Prolog

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»Wegen dir geht es mir schlecht!«, sind seine Worte. »Ich habe mein ganzes Leben für dich geändert! Und jetzt lässt du mich fallen?« Sein Gesicht zeigt keine Trauer oder Schmerzen. Es zeigt Wut. »Alles habe ich für dich getan. Alles! Und du? Du tust nichts! Du kämpfst nicht mal um uns! Bin ich dir so egal?«
»Nein«, erwidere ich und setze an, auf seine Fragen zu antworten.
»Was soll ich denn noch tun, damit du das, was wir hatten, nicht einfach hinwirfst?«, unterbricht er mich. »Uns ging es doch gut, wieso willst du das nicht mehr?«
»Dir ging es vielleicht gut«, murmle ich.
»Willst du mir jetzt sagen, dass ich ein schlechter Partner bin? Hast du deine Liebe nur geheuchelt?«
»Nein.« Aber er lässt mich wieder nicht zu Wort kommen.
Alles, was er sagt sind Vorwürfe und Beleidigungen. Jede Erklärung, die ich ihm gebe, überhört er oder bezeichnet sie als gelogen und erfunden.
Verzweifelt reibe ich meine Augen und versuche dem Druck, den er auf mich ausübt, zu entkommen.
Es tut mir weh, zu hören, was für eine schlechte Freundin ich wohl gewesen bin und stelle ihm die Frage, wieso er dann so lange bei mir geblieben ist.
Weil er mich liebt, ist seine Antwort. Die gleiche Antwort, die ich ihm gebe, wenn er mich fragt, wieso ich noch bei ihm bin. Aber das akzeptiert er nicht.
Er will von mir geliebt werden, akzeptiert aber nicht, dass ich es wirklich tue. Glaubt mir nicht.
Ich gebe zu wenig, er zu viel.
Er schenkt mir Blumen, führt mich zum Essen aus, füttert die Katze, damit ich das nicht mehr tun muss. Er massiert mich. Er tut so viel für mich. Er liebt mich.
All meine Briefe an ihn, in denen ich ihm schrieb, wie sehr ich ihn liebe. All die schönen Abende auf Konzerten seiner Lieblingsband, weil ich ihm die Tickets geschenkt habe. All die Erledigungen, die ich für ihn gemacht habe, damit er nach seiner harten Arbeit nichts mehr tun muss. All das zählt für ihn nicht. Entweder ich habe das nie getan, oder es war Selbstverständlichkeit, die zu einer Beziehung gehört. Ich liebe ihn nicht.

Nie macht er Fehler. Nie ist er an etwas Schuld.
Wenn er mit der Kellnerin flirtet, ihr an den Hintern fasst und sie küsst, während ich daneben sitze, ist das nicht schlimm. Er ist doch bloß nett zu ihr. Wenn man zu Kellnerinnen nett ist, wird man besser bedient, hat er gesagt.
Habe ich ihn von seinen Abenden mit seinen Kumpels abgeholt, fand ich oft eine hübsche Frau auf seinem Schoß. Er war doch nur nett zu ihr, hat er gesagt. Dann ist er sauer geworden, und hat mir vorgeworfen, dass ich ihm keinen Spaß gönne und ihm immer alle Abende versaue.

Er ist nie schuld.
Ich bin schuld.
Immer.

Er tut immer alles.
Ich tu' nichts.
Nie.

Er liebt mich.
Ich liebe ihn nicht.
Gelogen.

Ich kann das nicht mehr ertragen. Mein Herz brennt lichterloh. Mein Inneres ist zerrissen.
»Ich will dich nicht mehr sehen«, sagt er und deutet auf die Schlafzimmertür. »Pack deine Sachen und geh! Du machst mich kaputt, ich ertrage das nicht mehr!«
Um mir die Zeit zu geben, verlässt er die Wohnung und lässt mich in einer ungewohnten Stille zurück.
Mein Kopf pocht laut und versucht das Gesagte irgendwie zu greifen.
Zugegeben, ich fühle mich aber erleichtert und atme tief aus.

Diese Ruhe, diese Stille, diese Leere. Ich genießesie.

JoleneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt