von beschäftigten Menschen in weißen Kitteln. Sie steht in einem Krankenhaus in einem anderen Ort, in einer anderen Zeit.

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Zoey
Novela JuvenilHast du dich jemals gefragt, was mit deinen Ideen passiert, wenn du stirbst? Mit all deinen Talenten und Einfällen und Leidenschaften, die du unbenutzt mit ins Grab nimmst? All das, was du dir vorgenommen hast zu tun? Stell dir vor, dass es einen...