Müde sitze ich auf der Arbeit vor meinem Computer. Viel mehr starre ich den Monitor an, anstatt effektiv zu arbeiten.
Viel zu sehr sind meine Gedanken noch bei dem Wochenende. Bei dem Abend. Bei der Nacht. So viele Erinnerungen, die mir fehlen. Außer jene, die die Rothaarige betreffen. Vermutlich ist sie die einzige Erinnerung, die ich überhaupt noch an diesen Abend habe.
Naddy hat mir erzählt, dass es sie gefreut hat, dass ich mal so aus mir herausgekommen bin. Denn sonst bin ich eher der gemächliche Typ, der wenig bis keinen Alkohol trinkt. Entsprechend habe ich wohl auch nicht viel gebraucht, andererseits habe ich bereits in der ersten Bar schon einiges in mich hinein gekippt. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mal mehr, wie viele Whiskys und Cocktails es waren, die mir die Rothaarige ständig spendiert hat.
Als Naddy und ich gestern noch über diese Frau geredet haben, war sie fassungslos, dass ich ihren Namen gar nicht weiß. Sie hat regelrecht mit mir geschimpft, dass man sich wenigstens einander vorstellt und nach solch langen Gesprächen die Handynummer tauscht. Wir haben beides nicht getan. Zumindest erinnere ich mich nicht und ich habe auch keinen fremden Namen in meiner Kontaktliste.Noch jetzt, zwei Tage später, zehre ich von den Nachwirkungen.
Vorhin hat mir Naddy mit einem frechen Schmunzeln ein Glas mit Aspirin hingestellt, und auch jetzt noch grinst sie dreckig, wenn sie an meinem Schreibtisch vorbeiläuft.
»Hör' auf damit«, zische ich ihr jedes Mal zu.
»Ich kann nicht«, antwortet sie dann lachend. »Das ist ein Anblick, den ich noch nie gesehen habe. Lass es mich doch genießen.«
Dass sie Fotos von mir macht, gefällt mir überhaupt nicht. Aber ich habe nicht die Kraft mich dagegen zu wehren. Beim letzten Mal allerdings ist es mir gelungen, eine Grimasse zu schneiden. Jetzt habe ich mir eine Sonnenbrille aufgesetzt. Das Licht des Monitors und der Deckenbeleuchtung blendet mich einfach zu sehr. Außerdem hoffe ich so, sie davon abzuhalten, weitere Fotos zu machen.
Allerdings findet sie das nun noch entzückender.
Ganz ehrlich: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Ich seufze.
Aber ich brauche keine Angst davor haben, dass diese Fotos die Runde machen. Höchstens Dennis wird sie zu Gesicht bekommen, aber sonst niemand. Soweit kann ich ihr vertrauen.
Abgesehen davon hätte ich ebenfalls etliche Fotos von ihr, mit denen ich kontern könnte - und das weiß sie.Das anhaltende vibrieren meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Wobei das viel mehr Versuche sind, meine Erinnerung zurückzuerhalten.
Sechs neue Nachrichten, drei verpasste Anrufe. Erneut seufze ich und lege das Handy wieder beiseite.
Gestern habe ich, soweit es mir möglich war, einige von Martins Nachrichten versucht zu beantworten. Gelang mir nur mindermäßig, aber es hat gereicht, um ihn ein wenig milder zu stimmen. Zumindest hat er mich dann den Rest des Tages weitestgehend in Ruhe gelassen.
Ich weiß genau, wenn ich seine Nachrichten jetzt öffne, wird sein erster Text ein 'Guten Morgen, wie hast du geschlafen?' sein. Die letzte Nachricht eher ein 'Hallo???' - oder alternativ nur '??'
In der Kürze liegt ja bekanntlich die Würze.Als mein Handy unvorstellbare zehn Minuten schweigt, traue ich mich, die Nachrichten zu öffnen.
Arschloch (6:43 am): »Guten Morgen Süße, hast du gut geschlafen?«
Arschloch (7:25 am): »Ich hoffe du hast besser geschlafen, als ich.«
Arschloch (7:53 am): »Dass du schlafen kannst, zeigt mir, wie egal ich dir bin.«
Arschloch (7:54 am): »Vermutlich hast du mich nie geliebt.«
Arschloch (8:10 am): »Bist du gut auf der Arbeit angekommen?«
Arschloch (8:37 am): »??«Stimmungsschwankungen, wie eine Schwangere. Wieder seufze ich und beginne zu Antworten.
Cait (8:52 am): »Ja, Naddy hat mich sicher zur Arbeit mitgenommen.«
Auf die anderen Nachrichten gehe ich nicht ein. Das würde ohnehin nur eine nervtötende und energiezehrende Diskussion werden. Und Energie ist etwas, das ich heute nicht besitze.
DU LIEST GERADE
Jolene
RomanceCait durchlebt gerade eine schwere Trennung. Ihr Ex-Freund Martin will dies aber nicht einfach so hinnehmen und setzt alles daran, sie wiederzubekommen. Allerdings stellt er sich dabei nicht sehr förderlich an. Zur selben Zeit tritt die selbstbewus...