[Vier] - Strandparty

3.2K 173 8
                                    

Ahnungslos stehe ich vor dem großen Spiegel in meinem neuen eigenen Schlafzimmer und halte mir im Wechsel immer wieder zwei verschiedene Kleider vor meinen Körper.
Dank Naddy habe ich die Wohnung unter ihr bekommen. Immerhin hat sie es mit ganz viel Make-Up geschafft, mich menschlich aussehen zu lassen.
Zu meinem Glück verfügte die Wohnung über ein paar Möbel, so dass ich mir nur ein Bett und eine Couch organisieren brauchte. Letztere habe ich von Naddys Eltern bekommen, ein Bett allerdings musste ich mir kaufen. Durch dieses, der Kaution, die ich hinblättern musste und die erste Miete sind meine Ersparnisse nun verbraucht. Dafür aber habe ich jetzt meine eigenen vier Wände und kann die Welt um mich herum aussperren, wenn mir danach ist.
Allerdings darf jetzt sonst nichts passieren, was Geld kostet; eine Autoreparatur zum Beispiel. Die würde mich in den Ruin treiben.

Heute Abend ist die jährliche Strandhausparty, die immer am ersten Juli-Wochenende stattfindet. Eigentlich will ich da gar nicht hingehen. Partys sind nicht unbedingt mein Ding, aber auch der Gedanke daran, ich könnte dort Martin begegnen, lässt mich unwohl fühlen. Zumal ich ihm noch beichten muss, dass er von mir künftig keine Miete mehr bekommt und sie von nun an alleine tragen muss.
Aber Naddy und Dennis haben auf mich eingeredet und mir versprochen, ihn von mir fernzuhalten, sollte er dort sein.
Er wird dort sein.
Noch nie hat er die Strandhausparty ausfallen lassen. Schließlich rennen dort jede Menge halbnackte und willige Frauen herum, die nicht nur auf der Suche nach einem Cocktail sind.
Zum ersten Mal hoffe ich, dass er sich nur auf diese Frauen konzentriert, denn dann hätte ich vielleicht Ruhe vor ihm.
Aber irgendwie will ich daran nicht so ganz glauben.

Die Türklingel reißt mich aus meinen Gedanken. Seufzend werfe ich die zwei Kleider auf mein Bett und gehe in den offenen Wohnbereich raus. Kurz werfe ich einen Blick durch den Türspion. Erleichtert, Naddy zu erkennen, öffne ich ihr und lasse sie rein.
Ihr Blick wandert über meinen Körper und ein freches Schmunzeln schummelt sich auf ihre Lippen.
»Na, die Hälfte hast du ja schon mal an«, kommentiert sie meinen Anblick.
Bisher habe ich es nur geschafft, mir einen Bikini anzuziehen.
»Kann mich nicht entscheiden«, murmle ich und gehe ins Schlafzimmer zurück.
»Zwischen einem Schrank voll nichts zum Anziehen?«, entgegnet sie kichernd.
»Denen hier.« Ich ignoriere ihre Bemerkung und halte ihr die beiden Kleider vor die Nase, die ich in Betracht ziehe.
Beide sind luftige Sommerkleider. Von Schnitt und Form gefällt mir das Gelbe aber am meisten, allerdings ist es eben gelb. Also sehr auffallend. Und auffallen will ich ganz sicher nicht.
Das andere ist blau-schwarz, erinnert aber mehr an ein Abendkleid und passt nicht wirklich zu einer Strandparty.
»Das Gelbe«, sagt Naddy auch direkt, reißt mir das blau-schwarze aus der Hand und wirft es achtlos in meinen Kleiderschrank zurück. »Dein Bikini ist auch gelb«, bemerkt sie dann. »Passt perfekt zu deiner gebräunten Haut.« Neidvoll betrachtet sie mich.
Sie selbst ist ein eher heller Hauttyp und bekommt allerhöchstens einen ordentlichen Sonnenbrand. Einige Tage rennt sie dann als Krebs durch die Welt, bevor sie wieder weiß, wie ein Geist ist. In Kombination mit ihren rotblonden Haaren und den Sommersprossen necke ich sie gerne und nenne sie 'Ginger'. Je nachdem, wie ihre Tageslaune ist, kann diese Bezeichnung aus ihr auch ganz schnell einen zornigen Stier machen.

Während ich mir das Kleid anziehe und zurecht rücke, steht sie hinter mir und flechtet meine Haare zu einer hübschen Sommerfrisur zusammen.
»Versprich mir, dass du dich heute beherrschst«, verlangt sie von mir und sieht mich durch den Spiegel gespielt tadelnd an.
»Glaub mir«, beginne ich und verdrehe meine Augen, »ich habe erstmal genug von Alkohol.«
»Aber abschleppen darfst du trotzdem jemanden«, flüstert sie mir ins Ohr. »Und ich bin mir sicher, dass dir das gelingt. Du siehst heiß aus.«
»Auch das habe ich nicht vor«, lehne ich ab.
»Du hattest es auch an dem einen Abend nicht vor und trotzdem lag eine Frau neben dir im Bett«, argumentiert sie grinsend.
»Heute nicht«, bleibe ich hartnäckig.
»Wieso nicht? Gibt es da etwas, das ich noch nicht weiß?« Ihre Augenbrauen zucken wild, als sie mich das fragt und ich weiß sofort, dass sie auf Winnie anspielt.
»Nein.«
Ein Hupen lässt uns wissen, dass Dennis vor dem Haus steht und auf uns wartet. Vermutlich wartet er sogar schon seit fünfzehn Minuten. In etwa die Zeitspanne, die er immer braucht, bevor er mit dem Krach anfängt.

JoleneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt